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Die Corona-Krise hat einen enormen Einfluss auf Erwachsene mit Autismus. Viele zeigen weitaus mehr Angst- und Depressionssymptome als dies normalerweise der Fall ist. Nach Ansicht von Forschern der niederländischen Universität Gent (UGent) ist dies besorgniserregend. Ihre Schlussfolgerungen trafen sie auf Basis einer umfangreichen Studie über die Auswirkungen der aktuellen COVID-19-Pandemie auf das tägliche Leben und das psychologische Wohlbefinden von Erwachsenen mit Autismus-Spektrum-Störung.

Die Forschungsgruppe EXPLORA (Experimental PsychoLogical Research on Autism) der UGent hat einen umfangreichen Fragebogen zu den Folgen der Corona-Krise für Menschen mit Autismus erstellt. 839 Personen aus den Niederlanden, Belgien und dem Vereinigten Königreich nahmen daran teil. Mehr als die Hälfte von ihnen gab an, dass sie an einer Form von Autismus leiden.

Lebensmitteleinkäufe sind für Erwachsene mit Autismus besonders stressig. Beispielsweise, wenn bestimmte Produkte nicht verfügbar sind. Die Verweildauer im Geschäft oder die Menge, die von einem bestimmten Produkts gekauft werden kann, sind teilweise begrenzt. Und manchmal müssen sie Schlange stehen, um irgendwo hineinzukommen.

Sorgen um die Haustiere

Der Umfrage zufolge machen sie sich während der Pandemie viel mehr Sorgen als neurotypische Erwachsene: Es geht dabei zum Beispiel um ihre Haustiere oder darum, ob sie benötigte Medikamente bekommen können. Sie sind besorgt darüber, wie man jetzt Einkäufe macht und wie man die Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 richtig verfolgt.

Von bestimmten sozialen Verpflichtungen entbunden

Im Durchschnitt erfahren Erwachsene mit Autismus mehr Stress durch die Veränderung ihrer täglichen Routinen in Folge der Pandemie (wie z.B. arbeitsbedingte Veränderungen und den Verlust von Aktivitäten im Freien) als neurotypische Erwachsene. Auf der anderen Seite fühlen sie sich von bestimmten sozialen Verpflichtungen entlastet, die Stress verursachen, wie z.B. obligatorische Termine oder Partys, unerwartete Besuche oder Fremde, die ihnen zu nahe kommen.

Es ist Stress, meine Lieben außerhalb des Hauses nicht sehen zu können und mich durch die soziale Isolation eingeschränkt zu fühlen, ohne zu wissen, wann dies ein Ende haben wird.

Die Regel der sozialen Distanzierung schafft jedoch auch neue Schwierigkeiten speziell für Erwachsene mit Autismus. Zum Beispiel erschweren Gesichtsmasken das Ablesen von Gesichtsausdrücken. Auch die Kommunikation über Videoanrufe empfinden sie als kompliziert. Die Antworten zeigen jedoch auch deutlich, dass Erwachsene mit Autismus kein geringeres Bedürfnis nach sozialen Kontakten haben als Erwachsene ohne Autismus. Sie gaben in der Studie an, dass sie in der Regel öfter Einsamkeit und soziale Isolation erlebten. Der Verlust des Zugangs zu ihrem eigenen sozialen Sicherheitsnetz aufgrund von Besuchsbeschränkungen scheint daher für einige eine große Belastung zu sein.

Bedarf an spezifischen Tipps für Menschen mit Autismus

Erwachsene mit Autismus gaben auch an, dass sie es wichtig finden, an der Entwicklung spezifischer Tipps und Hilfsmittel für die Autismus-Community beteiligt zu sein. Zudem sind sie mit dem derzeitigen Angebot solcher Informationen noch nicht zufrieden. Die Einrichtung spezifischer autismusfreundlicher Einkaufszeiten oder eines (“Buddy”-)Systems, bei dem eine andere Person für den Erwachsenen mit Autismus einkauft, würde ebenfalls dazu beitragen, den Einkaufsstress zu mildern.