Die Antwort auf diese Frage dürfte überraschen. Im dritten Teil unserer Serie über intelligente Spracherkennung beschäftigen wir und heute mit einem Gebiet der Stimmanalyse, das besonders bei zwischenmenschlicher Kommunikation und Interaktion und auch in der Werbung von Bedeutung ist.
„In der Kommunikation ist es oft so, dass der emotionale Zustand, wie man kommuniziert, einen ganz anderen unterbewussten Trigger auslöst als alleine das, was man sagt“, erklärt Dagmar Schuller, CEO und Mitgründerin des Münchner Startups audEERING. Das trifft ganz besonders auf Politiker zu, die speziell im Wahlkampf zu rhetorischen Stilmitteln greifen, die nicht nur die Wähler überzeugen, sondern auch den Gegner aus der Reserve locken sollen. Wie echt und authentisch wirken die Kandidaten in diesen Situationen aber? AudEERING hat vor der Wahl in den USA 2016 eine Analyse durchgeführt, in der die stimmlichen Persönlichkeitsprofile von Donald Trump und Hillary Clinton verglichen wurden.
„Wir waren extrem erstaunt, dass Trump in der Stimme eine deutlich höhere Zustimmung gezeigt hat in der Art und Weise, wie er gesprochen hat, als Hillary Clinton, denn das ist ja wirklich ein neutrales Ergebnis. Sie hatte ein deutlich negativeres Stimmprofil als Trump“, sagt Schuller. Ob das einen Einfluss auf den Ausgang der Wahl hatte, kann man natürlich nicht sagen, Fakt ist aber, Trump ist Präsident geworden. „Von der Stimme her wirkte er dominant und seine Glaubwürdigkeit war extrem hoch, vor allem im Vergleich zu Clinton.“ Natürlich gebe es Leute, die noch besser abschneiden, aber „ein Punkt, den man da misst, sind Authentizität und Ehrlichkeit und da war er überall besser.“
Auch Österreichs Politiker werden “geoutet”
Einen ähnlichen Test machte das Unternehmen auch bei den Spitzenkandidaten der Nationalratswahl in Österreich, Sebastian Kurz, Christian Kern und Heinz-Christian Strache. Mittels der sensAI Technologie wurden dabei die prägnantesten Emotionszustände, wie Fröhlichkeit, Enthusiasmus, Interesse, Enttäuschung und Niedergeschlagenheit, der Kandidaten über die gesamte Länge des einzigen gemeinsamen TV-Duells „Die großen Drei um Drei“ analysiert. Ebenso wurde über den gesamten Verlauf des TV-Duells in Echtzeit die Emotionsaktivierung (Arousal/Erregtheit/Enthusiasmus) sowie die Valenz (angenehme/positive und unangenehme/negative Wahrnehmung) gemessen und aggregiert, sodass entsprechende Ausprägungen erkennbar sind.
„Wir haben dabei herausgefunden, dass zum Beispiel ein Sebastian Kurz von der Stimmlage, der Intonation, der Art, wie er spricht, viel, viel positiver war als seine beiden Kollegen. Bei Strache hat man erkannt, dass er am emotionalsten war. Bei Kern hat man, auch wenn er nicht viel Negatives gesagt hat, gemerkt, dass die Stimmung permanent negativ war“, erzählt Dagmar Schuller. „Man hat eine Enttäuschung herausgehört, fast schon einen depressiven Einschlag. Es kann natürlich sein, dass er das in der Stimme hat, aber das ist dann eben schlecht für einen Politiker.“
Nicht nur in der Politik, auch in der Marktforschung ist es wichtig, wie jemand etwas sagt. Reines Anklicken von Ja oder Nein, Gefällt oder Gefällt nicht, ist weit weniger aussagekräftig als wenn man hören kann, wie er es sagt. „Im Medienbereich und in der Werbung spielen immer Emotionen eine Rolle, vor allem in der höherpreisigen Sektion, was ich kaufe oder was ich nicht kaufe. Werbung, die emotional berühren soll, muss man dementsprechend steuern“, so Schuller. Dazu hat audEERING eine Analyse der sogenannten Influencer auf YouTube gemacht, um herauszufinden, welche Videos besonders gut ankommen, die größte Reichweite und die meisten positiven Kommentare haben und wie sie dargestellt werden. Dabei ließ sich auch feststellen, wieso das eine Video eine höhere Reichweite hatte als das andere, unabhängig davon, wer es gemacht hat.
