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Jedes Jahr sterben in Europa mehr als 30.000 Menschen an multiresistente Keimen. Laut Zahlen der Europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC infizieren sich rund 700.000 Menschen pro Jahr mit derartigen Keimen, mehr als zwei Drittel davon in Krankenhäusern.

Multiresistente Keime sind Erreger, die nicht nur gegen ein Antibiotikum immun geworden sind, sondern Resistenzen gegen Breitspektrum-Antibiotika entwickelt haben, die bei einer Vielzahl von Bakterien wirken und auch oft eingesetzt werden. Die Folge ist, dass die Patienten auf kein Antibiotikum mehr ansprechen und schlimmstenfalls an der Infektion sterben. Vor allem an Orten, an denen viele Antibiotika im Umlauf sind, wie in Krankenhäusern und in der Massentierhaltung, können Keime sogenannte Extended Spectrum Beta-Lactamasen (ESBL) produzieren – ein Enzym, das gewisse Antibiotika wirkungslos macht.

„Die Situation mit den multiresistenten Bakterien geriet in den letzten Jahren immer mehr außer Kontrolle”, erklärt Roger Stephan, Professor am Institut für Lebensmittelsicherheit der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich. „Gegen die Zunahme der Verbreitung ESBL-bildender Keime sind dringend Gegenmassnahmen erforderlich.” Dazu sei aber ein vertieftes Verständnis über die Aus- und Verbreitungswege von multiresistenten Keimen nötig, die dann auch in der Darmflora von Mensch und Tier vorkommen können.

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Multiresistente Bakterien im Hundefutter

Forscher der Vetsuisse-Fakultät der UZH haben in einer Studie zu klinisch relevanten Bakterienstämmen bei Hunden und Katzen verschiedenste ESBL-bildende Keime gefunden. „Uns hat aufgeschreckt, dass diese Keime bei Hunden und Katzen so häufig nachgewiesen werden können”, sagt Stephan. „Als einen möglichen Übertragungsweg vermuteten wir die Verfütterung von rohem Fleisch.”

Im Gegensatz zu früheren Jahren, als Haustiere in erster Linie gekochtes Fleisch und/oder Trockenfutter bekamen, füttern heute immer mehr Tierhalter vor allem ihre Hunde mit rohem Fleisch, Schlachtnebenprodukten, Knochen und Zutaten wie Gemüse und Obst. Dieser Futtermix wird „Barf” genannt. Barf steht hier übrigens für „Biologically Appropriate Raw Food“ und ist nicht das englische Wort für Kotze …

Die Forscher der Uni Zürich untersuchten im Rahmen einer Studie 51 Rohfutter-Proben von verschiedenen Anbietern in der Schweiz auf die Gesamtkeimzahl, auf normale und antibiotikaresistente Enterobakterien sowie auf Salmonellen. Dabei fanden sie in jedem zweiten Hundefutter aus rohem Fleisch multiresistente Bakterien.

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Risikofaktor für Mensch und Tier

Bei 61 Prozent der Proben wurden ESBL-bildende Bakterien gefunden, bei 73 Prozent wurde der Richtwert für Enterobakterien überschritten, in jeweils zwei Proben wurden Salmonellen und Escherichia coli mit dem Colistin-Resistenzgen mcr-1 nachgewiesen. Letzteres ist ein übertragbarer Resistenzmechanismus gegen das Reserveantibiotikum Colistin, der vor kurzer Zeit erstmals in China nachgewiesen wurde.

„Dass wir bei über 60 Prozent der Proben ESBL-bildende Bakterien gefunden haben, ist wirklich erschreckend”, erklärt Magdalena Nüesch-Inderbinen, Erstautorin der Studie. „Darunter waren auch einige Escherichia coli-Typen, die bei Menschen und Tieren Infektionen auslösen können.” Aus Sicht der Forscher ist „Barfen” deshalb auch „ein bedeutender Risikofaktor für die Übertragung von antibiotikaresistenten Bakterien“ vom Haustier auf den Menschen. Erstens kommen die Tierbesitzer bei der Zubereitung des Futters mit den multiresistenten Bakterien in Berührung, zweitens können die Tiere durch ihren engen Kontakt zu ihren Besitzern die Bakterien übertragen.

„Wir raten daher allen Hunde- und Katzenbesitzern, die ihre Tiere mit „Barf” ernähren wollen, vorsichtig mit dem Futter umzugehen und strikte Hygiene bei der Fütterung einzuhalten”, sagt Nüesch-Inderbinen. „Die Tierhalter sollten sich des Risikos bewusst sein, dass ihr Tier vielleicht multiresistente Bakterien in sich trägt und diese verbreiten kann.”

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