250.000 Europäer leiden unter Morbus Crohn. Mehr als 700.000 Patienten sind es in den Vereinigten Staaten. Es gibt außerdem Tausende in Japan, Australien und Kanada. Insgesamt leben weltweit mehrere Millionen Menschen mit der Diagnose “chronische Darmentzündung”. Und mit seinen unangenehmen Symptomen, von denen häufiger Durchfall eine der am wenigsten problematischen ist. Je reicher ein Land ist und je nördlicher es liegt, desto wahrscheinlicher ist es, dass seine Bewohner an dieser Krankheit leiden.
Sovigo ist ein Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, dieses medizinische Problem mit einer präzisen Methode zu lindern. Es wurde von zwei Biotechnologen gegründet: Paweł Mituła und Grzegorz Kiełbowicz. Davor arbeitete Paweł in Projekten im Bereich der Nanotechnologie für Chemieunternehmen. Grzegorz arbeitete für die Pharmaindustrie. Nun haben sie sich zusammengeschlossen um die Nanotechnologie in der Pharmazie anzuwenden. Als ersten Schwerpunkt wählten sie Krankheiten des Verdauungssystems und begannen mit den unspezifischen Erkrankungen des Darms.
Sie wollen Menschen helfen, die an Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn leiden, allerdings kein neues Medikament erfinden. Was genau machen Sie?
Paweł Mituła, COO: Wir arbeiten an einer neuen Technologie zur Verabreichung von Medikamenten mittels Nanotechnologie. Wir stellen Nanokapseln her, die etwa 100 Nanometer groß sind. Diese können mit Medikamenten gefüllt werden, die bereits auf dem Markt sind. Diese Nanokapseln werden Teil der Tablette, die der Patient schluckt…. und die Tablette gelangt dann in den Magen, wo sie verdaut wird. Inwiefern unterscheidet sich eine Nanopartikel-Tablette von einer herkömmlichen Tablette? Im Magen werden die Tabletten mit einer speziellen Beschichtung geschützt. Nanopartikel werden in den späteren Phasen des Verdauungsprozesses aus der Tablette freigesetzt. Anschließend lösen sie sich auf und geben das Medikament nur an den Stellen frei, die von der Krankheit befallen sind. Um diese Art von Nanopartikeln zu entwickeln, müssen wir natürlich mit der Krankheit sehr vertraut sein und ihre spezifischen Eigenschaften verstehen.
Wie kommt es zu diesem Ansatz? Warum sollte man sich nicht an die traditionelle Art der Medikamenteneinnahme halten?
Medikamente haben sehr oft viele Nebenwirkungen. Wenn ein Patient eine normale Tablette schluckt, gelangt nur ein Teil des Medikaments an den richtigen Ort. Der Rest verteilt sich über den ganzen Körper und beeinträchtigt häufig gesunde Organe. In solchen Fällen ist es oft notwendig, die Dosis des Medikaments zu erhöhen, z.B. durch häufige Wiederholung der Medikamentengabe. Am Ende bedeutet das, dass die Gesamtdosis des Medikaments sehr hoch sein kann. Da wir die in unseren Kapseln eingeschlossenen Medikamente gezielt an den Ort der Erkrankung bringen, können wir den Patienten vor mehreren negativen Folgen schützen. Wir können die Medikamentenpenetration von gesundem Gewebe vermeiden und die Dosis der Medikamente und ihre Nebenwirkungen reduzieren. Außerdem kommt es so seltener zu Arzneimittelresistenzen, was die therapeutische Wirksamkeit insgesamt verbessert. Die Struktur unserer Nanokapseln besteht hauptsächlich aus biokompatiblen Molekülen, die das Eindringen in Zellmembranen erleichtern. Die Wirksamkeit des Medikaments wird durch diese Art der Verabreichung erhöht. Noch dazu muss das Medikament weniger oft eingenommen werden. Die Kapsel wird wie ein “Klebeband” auf das Medikament geklebt. Dies hilft der Kapsel, sich sehr langsam durch den betroffenen Bereich zu bewegen und das Medikament dabei allmählich freizusetzen. Dank unserer Technologie sind bereits Medikamente auf dem Markt, die effektiver verabreicht werden können und unnötige Nebenwirkungen vermeiden.
Was ist das größte Hindernis für Sie?
Die Verfügbarkeit von Forschungsgerät. Wir arbeiten auf einem extrem schmalen Gebiet und benötigen sehr spezifische Geräte. Wie zum Beispiel Nanostruktur-Analysegeräte – Mikroskope, mit denen Sie sehen können, wie unsere Nanokapseln aufgebaut sind. Wroclaw, wo wir unseren Hauptsitz haben, ist mit dieser Art von Geräten sehr gut ausgestattet. Doch das befindet sich nicht nur an einem Ort, es ist über verschiedene Institutionen verstreut. Deshalb brauchen wir lange Zeit für die Forschung, da wir gezwungen sind, überall hinzufahren.
Sind Sie ein sehr junges Unternehmen oder können Sie bereits über ein paar Erfolge sprechen?
Wir haben einige ausgezeichnete Forschungsergebnisse. Es ist uns gelungen, einige Prototyp-Ideen erfolgreich auszubauen. Das ist eine große Herausforderung, wenn es um Nanomaterialien geht. Ich denke, wenn wir an einer Universität forschen und veröffentlichen würden, hätten wir es bereits in einige sehr gute wissenschaftliche Zeitschriften geschafft. Die Idee hat bei Ärzten und Patienten großes Interesse geweckt. Die Tatsache, dass das Thema nicht einfach ist und wir es dennoch geschafft haben, bestehende Probleme Schritt für Schritt zu lösen – das motiviert uns wirklich. Ich denke, dass der Wendepunkt und ein entscheidender Erfolg die Validierung unserer kritischen Analysemethoden und -prozesse für die Pharmaindustrie sein wird. Zusammen mit den erfolgreichen ersten Ergebnissen aus unserer biologischen Forschung.
Was sind ihre Pläne für das kommende Jahr?
Bis Ende dieses Jahres wollen wir die Proof-of-Concept-Phase abschließen. Ich spreche von der biologischen Forschung, die die Wirksamkeit unserer Technologie mit Hilfe biologischer Systeme nachweisen soll. Wir möchten auch eine Patentanmeldung einreichen. Erst danach werden wir einen strategischen Investor suchen.
Wo stellen Sie sich das Unternehmen in 5 Jahren vor?
Wir wollen, dass Sovigo zu einem Synonym für moderne und bahnbrechende orale Arzneimittel-Verabreichungssysteme wird. Wir hoffen, dass wir innerhalb von 5 Jahren 4-6 Projekte parallel entwickeln. Im Anschluss daran erfolgt mindestens eine kommerzielle Markteinführung und hoffentlich werden sich mehrere weitere Projekte in der Phase der klinischen Prüfung befinden. Wir wollen unsere Technologien auch im Bereich von Produktionslinien für die Nano-Arzeneimittelsicherheit weiterentwickeln.