Mittels Kurbelmechanismus wird der Antrieb des Rollstuhls ergonomischer. (c) TU Wien
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Der Schieberadantrieb herkömmlicher Rollstühle entspricht nicht den natürlichen Bewegungsabläufen. Weshalb viele Langzeit-Rollstuhlfahrer an Gelenkverletzungen an Hand und Schulter leiden. Jetzt wurde an der TU Wien ein Rollstuhl mit ergonomischem Antrieb entwickelt. Ein Industriepartner zur Umsetzung wird gesucht.

Hunderteinunddreißig Millionen Menschen weltweit sind in ihrer persönlichen Mobilität auf den Rollstuhl angewiesen. Der Antrieb von herkömmlichen Rollstühlen entspricht aber nicht den ergonomischen Anforderungen. Im Antrieb mittels Schiebefelge treten große Gelenkbewegungen in Kombination mit hohen Gelenkbelastungen auf. Das kann zu extremen Gelenkstellungen und langfristig zu Gelenksschmerzen und –verletzungen führen.

Biomechanisches Modell

„Die Gelenke sind nicht für den Rollstuhl gemacht“, sagt Margit Gföhler vom Institut für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung an der TU Wien. Sie forschte im Team für Biomechanik und Rehabilitationstechnik an einer optimierten Antriebstechnik für Rollstühle und baute ihre Untersuchungen auf biomechanischen Modellen auf. Dabei wird der Bewegungsapparat und die von diesem erzeugten Bewegungen anhand von Mechanik, Anatomie und Physiologie beschrieben, analysiert und bewertet.

Die verschiedenen Bewegungsabläufe des Oberkörpers wurden anhand eines biomechanischen Computermodells analysiert. Gesucht wurde ein Bewegungsablauf, welcher der Funktion von Schultern und Armen am ehesten entspricht. Der Bewegungsablauf, der aus der biomechanischen Simulation als besonders geeignet hervorging, wurde dann in einen mechanischen Antrieb übersetzt.

Ergonomisch und effizient

Das Ergebnis war ein Rollstuhl, der mit einem Kurbelmechanismus angetrieben wird. Die Kurbeln sind an den Armlehnen montiert und treiben die Hinterräder über einen Zahnriemen an. Durch diese Technik können die Hinterräder etwas kleiner gestaltet werden als normalerweise üblich.

Die Kurbeln folgen einem vordefinierten Kreisweg und erfordern eine ellyptische Bewegung. Das hat den Vorteil, dass sich die Hände nur mehr im natürlichen Winkelbereich bewegen müssen und eine durchgängige Bewegung ohne Unterbrechung möglich ist. Gelenkbewegung und –belastung sind deutlich geringer als beim Standard-Schieberadantrieb.

Ein weiterer Vorteil ist die einfache Anpassbarkeit an individuelle Körpergrößen.

 

Mittels Kurbelmechanismus wird der Antrieb des Rollstuhls ergonomischer. (c) TU Wien

 

Mühelos

Die Tests wurden unter anderem in Kooperation mit dem Rehabilitationszentrum Weißer Hof in Klosterneuburg durchgeführt. Teil der Tests waren auch spirometrische Untersuchungen, in denen über eine Analyse der Atemluft der Anstrengungsgrad einer Tätigkeit gemessen werden kann. Das Ergebnis zeigte, dass die neue Antriebstechnik bei gleicher Geschwindigkeit eine deutlich geringere Anstrengung erfordert.

„Unser neues Rollstuhlkonzept könnte sicher für viele Menschen eine echte Verbesserung der Lebensqualität sein“, sagt Margit Gföhler. Sie hat den neuen Rollstuhlantrieb bereits zum Patent angemeldet und ist nun auf der Suche nach einem Industriepartner, der die Innovation in ein kommerzielles Produkt umsetzt.

 

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