The lubrication system for high-performance gears in the test rig of the Gear Research Center at the Department of Mechanical Engineering of the Technical University of Munich, Germany. (c) Reintrieb
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Herkömmliche Schmiersysteme für hochleistungsfähige Getriebe basieren auf Öl. Das ist insofern problematisch, weil kein Getriebe hundertprozentig dicht ist. Die Folge ist der sogenannte ‚Ölschwund’, der zur schleichenden Vergiftung von Gewässern und Böden führt. Darüberhinaus verursacht die Entsorgung von Altöl CO2-Emissionen, weil diese weltweit meist durch Verbrennen erfolgt. „Aber man akzeptiert das, weil es der Stand der Technik ist,“ erklärt Dominik Cofalka, Geschäftsführer des Start-up Reintrieb in Wien.

Umweltfreundliches Schmiersystem

Er und sein Team haben ein Schmiersystem für hochleistungsfähige Getriebe entwickelt, das zur Dekarbonisierung beiträgt. Es tastet die wertvollen Erdölressourcen nicht mehr an und spart CO2-Emissionen – sowohl in Be- als auch in Entsorgung. Die Technik basiert auf natürlich vorkommendem Wasser und ist 100-prozentig nachhaltig im Sinne der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Der Einsatz des Schmiersystems macht überall dort Sinn, wo der Austritt von schädlichem Schmieröl unerwünscht ist, onshore wie offshore. Von der Schifffahrt über Kraftwerks- und Sperrwerks-Anlagen bis hin zu Versorgungsrohren. In der Industrie finden sich Anwendungsgebiete in der Produktion von Lebensmitteln, Gummi und Pharmazeutika.

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Umgekehrt ist auch der Eintritt von Wasser in Schmiersysteme von Getrieben problematisch. Schon bei einem Anteil von 0,1 Prozent Wasser leidet die Schmierölqualität. Wasser im Getriebeöl ist der Hauptgrund für Betriebsausfälle bei Schiffen, Kraftwerken und allgemein bei Pumpen.

Proof-of-concept

Im Labormaßstab funktioniert das auf Wasser basierende Schmiersystem für Getriebe von Reintrieb. Das verblüffte selbst den Maschinenbau-Ingenieur Karsten Stahl von der Fakultät für Maschinenwesen an der TU München, der den proof-of-concept durchführte. Schließlich sagt einem der Hausverstand, dass Metall durch Wasser rostet und dadurch schnell verschleißt. Trotzdem – beim Schmiersystem von Reintrieb seien Probleme wie Verschleiß, Zahnbruch, Fressen und Oberflächenermüdung beherrschbar. Auch wenn es noch offene Fragen und somit weiteren Forschungsbedarf gebe, so Stahl. 

Es gibt auch noch andere Forschungsteams, die an ölfreien Schmiersystemen für Getriebe forschen. In Deutschland konzentriert man sich auf fluidfreie Schmiersysteme, die hoher Belastung standhalten. Cofalka nennt es ‚dickes Wasser’, das allerdings keine Additive enthalten dürfe:

„Bei Öl erkennt man, dass es ausgetreten ist. Es bildet Schlieren, zu Wasser und zu Land. Additive verschwinden in der Umwelt. Wie sie wieder zu entfernen sind, weiß keiner.“ 

Dominik Cofalka, Geschäftsführer Reintrieb
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Das Schmiersystem für hochleistungsfähige Getriebe im Teststand des FZG ( Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebe) am Lehrstuhl für Maschinenwesen der TU München. (c) Reintrieb

Bei Reintrieb konzentrierte sich die Forschung weniger auf das Schmiermittel als auf das Material für die Zahnräder. Herausforderung sei es gewesen, die drei Faktoren Härte, Elastizität und Korrosion in eine Balance zu bringen. Mit Hartmetallen, die härter sind als Stahl und dem Schmiermittel Wasser ist das gelungen. Das neuartige Schmiersystem hat die gleiche Lebensdauer wie herkömmliche. Das Preisgefüge sei potenziell sogar wirtschaftlicher.

Schmieren und Kühlen

Wobei Schmieren gleichzeitig Kühlen bedeutet. „Auf einer Fläche vergleichbar dem eines Fingernagels, muss die Oberfläche einer Zahnradflanke im herkömmlichen Getriebeeinsatz das 36-fache Gewicht eines VW Golf aushalten. Die Reibungswärme, die dabei entsteht, erreicht die zehnfache Heizleistung eines Bügeleisens. Bei der Ölschmierung legt sich das Öl wie ein Schutzfilm zwischen die Flächen der Zahnräder, die aufeinander treffen. Dadurch wird starke Erhitzung vermieden. Wenn es zu heiß wird, fängt das Öl allerdings an zu verdampfen. Wasser hat also beim Schmieren einen Nachteil gegenüber Öl und beim Kühlen einen Vorteil.“

„Wasser hat also beim Schmieren einen Nachteil gegenüber Öl und beim Kühlen einen Vorteil.“

Dominik Cofalka, Geschäftsführer Reintrieb

Aquaplaning-Effekt

Bei der Schmiere macht sich Reintrieb eine Art Aquaplaning-Effekt zunutze. Dieser setzt bei zunehmender Geschwindigkeit des Zahnrads ein. Denn dann entsteht ein Wasserfilm auf den Zahnradflächen, der einen Haftungsverlust bewirkt. Das heißt, die Zahnräder laufen geschmeidig bei gleichzeitiger Kühlung. 

