Sonnenenergie gilt als eine hervorragende Lösung für eine nachhaltige Zukunft. Doch was tun, wenn die freien Dachflächen, auf denen Panels installiert werden, zur Neige gehen? Ganz einfach: Auf die Straße gehen. Das zumindest ist die Lösung des deutschen Start-ups Solmove GmbH. Es ist eines von fünf Unternehmen weltweit, die das vorhandene Straßennetz mit einem Solarteppich ausstatten möchten. Doch die deutsche Technik setzt noch einen oben drauf: Ihre Panel-Version zielt zusätzlich auf eine digitale Vernetzung ab.
Dipl.-Ing. (FH) Donald Müller-Judex, Gründer des Unternehmens im Telefoninterview mit Innovation Origins
Wie kamen Sie auf die Idee zur Gründung von Solmove?
Es war eher ein Zufall: Denn eigentlich fuhr ich mit dem Auto vor ein paar Jahren, genauer 2009, durch das Allgäu, um Dächer für eine Solaranlage zu finden. Ich kam durch kleine Orte und Städte, doch die Suche blieb erfolglos. Etwa drei Tage war ich auf einsamen, von der Sonne beschienenen Gemeindestraßen sowie in Gewerbegebieten unterwegs, als ich mich erstmals fragte, ob man für Photovoltaik-Module nicht eventuell auch die Straßen nutzen könnte.
Ich stellte Nachforschungen an. Haben Sie zum Beispiel gewusst, dass es in Deutschland rund 50 mal mehr Straßenflächen in Wohn- und Gewerbegebieten gibt, als auf Autobahnen [aktuelle Zahlen laut Wikipedia aus Deutschland derzeit: Überörtliches Straßennetz 231.000 km (darunter ca. 120.000 km Autobahn), Gemeindestraßen 413.000 km]?
Was macht die Solmove-Module im Vergleich zu anderen Produkten besonders?
Derzeit gibt es weltweit fünf Solarstraßenanbieter. Doch im Gegensatz zu den Mitbewerbern planen wir mit der Multifunktionalität unserer Photovoltaik-Module (PV): Neben der Strom- und Wärmeerzeugung, sollen diese auch die Möglichkeit des Datentransfers bieten, so dass sie für weitere Anwendungen genutzt werden können. Wir denken sozusagen an den Bau von intelligenten Straßen 4.0. Diese sollen die Daten zunächst erzeugen, aber auch verarbeiten. So könnten ‒ entsprechend des Verkehrs ‒ damit Ampeln effizienter geschaltet oder ‒ beispielsweise sobald Kinder auf der Straße sind ‒ Fußgängerüberwege eingeblendet werden.
Ein weiteres Plus: Unsere Oberfläche ist recht flexibel. Viele etwa bierdeckelgroße Glas-Glas Module sind beweglich miteinander verbunden. Das heißt: Sie können sich an die vorhandenen Gegebenheiten anpassen. Die Straßen müssen also nicht extra aufgefräst werden. Auch Umwelteinflüssen wie Frost, Schmutz und Salz halten sie stand. Und natürlich sind die Module mit einem rutschfesten Belag, der insbesondere bei Nässe zum Tragen kommt, ausgestattet. Praktischerweise erspart man sich mit unserem Solarteppich übrigens sogar den Winterdienst, also: Zeit, Geld und Salz, da sich die Module erwärmen können.
Was war die größte Hürde, die Sie anfangs überwinden mussten?
Am Schlimmsten war für mich der Kampf mit den Skeptikern. Man bedenke: Wir stehen noch am Anfang unserer Erfindung. Da ist es sozusagen normal, mit „Trial and Error“ auf den richtigen Weg zu finden und das technische Konzept anzupassen. Doch es gibt Menschen, die verstehen dieses Prinzip nicht. Das haben wir insbesondere bei unserer ersten Versuchsstrecke in Köln Erftstadt, die wir im November 2018 eröffneten, gemerkt: Anwohner hatten unsere Arbeiten mitverfolgt. Und als es mal nicht weiterging, kam von dem ein oder anderen dann auch gleich harte Kritik. Aber der feste Glaube an die eigene Vision ist eine starke Kraft, auch die schwersten Hürden zu überwinden. Innovationen brauchen Mut und Fantasie. Die hat nicht jeder.
Früher hätte auch niemand gedacht, dass wir unsere Telefone eines Tages mal zum Navigieren oder als Fotoapparat benutzen werden.
Gab es einen Moment, an dem Sie aufgeben wollten?
Nachts sind die Zweifel manchmal am Größten. Doch am nächsten Morgen geht es dann wieder mit frischem Elan weiter.
Und umgekehrt: Was war für Sie in Bezug auf die Gründung der beste Moment, was hat Sie besonders stolz gemacht?
Das war der Moment, als zur Einweihung des Radweges in Erftstadt sogar die Bundesumweltministerin kam. Natürlich war sie nicht überraschend da. Sie hatte sich vorher angemeldet. Aber nichtsdestotrotz: Ihre Anwesenheit war für mich persönlich ein tolles Zeichen der hohen Anerkennung meiner Arbeit.
Worauf dürfen wir uns in den nächsten Jahren freuen, sprich: Was können wir in den kommenden Jahren von Ihnen erwarten?
Derzeit arbeiten wir an einem Projekt in Los Angeles. Eine Stadt, die viele Straßen und viel Sonne hat, aber gleichzeitig auch viel Energie benötigt. Auf einer Testanlage soll die Sonnenenergie in Strom umgewandelt werden. Gewünschter Nebeneffekt: Die Solarfläche heizt sich nicht so stark auf wie eine normale Straße. Das kann perspektivisch dazu beitragen, die Temperatur in der Großstadt zu senken.
Wie ist Ihre Vision: Wo sehen Sie Solmove in 5 Jahren und was ist Ihr ultimatives Ziel?
Nachdem unsere Module mittlerweile dafür geeignet sind, Strom und Wärme zu generieren, geht es im nächsten Schritt darum, den Datentransfer möglich zu machen und entsprechend einzusetzen. Vor allem die Kombination von verschiedenen Funktionen ist dabei sicher eine anspruchsvolle Aufgabe.
Und irgendwann kann ‒ sofern es dann auch das EMVG, das ist das Gesetz zur elektromagnetischen Verträglichkeit, zulässt ‒, der erzeugte Strom gleich per Induktion auf die Autos übertragen werden.
Ich denke zudem, dass die Energie- und Mobilitätsthemen neue Modelle entstehen lassen. Zum Beispiel, dass sich Nachbarn den Strom teilen, wobei ihr Verbindungselement die Straße ist. Somit werden Solarstraßen schließlich eine Infrastruktur aus Strom- und Datennetz bieten.
Für Solmove geht es darum, die Idee, also unsere Technologie in die Welt zu bringen und wirtschaftlich stabil zu werden.
Und ich persönlich träume davon, eines Tages komplett mit der Kraft der Sonne und quasi geräuschlos schwebend durch die Gegend zu cruisen. Denn unsere Solarmodule absorbieren jetzt schon Schall und zukünftig sollen sie ja die eh schon leisen Elektroautos antreiben. Der Name Solmove bedeutet entsprechend: Von der Sonne bewegt.”
Hintergrund:
- Gründer: Dipl.-Ing. (FH) Donald Müller-Judex, Maschinenbau
- Gründungsjahr: 2014
- Finanzierung: private equity, 2016: Gründungsförderung Brandenburg,
- Anzahl Mitarbeiter: 4 Personen
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