Es ließen sich tatsächlich unterschiedliche Emotionsklassen feststellen, die offenbar zur Folge hatten, dass die Videos derselben Leute überdimensional schlecht waren, schlechtere Reichweiten hatten und negative Kommentare bekommen haben. “Das heißt, es gibt da irgendetwas, was die Leute abstößt oder was sie anzieht“, erklärt Schuller. „Ein Beispiel ist, wenn man jemand prinzipiell mag, wird das sehr oft durch die Emotionen ausgedrückt. Daher ist es auch von Bedeutung, wie ich zum Beispiel ein Produkt platziere, mit welchem Influencer ich eine positive Konnotation schaffen möchte. Im Idealfall möchte ich einen Kunden abholen, der das Produkt kauft und dann auch sehr zufrieden ist und sagt, das sei das Tollste, das er jemals gekauft hat. Ich möchte keinen Kunden haben, der eigentlich unzufrieden war, einen Frustkauf gemacht hat und danach noch verärgerter ist, weil das Produkt so viel gekostet hat und er es am Ende auch wieder zurückbringt. Ich will den Kunden in einem möglichst positiven Moment abholen und ihn noch glücklicher stimmen. Dann habe ich gewonnen.“
Paradebeispiel für diese Art positiver Werbung ist Red Bull. Der Brausehersteller setzt seit Jahren darauf, extrem emotional zu kommunizieren und positive Emotionen in seinen potentiellen Kunden zu erzeugen. „Ihnen geht es darum, eine Relation herzustellen zwischen dem Topathleten und dem Fan, der dem Topathleten zuschaut und sich in ihn rein versetzen möchte. Er möchte fühlen, wie es dem Athleten geht, wenn er beispielsweise von der Klippe springt oder vor der Lawine davonfährt. Welchen Adrenalinkick, welchen Thrill hat er da?“
Weitergeführt könne man das auch im Medienbereich Gaming sehr gut einsetzen, betont Dagmar Schuller. „Gaming ist mittlerweile etwas, bei dem durch Rollenspiele oder andere Dinge Spieler sehr emotional reagieren. Wenn ich meinem Avatar in einer bestimmten Kampfsituation tatsächlich auch meine Gefühle vermitteln kann, habe ich dadurch ein komplett neues individualisierbares Element.“ Andererseits verschaffe ein solcher Mechanismus aber auch Eltern eine Möglichkeit zur besseren Kontrolle ihrer Kinder, wenn sie merken, dass der Nachwuchs zu tief in sein Spiel vertieft ist. „Dann merkt das System, dass das Kind zu aufgeregt wird und gibt der Mutter einen Alarm, der sie warnt und ihr empfiehlt, das Spiel zu beenden, weil es für das Kind ungesund und zu stressig wird. Das kann man mit unserer Software sehr gut machen und das hat auch eine sehr positive Wirkung auf eine bestimmte Marke.“
Hilfe für Moderatoren
Ein weiteres Gebiet der Software ist auch das Stimmcoaching zum Beispiel für Moderatoren, wobei der Coach oder auch man selbst mithilfe der Software eine Analyse seiner Stimme bekommen kann. „Man kann erkennen, wie sympathisch jemand anders eine bestimmte Stimme empfindet. Das hängt allerdings auch sehr davon ab, wie meine eigene Stimme klingt. Je näher ich nämlich von der Wahrnehmung her an meiner eigenen Stimme dran bin, desto positiver und angenehmer fühlt sich für mich die Stimme des anderen an.“
Im Bereich des Voice-Coachings kann man eine Stimme somit gezielt für die jeweilige Zielgruppe trainieren. „Für Kinder ist ein gewisser Singsang vielleicht ganz gut, der auf Erwachsene etwas störend wirkt. Da kann man dann sagen, die Zielgruppe deiner Zuschauer sind Erwachsene, da passt deine Stimme nicht so, also trainiere sie dementsprechend. Das ist machbar“, betont Dagmar Schuller. „Der Voice-Coach kann Feedback geben und sagen, bleib etwas ruhiger, mach mehr Pausen, das hast du jetzt gut gesagt, das hast du weniger gut gesagt.“
Ein solches Training sei übrigens auch für Bewerbungsgespräche anwendbar, sagt sie. „Wenn man die im Vorfeld trainiert, bekommt man Feedback vom Coach, der sagt, da kamst du jetzt nicht so überzeugend rüber, mach das nochmal. Ich denke, es gibt in diesem Bereich noch sehr viele Spielmöglichkeiten beziehungsweise Varianten, bei denen man eine Grundsatzsoftware auf das ganz konkrete Problem zuschneiden kann. Das ist von unserer Seite her mit ein bisschen Anpassung machbar.“ Vielleicht sollte der eine oder andere Politiker den Versuch mal wagen…
Foto: Pixabay
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