Myopia @Pixabay
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Die Zahlen sind alarmierend: Etwa jeder dritte Mensch weltweit ist mittlerweile kurzsichtig. Besonders erschreckend ist, dass die Kurzsichtigkeit, auch Myopie genannt, in den letzten zwei Jahrzehnten rasant angestiegen ist. Viele Menschen haben also eine gute Nah- aber eine schlechte Fernsicht. Eine Entwicklung, die vor allem in der Kindheit und als Jugendlicher seinen Lauf nimmt. Wird hier nicht agiert, besteht die Gefahr, als Erwachsener an Sehstörungen oder gar Blindheit zu leiden. Das Berliner Start-up Dopavision entwickelt derzeit an einem Verfahren, das per digitaler, klinisch validierter Therapie, die Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen eindämmen soll.

Dopavision-Team (left to right): Yeshwanth Seshadri, Product Engineer; Stefan Zundel, Co-Founder; Tim Schilling, Vision Scientist; Dr. Hamed Bahmani, Founder

Innovation Origins sprach mit Hamed Bahmani, Founder und Geschäftsführer, sowie Stefan Zundel, Co-Founder und Geschäftsführer, über ihre spannende Entwicklung.

Wie kamen Sie auf die Idee zur Gründung von Dopavision?

Hamed: Ich war Leiter der neurowissenschaftlichen Forschung beim Flying Health Incubator in Berlin, Stefan war dort in der Entwicklung von Ventures. Wir wussten, dass Kurzsichtigkeit ein weltweit großes Problem ist und, dass sie sogar noch zunehmen wird. Gleichzeitig hatten wir diese außergewöhnliche Idee, das Problem über eine Lichtstimulation zu lösen: Deshalb haben wir Dopavision gegründet!

Wo sind die speziellen Einsatzbereiche Ihres Angebots?

Stefan: Wir entwickeln derzeit diese Therapie. Ziel ist, den Fortschritt von Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen zu stoppen. Dazu muss man wissen, dass die Kurzsichtigkeit bei oben genannten  Altersgruppen progressiv ist, das heißt, sie verschlechtert sich mit der Zeit, indem das Auge sukzessive zu lang wächst. Dadurch wird das Bild vor der Netzhaut scharf abgebildet. Man sieht aber in der Ferne unscharf. Schwere Kurzsichtigkeit, zum Beispiel ab 6 Dioptrien, erhöht das Risiko für spätere Folgeerkrankungen im Auge stark. Genau das wollen wir mit unserer Therapie verhindern.

Gibt es so etwas ähnliches schon bzw. was ist an Dopavision das Besondere?

Stefan: Das Neuartige an Dopavision ist die Idee, Kurzsichtigkeit über eine Digitalanwendung zu behandeln. Dies geschieht also nicht über eine Änderung des Verhaltens oder ein Training.  Unsere Therapie erzeugt durch eine Lichtstimulation einen direkten Effekt: Im Auge wird der Neurotransmitter Dopamin aktiviert, der eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Wachstums des Augapfels spielt. Der Lichtstimulus kann von verschiedenen digitalen Geräten wie z.B. einem Smartphone erzeugt werden – der Nutzer hätte die nötige Hardware dafür also bereits in der Tasche. Denkbar wäre aber auch die Nutzung einer VR-Brille. Daher bewegen wir uns in einer völlig neuen Art von Therapien, die man „digital drugs“ [digitales Arzneimittel] nennt. Von denen gibt es weltweit bislang übrigens nur sehr wenige.

Was war die größte Hürde, die Sie anfangs überwinden mussten?

Hamed: Wir mussten das richtige Team finden und eine anfängliche Finanzierung suchen, um die Proof-of-Concept-Experimente abzuschließen. Es gelang uns schon früh, mit der Unterstützung von Flying Health, die Förderung des BMBF „Industrie-in-Klinik-Plattform“ zu erhalten und damit die Experimente durchführen zu können.

Gab es einen Moment, an dem Sie aufgeben wollten?

Hamed: Es gibt einen solchen Moment im Leben jedes Unternehmers. Die Hauptsache ist, sich das auch bewusst zu machen, diesen Moment so schnell wie möglich zu überwinden und nach vorne zu blicken.

Und umgekehrt: Was war für Sie in Bezug auf die Gründung von Dopavision der beste Moment, was hat Sie besonders stolz gemacht?

Hamed: Für mich sind es die besten Momente, wenn ich an Schwierigkeiten in der Vergangenheit denke und mich erinnere, wie einfach wir sie schlussendlich lösen konnten. Dies ist die größte Motivation, um voranzukommen.

Worauf dürfen wir uns in den nächsten Jahren freuen, sprich: Was können wir in den kommenden Jahren von Ihnen erwarten?

Stefan: Wir werden dieses Jahr Tierversuche durchführen, um unsere Therapie weiterzuentwickeln. Damit sind wir eines der ersten Startups weltweit – wenn nicht das erste überhaupt – dass eine digitale Therapie im Tiermodell testet. Im Anschluss sind klinische Studien für die Zulassung als Medizinprodukt geplant.

Was treibt Sie jeden Morgen an?

Hamed: Jeden Tag eine neue Herausforderung zu suchen und sie zu lösen!

Wie ist Ihre Vision: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in 5 Jahren und was ist Ihr ultimatives Ziel?

Hamed: Ich stelle mir vor, dass Dopavision eine medizinisch validierte Lösung für Kurzsichtigkeit anbietet, die von Millionen ‒ wenn nicht Milliarden ‒ von Menschen verwendet wird.

Stefan:

„Und wer weiß, vielleicht kann man eines Tages die Kurzsichtigkeit mit dem Smartphone nicht nur verlangsamen, sondern auch ganz verhindern – das wäre eine Revolution: Immerhin gilt es aufgrund des ständigen Nahsehens als einer der Verursacher der Myopie.“

Hintergrund

Gründer: Dr. Hamed Bahmani, Neurowissenschaftler & Stefan Zundel, ehemaliger Berater und Unternehmer

Gründungsjahr: 2017

Finanzierung: Unterstützung durch das BMBF mittels des Industrie-in-Klinik Plattform seit Juni 2018 & Seed Finanzierungsrunde im Mai 2019

Anzahl Mitarbeiter: 4 Mitarbeiter, zudem gibt es noch 2 Stellen zu besetzen: CTO und CMO/Chief Medical Officer

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