Im proof-of-concept wurden drei Wassersorten getestet: Süßwasser, Salzwasser und destilliertes Wasser, wie es bei Kühlersystemen verwendet wird. Alle Sorten brachten gute Ergebnisse. Aber es zeigte sich, dass die Wasserqualität einen entscheidenden Einfluss auf die Funktion und die Lebensdauer der Getriebe hatte. Salzwasser wäre vor allem in der Schifffahrt von Vorteil, weil es nicht mitgenommen werden müsste. Man könnte es direkt aus dem Meer entnehmen. Cofalka schließt es aber zunächst aus, weil es einige Materialien angreift. Auch weil er annimmt, dass es kein Schmiersystem mit offenen Kreisläufen werden wird.

Neuartiger Schiffsantrieb

In der Schifffahrt kann das Schmiersystem für Getriebe gleich zwei Probleme lösen: Eintritt von Wasser ins Getriebeöl und umgekehrt: Austritt von Getriebeöl in Gewässer. Ein modernes Kreuzfahrtschiff oder ein Frachter verlieren zwischen sechs und zehn Liter Öl am Tag. Zehn Prozent der weltweiten Öl-Kontamination stammen vom Getriebeöl, zitiert Cofalka aus einer Studie der US-Umweltbehörde.

Bis das erste wassergeschmierte Getriebe in der Schifffahrt eingesetzt werden kann, wird noch etwa ein Jahr vergehen. Aktuell arbeitet Reintrieb daran, den Prototyp in die Umsetzung zu bringen. Kooperationspartner ist der erfahrene Getriebebauer Heinz Ehgartner aus Leoben.

Hier kommt eine weitere Innovation des Start-up ins Spiel, die schon das Interesse der Schifffahrt geweckt hat: Die Partner bauen ein 20 Kilowatt Unterwassergetriebe (Lower Gear Box) eines Ruderpropellers. Eine erste Anwendung des sogenannten Side-By-Side-Antriebs soll in Kooperation mit Hydromaster in Rotterdam erfolgen.

Weniger Tiefgang

Ruderpropeller machen Schiffe gut navigierbar. Herkömmliche Modelle bestehen aus einem großen Propeller. Das neuartige Modell von Reintrieb besteht aus zwei kleinen Propellern nebeneinander in einer Düse. Eine Lösung, die einen um ein Viertel geringeren Tiefgang bewirkt. Damit können Schiffe auch bei Niedrigwasser fahren, wie dies in Dürreperioden der Fall ist. Potenzieller Einsatzbereich ist vor allem das Transportwesen in der Binnenschifffahrt; ein Bereich, den die EU fördern will, um die transportbedingten Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Der Klimawandel verstärkt das Problem der Niedrigwasser-Phasen.

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Der Mechanismus der Ruderpropeller ist mit einem Haushaltsmixer vergleichbar, dessen zwei Quirle sich zueinander drehen. „Die Propeller drehen mit hoher Geschwindigkeit und erzeugen den Vorwärtstrieb, haben aber durch Verwirbelung einen hohen Kraftverlust. Die hohe Kunst ist es, möglichst wenig Verwirbelung zu erzeugen. Durch Feinabstimmung haben wir es geschafft, den Wirbelstrom zu optimieren. Dabei konnten wir den Wirkungsgrad verbessern. Zusätzlich wollen wir mit Big-Data-Strömungsberechnungen auch den Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen verringern,“ erklärt Cofalka.

Über Reintrieb:

Reintrieb wurde 2016 in Wien gegründet und verfolgt die Forschung, Entwicklung und kommerzielle Verwertung von Cleantech-Technologien. Gründer sind die Brüder Dominik und Vincent Cofalka sowie der Ingenieur Siegfried Lais. Vincent Cofalka arbeitet für den US-Konzern Carnival Inc. unter anderem als Fleet Captain und als Kapitän des Flaggschiffs AIDAnova. Siegfried Lais arbeitete 50 Jahre im Marine-Antriebsbau und verwandten Bereichen. Dominik Cofalka ist auch Gründer und Geschäftsführer einer Unternehmensberatung mit Fokus auf Kapitalmarktthemen.