Kunststoff ist unserem Leben nicht mehr wegzudenken, entsprechend groß auch die Mengen, die jedes Jahr produziert werden. Alleine die deutsche Kunststoffindustrie stellte im vergangenen Jahr 18,2 Millionen Tonnen her. Weltweit sind es beinahe 400 Millionen Tonnen. Ein großer Teil davon landet nach Gebrauch in der Umwelt, zum Beispiel in den Weltmeeren. Rund 10 Millionen Tonnen fließen laut einer Statistik der Deutschen Umwelthilfe jedes Jahr in die Meere.
Problematisch werden können aber auch unsere täglichen Gebrauchsgegenstände. Meist ist ihre Lebenszeit nur recht kurz bemessen, da sie im Allgemeinen nicht repariert werden können, sondern ersetzt werden müssen. Um das in Zukunft ändern zu können, erforscht ein Team um den Chemiker und Materialwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich S. Schubert der Friedrich-Schiller-Universität Jena Möglichkeiten, Kunststoffe nachhaltiger zu machen.
Oberflächen mit dem Haartrockner reparieren
„Stellen Sie sich zerkratzte Oberflächen von Wohnungsmöbeln vor, zum Beispiel in der Küche”, beschreibt Schubert ein mögliches Einsatzgebiet dieser intelligenten Kunststoffe. „Sie erwärmen die entsprechende Oberfläche einfach – etwa mit einem Haartrockner – und sie sieht nicht nur wieder aus wie neu, sondern sie ist neu.“ Sogenannte Vitrimere sollen dafür sorgen, dass Gebrauchsgegenstände langlebiger sind und somit seltener ersetzt werden müssen. Sie können auch leichter wiederverwertet werden und damit einen Beitrag zum Umweltschutz leisten.
„Besonders Verbundwerkstoffe lassen sich kaum recyceln, denn die hier eingesetzten Materialien lassen sich so gut wie nicht mehr voneinander trennen“, erklärt Schubert. Deutlich werde dieses Problem, wenn Windkraftanlagen erneuert werden müssen. „Hier fallen große Mengen an Abfall an, allein schon über die Rotorblätter. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es hier bisher keine geeignete Strategie, diese Ressourcen weiter zu nutzen.“
Das ließe sich mit intelligenten Werkstoffen wie den Vitrimeren jedoch ändern, betont der Professor. „Diese Materialien sind schaltbar. Das heißt, ihre Verarbeitbarkeit kann gesteuert werden.“ So ließen sich theoretisch Verbundwerkstoffe herstellen, die bei Bedarf wieder getrennt und weiter genutzt werden können. Das zu erforschen, haben sich Schubert und sein Team für die kommenden fünf Jahren vorgenommen. „Besonders interessieren uns faserverstärkte Werkstoffe“, sagt Schubert. „Hier wollen wir vor allem Glas- und Kohlenstofffasern in die neuen Kunststoffe einbetten, die u. a. für den Leichtbau und die Einsparung von CO2-Emissionen eingesetzt werden können. Uns interessieren aber auch Nanokomposite, in denen Nanofüllstoffe das Material verstärken.“
Intelligente Kunststoffe werden alltäglich
Eines Tages werden diese nachhaltigen Kunststoffe alltäglich werden und in Flugzeugen, auf Oberflächen oder etwa in Tennisschlägern eingesetzt werden, ist Schubert sicher. „Vitrimere sind noch eine sehr junge Klasse von Kunststoffen. Konkrete Anwendungen sind bisher noch nicht vorhanden. Unser Ziel ist es aber, mit dieser Forschung eine neue Generation von nachhaltigen Materialien zu ermöglichen.“
Die Forscher werden über einen Zeitraum von fünf Jahren durch die Carl-Zeiss-Stiftung gefördert, die zwei Millionen Euro für das Projekt bewilligt hat. „So einen Betrag erhält man normalerweise nur für ein großes koordiniertes Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft“, erklärt Schubert. Etwa acht Doktorandinnen und Doktoranden sollen in den kommenden Jahren diese neue Materialklasse von der Synthese, der Verarbeitung, ihren zugrundeliegenden Mechanismen bis hin zu ihren Umwelteinflüssen untersuchen, so Schubert. Außerdem werde eine Nachwuchsgruppe etabliert.
Titelbild: An der Universität Jena werden nachhaltige, intelligente Kunststoffen erforscht. Foto: Jens Meyer (Universität Jena)