Virtual Reality – das heißt, eintauchen in eine fremde Welt. Sei es, in einem Rennwagen Platz zu nehmen und gegen andere anzutreten. Sei es, im bequemen Sessel in einer Achterbahn Loopings zu drehen, oder einfach nur einen entspannenden Waldspaziergang zu machen. Virtual Reality kann neben dem Spaßfaktor aber auch eine therapeutische Wirkung haben. Jasmine Ho, Doktorandin an der Abteilung Kognitive Neuropsychologie der Universität Zürich, will diese virtuellen Welten beispielsweise auch nutzen, um Schmerzpatienten zu helfen.
Ganz neu ist der Einsatz von VR in der Medizin allerdings nicht. So wird sie schon seit einiger Zeit eingesetzt, um Menschen mit Angststörungen mit Hilfe der Simulationen zu helfen. In verschiedenen Krankenhäusern werden Patienten in eine virtuelle Welt geschickt, um sie von Schmerzen abzulenken, während Bandagen gewechselt werden. Jasmine Ho hat bei Untersuchungen nun festgestellt, dass dieses Eintauchen in virtuelle Welten sogar einen Placeboeffekt haben kann. Sie konnte zeigen, dass es ausreicht, wenn der Avatar (der virtuelle Körper) ein Medikament gegen Schmerzen bekommt.
Handschuh oder kein Handschuh?
Dafür bekamen die Teilnehmer am Experiment einen Handschuh, der sie Dank eins angeblichen Hightech-Materials vor Hitze schützen sollte. Das Experiment fand in drei Realitätsstufen statt: Einmal bekamen die Probanden einen echten Handschuh angezogen. In Stufe zwei sahen sie durch eine VR-Brille, wie ihnen der Handschuh angezogen wurde. In diesem Fall allerdings nur ein virtueller Handschuh. In Stufe drei, in der die Testpersonen komplett in einer virtuellen Welt waren, bekam nur der Avatar den Handschuh. Die Probanden wussten also, dass der Handschuh nicht real war. Trotzdem zeigte sich, dass alle drei Handschuhe eine schmerzlindernde Wirkung hatten.
„Das Gefühl für das eigene Körperempfinden lässt sich erstaunlich leicht verändern“, sagte Jasmin Ho im Interview mit der Journalistin und Autorin Simona Ryser, auf deren Portrait von Ho dieser Artikel basiert. „Schon nach wenigen Minuten in der künstlichen Welt passt sich unser Gehirn der Körperillusion an.“ Das zeige sich schon am Anfang einer Sitzung, sobald die Probanden die VR-Brille aufgesetzt haben. Sie werden dann gebeten, ein Bein zu bewegen. Diese Bewegung werde durch Sensoren auf den Avatar übertragen, sodass dieser die gleiche Bewegung mache und der Mensch den Avatar als eigenen Körper wahrnehme.
Als Mann kann man sich als Frau erkunden und umgekehrt, man kann sich als andersfarbigen Menschen sehen oder sich im Körper einer älteren Person wahrnehmen,
erklärte Jasmine Ho. So habe sich in einer Studie der Universität Stanford gezeigt, dass Menschen – zumindest vorübergehend – zuvor gehegte Vorurteile und negative Haltungen gegenüber anderen abbauen konnten.
Jasmine Hos Ziel ist, Menschen mit chronischen Schmerzen zu helfen und so auch eine mögliche Reduktion von Schmerzmitteln zu erreichen. Man wüsste, dass diese Patienten eine verzerrte Körperwahrnehmung hätten und so beispielsweise einen schmerzenden Arm als „schwer, erhitzt, rot flammend oder vergrößert“ wahrnähmen. Deshalb will sie „eine Art Plattform schaffen, auf der verschiedene Avatare zur Verfügung stehen, mit denen man das eigene Körperbild positiv verändert und den Arm beispielsweise beweglicher erleben kann.“