Wer in seinem Leben schon mal eine Reha- oder Präventionsmaßnahme gemacht hat, kennt das Problem: Nach dem täglichen Programm vor Ort fühlt man sich wieder gestärkt für den Alltag. Doch kaum zu Hause, fällt die Leistungskurve steil ab. Denn entweder hat man im Alltag keine Zeit oder auch nicht das Angebot, an einem geeigneten Nachsorgeprogramm teilzunehmen. So gehen nicht nur die erreichten Therapieerfolge verloren, sondern auch das erlernte Wissen über Gesundheit, Ernährung und Entspannungstechniken. Wir sprachen mit Maximilian Michels, der gemeinsam mit Benjamin Pochhammer und Maximilian von Waldenfels Caspar Health gründete. Die erste digitale Reha- und Präventionsklinik, die zum Ziel hat, die oben beschriebene Nachsorgelücke zu schließen.
Wie kamen Sie auf die Idee, Caspar Health zu gründen?
Nun, ich habe 8 Jahre lang Rehakliniken geleitet und dabei beobachtet, wie die Patienten mit orthopädischen, neurologischen und vielen weiteren Indikationen zu uns kamen. Vor Ort machten sie täglich fünf bis sechs Stunden Therapie mit einem multiprofessionellen Team. Sobald sie aber wieder in den Alltag zurückkamen, wurde die Nachsorge aus verschiedensten Gründen – entweder hatten die Patienten schlichtweg keine Zeit oder ihr Heimatsort kein entsprechendes Angebot – nicht durchgeführt. Eine Analyse der Deutschen Rentenversicherung stellte fest: Dies trifft auf insgesamt 86 Prozent der Patienten zu. Ziemlich frustrierend, wenn man bedenkt, wieviel Arbeit sich die Ärzte und Therapeuten vor Ort machen. Um eben diese Nachsorgelücke zu schließen entstand – in einer gemütlichen Runde bei einem GinTonic –, die Idee, Caspar Health als digitale Rehaklinik zu gründen.
Wie setzt sich Ihr Angebot genau zusammen?
Wichtig ist zu wissen: Das eine geht nicht ohne das andere. Das heißt: Zunächst werden die Patienten schon in der Rehamaßnahme auf die Nachsorge vorbereitet. Sie arbeiten also schon vor Ort gemeinsam mit ihren Therapeuten und der Caspar Health App. So kann dieser die Nachsorge-Therapie individuell an den Bedarf des Patienten anpassen und die Einstellungen konfigurieren. In der App werden verschiedene Parameter gespeichert, sie bietet einen multimodalen Trainingsplan welcher sich an den Rehatherapiestandards orientiert. Und sollte der Patient daheim Fragen haben, kann er sie per Chat direkt an den ihn betreuenden Therapeuten stellen.
Zuhause trainieren – steigen Ihnen jetzt nicht die Physiotherapeuten aufs Dach?
Nein, ganz im Gegenteil bzw.: Tatsächlich hatten wir am Anfang sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn Digitalisierung war im Jahr 2016 noch nicht so üblich. Die Therapeuten hatten zunächst die Befürchtung, dass erstens per App die Qualität der Therapie leidet und zweitens sich auch ihr Berufsfeld ändert bzw. ihr Beruf eventuell damit wegrationalisiert werden sollte. Doch wir konnten sie davon überzeugen, dass genau das Gegenteil geschieht und ihre Arbeit vor Ort durch die digitale Nachsorge – im Gegensatz zur aktuellen Situation – nachhaltig verstetigt wird. Zumal die Akzeptanz bei den Patienten schon immer da war.
Was macht Sie in Bezug auf die Gründung besonders stolz?
Dass wir da sind, wo wir heute stehen: Die Patienten und Kliniken nutzen unser Angebot. Beispielsweise beenden 92 Prozent der Patienten, welche ein digitales Nachsorgeangebot mit Caspar gestartet haben, das Programm erfolgreich. Wir schaffen es also tatsächlich mit unserer Idee, das Nachsorgeloch zu schließen. Auch macht mich unser tolles Team stolz, mit dem wir gemeinsam unser Produkt und die damit verbundenen Konzepte entwickeln. Und natürlich der Schneeballeffekt, denn wöchentlich gewinnen wir neue Kliniken hinzu. Mittlerweile arbeiten wir mit über 100 Rehakliniken zusammen und in 2020 kommen ca. weitere 100 hinzu.
Wie stehen Krankenkassen und -versicherungen zu Caspar Health?
Da sich unser digitales Angebot 1:1 an die Qualitätsstandards der Leistungsträger – inklusive der vier Säulen Bewegung, Wissen, Entspannung und Ernährung – hält, erhalten wir von ihnen volle Unterstützung. Das heißt: Die digitale Nachsorge wird von ihnen in großen Teilen als Leistung übernommen. In Anbetracht der 86 Prozent, die Face-to-Face-Nachsorge nicht in Anspruch nehmen, und der jetzigen Erfolge, ist die digitale Nachsorge ein neues Geschäfts- und Versorgungsmodell für medizinische Einrichtungen.
Welche Ausbaumöglichkeiten sehen Sie in Bezug auf Ihr Angebot – wo möchten Sie in fünf bzw. zehn Jahren stehen?
Zum einen arbeiten wir derzeit daran, das Produkt an sich weiter auszubauen. Wir fügen sukzessive neue Features zu der App hinzu. Desweiteren arbeiten wir an neuen Konzepten im Bereich Akutversorgung, Prävention, BGM (Betriebliches Gesundheitsmanagement) und Kinder-Rehabilitation.
Und: Neben dem österreichischen und Schweizer Markt ist natürlich auch der Bedarf an unserem Angebot in anderen Ländern interessant. In Deutschland haben wir ein ausgeprägt soziales Gesundheitssystem. Unser Angebot könnte in anderen Ländern, in denen es dies beispielsweise nicht gibt, eventuell auch für Ausbildungszwecke genutzt werden.
Eine Gründung ist nicht immer leicht – Welchen Tipp haben Sie für Gründer?
Auch wenn eine Idee gut ist und einen Mehrwert bringt, stellt euch die Frage nach der Zielgruppe: Wer hat etwas von dem Produkt? Wer zahlt das Ganze? Warum machst du das? Und wie bringst du deine vielleicht gute Idee an den Mann? Nur so kann man unrentable Moonshots vermeiden.