Im Jahr 2016 erkrankten in Deutschland rund 36.000 Männer und 21.500 Frauen und an bösartigen Tumoren der Lunge, 29.324 Männer und 16.481 Frauen verstarben an Lungenkrebs. Neuesten Studien zufolge könnte diese Rate jedoch um bis zum 25% gesenkt werden.
Der US-amerikanische National Lung Screening Trial (NLST) hatte bereits vor neun Jahren gezeigt, dass ein Computertomografie-Screening die Sterblichkeit von starken Rauchern am Lungenkrebs um 20 % senken kann. Seit September 2013 wird Erwachsenen im Alter von 55 bis 80 Jahren, die seit 30 Jahren rauchen, in den USA deshalb zur Früherkennung geraten.
Die Europäer standen den Ergebnissen der NLST-Studie skeptisch gegenüber, nachdem zwei kleinere Studien in Dänemark und in Italien keine Vorteile gefunden hatten. Außerdem befürchteten sie viele falsch-positiven Ergebnisse, die gesunde Menschen zu Krebspatienten machen würden oder eine Überdiagnose von Tumoren, die sich von selbst zurückbilden und möglicherweise gar nicht entfernt werden müssen. Wissenschaftler aus den Niederlanden und Belgien konnten nun jedoch in einer Studie zeigen, dass die Sterblichkeit durch ein 3-maliges Screening mit einer Niedrigdosis-Mehrschicht-Computertomografie bei starken Rauchern und Exrauchern um ein Viertel gesenkt werden kann.
An der NELSON-Studie („Nederlands–Leuvens Longkanker Screenings Onderzoek“) nahmen in den Jahren 2004 bis 2012 13.195 Männer und 2.594 Frauen im Alter von 50 bis 74 Jahren teil. Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war, dass sie Raucher waren oder vor weniger als 10 Jahren damit aufgehört hatten. Außerdem mussten sie über 25 Jahre wenigstens 15 Zigaretten am Tag, oder über 30 Jahre wenigstens 10 Zigaretten am Tag geraucht haben.
Das Screening bestand aus 3 Untersuchungen die in Intervallen von 1, 2 und 2,5 Jahren durchgeführt wurden. Bei den Männern war nach 467 von 22.600 CT-Untersuchungen (2,1 %) eine eingehende pulmologische Abklärung nötig. Dabei wurde bei 203 Studienteilnehmern ein Lungenkrebs entdeckt. Studienleiter Harry de Konig erklärt, der positive Vorhersagewert habe insgsamt bei 43,5 % gelegen. Die falsch-positive Rate dagegen nur bei 1,2 % (264 von 22.600 CT-Untersuchungen). Die Anzahl der Überdiagnosen lag bei 8,9 %.
Todesfälle bei Frauen signifikant gesenkt
Die Anzahl der Todesfälle durch Lungenkrebs bei der Screening-Gruppe betrug während der 10-jährigen Beobachtungszeit 156, in der Kontrollgruppe ohne regelmäßige Screenings starben 206 Männer. De Konig rechnete aus, dass das Screening das Sterberisiko an Lungenkrebs demnach um 24 % gesenkt hatte.
Die Effektivität des Screenings bei Frauen könnte sogar noch größer sein, wie erste Ergebnisse der deutschen LUSI-Studie „Lung Cancer Screening Intervention“) zeigen, an der 4.000 Raucher aus Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen, dem Rhein-Neckar- sowie dem Neckar-Odenwald-Kreis, teilnahmen. Die Hälfte der 50 bis 69 Jahre alten Teilnehmer unterzog sich über 4 Jahre jährlich einer Niedrigdosis-Mehrschicht-Computertomografie. Dabei wurden in der Screening-Gruppe 85 Lungenkarzinome entdeckt, in der Kontrolle ohne Screenings, 67. Bei den Screening-Teilnehmern starben 29 Menschen an Lungenkrebs, in der Kontrollgruppe waren es 40 Personen. Bei dieser Studie zeigte sich auch, dass die Sterblichkeit bei Frauen signifikanter zurückging als bei Männern.
Den Grund dafür gibt Dr. Rudolf Kaaks vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg damit an, das Frauen häufiger an einem Adenokarzinom der Lunge erkrankten als die männlichen Probanden und diese Tumorart leichter im CT nachweisbar sei, da sie häufig im peripheren Lungengewebe auftritt. Andere Arten von Lungenkrebs entstünden dagegen häufig zentral an den Bronchien, wo sie auch im CT erst auffallen, wenn sie größer sind.
Die Ergebnisse der NELSON-Studie wurden im New England Journal of Medicine (2020; 382: 503-513) veröffentlicht, die 1. Ergebnisse der LUSI-Studie im International Journal of Cancer (2020; 146: 1503-1513).