Als vor sechs Jahren politische und wirtschaftliche Spannungen zwischen dem Westen und Russland wieder verstärkt auftraten, sprachen die Medien schnell von einem neuen Kalten Krieg. Seitdem machen Kapitalmarktrestriktionen und Handelsembargos die Geschäfte mit dem osteuropäischen Land unattraktiv. Es ist schwieriger geworden wirtschaftliche Beziehungen zu unterhalten. Damit ist klar: Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um in eine Geschäftsbeziehung mit Russland zu investieren. Nichtsdestotrotz beweist der russische Venture Builder Technospark Mut. Vor einigen Monaten hat es ein Büro auf dem Eindhovener High-Tech-Campus in den Niederlanden eröffnet. Mit Innovationen und Unternehmertun-Konzepten will der Venture Builder der abgekühlten Beziehung zwischen den Niederlanden und Russland neues Leben einhauchen.
Russischer Venture Builder in den Niederlanden
Innovation Origins sprach in einem halbleeren Büro in Eindhoven mit dem Moskauer Direktor für Unternehmensentwicklung, Boris Galkin. Er erläutert das Ertragsmodell von Technospark: „Technospark ist ein Venture Builder, der seit 2012 aktiv ist. Das Konzept des Venture Buildings besteht darin, Start-ups zu gründen und sie dann wieder zu verkaufen. Wenn das Unternehmen aus eigener Kraft operieren kann. Der große Unterschied zu einem Beschleuniger ist, dass ein Venture Builder ein Unternehmen neu aufbaut. Wir führen alle Schritte selbst durch: Ermittlung der Marktnachfrage, Prototyping, Festlegung der Vertriebsstrategie und Entwicklung eines Kundenstamms. Das Geld für die Start-ups kommt von Technospark selbst. Auch russische Privatinvestoren sind beteiligt. Mit der Zeit wollen wir zudem europäische Investoren in unser Geschäft einbinden.“
In der Regel verkauft Technospark die Unternehmen, nachdem der Breakeven, also die Gewinnschwelle, erreicht ist. Von da an sollte ein Start-up unabhängig arbeiten und schwarze Zahlen schreiben. Technospark hat seit 2012 einhundert Millionen Euro investiert. Mehr als siebzig Start-ups gründete der Venture Builder. Die meisten von ihnen sind in Russland ansässig. Die Einnahmen aus dem Verkauf junger Unternehmen werden laut Galkin in neue Unternehmen reinvestiert, mit dem Ziel, das Venture-Building-Portfolio weiter auszubauen.
Wenig Produkte für Europa
Die Start-ups von Technospark sind in vielen verschiedenen Sparten tätig, wie Windenergie, Mikroelektronik, medizinische Geräte und Lasertechnik. Die meisten Produkte sind allerdings für den russischen Markt bestimmt. In Europa werden sie nicht vertrieben. Bis auf einige wenige, die sich eigen, auch hier vermarktet zu werden.
Eines ist beispielsweise der Logistikroboter von Ronavi Robotics. Mit ihm lassen sich Auswahlprozesse in Distributionszentren automatisieren. Technospark hat sich genau für dieses Produkt entschieden, da die Zahl der Kundenbestellungen über Webshops enorm gestiegen ist. Bei der Entwicklung des Roboters investierte auch Amazon. Der größte Akteur im E-Commerce steckte bereits riesige Summen in die Digitalisierung der Logistik. Mit Erfolg: Im Laufe der Jahre verbuchte das Unternehmen einen steigenden Nettoumsatze. Durch den Einsatz von Logistikrobotern können Bestellungen achtmal schneller zusammengestellt werden als von Menschen.
Venture Builder bringt Logistikroboter auf den Weg
Der Roboter besteht aus einem niedrigen Wagen (siehe Foto) von der Größe einer Europalette. Mit Hilfe eines QR-Codesystems und Orientierungspunkten am Boden bewegt er sich geradlinig durch ein Lager. Auch andere Unternehmen stellen diesen Robotertyp her. Der Grund: Immer mehr Logistikzentren entstehen und die Nachfrage im Online-Handel steigt weiterhin. Das heißt, immer mehr Waren werden in immer kürzerer Zeit durch die Lagerhallen geschleust. Maschinelle Hilfe ist unerlässlich.
Der Hauptvorteil des Ronavi-Roboters liegt in seiner Größe. Seine Oberfläche ist viermal kleiner, als die der Konkurrenz-Roboter. Trotzdem stemmt er dasselbe Gewicht (bis zu 1.500 kg). Dadurch können mehr Güter auf der gleichen Fläche gelagert werden, was eine effizientere Nutzung des Lagerraums gewährleistet. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Roboter mit jeder Logistiksoftware betrieben werden können. Das macht den Preis nach Aussage des Unternehmens im Vergleich zu Unternehmen, die nur Komplettpakete anbieten, wesentlich attraktiver.
Niederländische Partnerschaft
Ohne die Corona-Pandemie zu berücksichtigen, erklärt Galkin, gehe es Russlands Wirtschaft und dem Technologiesektor schlecht: „Die derzeitigen Bedingungen im Land sind weit von einem günstigen Investitionsklima entfernt. Dennoch sehen wir enorme Chancen für die High Technology in unserem Land. Russland eignet sich auch als Produktionsstandort. Die Löhne sind viermal niedriger als in den Niederlanden, Energiekosten sind gering und es stehen viele (gut ausgebildete) Arbeitskräfte zur Verfügung.“
Auf die Frage, wie Technospark mit den zusätzlichen Herausforderungen durch die Corona-Krise umgeht, antwortet Galkin: „Wir werden die Arbeit fortsetzen, die von zu Hause in Russland aus gemacht werden kann. Zum Beispiel arbeiten wir jetzt an der Entwicklung von Software für unsere Produkte und analysieren die Warenströme potenzieller Kunden, damit wir ihnen geeignete Angebote unterbreiten können.“
Dennoch wird Technospark für die Produktion des Ronavi-Roboters eine Partnerschaft mit der niederländischen VDL Groep eingehen. Warum sich Technospark nicht dafür entschieden hat, die Roboter am neuen Standort in Moskau fertigen zu lassen, erklärt Galkin so: „Wir wollen ein zuverlässiges und CE-zertifiziertes Produkt in Europa vermarkten. Deshalb lagern wir die Kosten aus. Da sich der Markt für dieses Produkt ständig weiterentwickelt und äußerst umkämpft ist, brauchen wir einen Partner, der schnell eine qualitativ hochwertige Produktion aufbaut. VDL ist dafür sehr gut geeignet. Die Roboter, die sie hergestellt haben, sind so konstruiert und getestet worden, dass sie 10.000 Arbeitsstunden ohne Wartungsbedarf überstehen.“
Technospark baut derzeit eine Vertriebsstruktur in den Niederlanden auf. Neben Business-Entwicklern und Ingenieuren werden Verkäufer gesucht, um die Produkte in den Niederlanden verkaufen zu können. Galkin: „Technospark und Ronavi machen jetzt die ersten Schritte in Europa. Wir sind davon überzeugt, dass in Zukunft Dutzende unserer Produkte hier verkauft werden”, so Galkin.