Der antarktische Kontinent nimmt mit einer Fläche von 13,5 Millionen Quadratkilometern rund zehn Prozent der weltweiten Landfläche ein und somit weit größer als Europa. Bei Temperaturen zwischen minus 15 bis minus 40 Grad im Sommer und Rekordtemperaturen bis zu minus 89,2 Grad Celsius im Winter (gemessen 1983 in der russischen Wostok-Station) ist die Antarktis zu 98 Prozent mit Eis bedeckt und beheimatet somit die größte Eiswüste der Erde.
Daher findet man auf dem sechsten Kontinent auch nur wenig Leben. Es leben hauptsächlich Pinguine und Robben in der Antarktis, neben Walen, Käfern, Albatrossen und Seeleoparden. Menschen findet man kaum. Je nach Jahreszeit leben im Sommer etwa 4.000 und im Winter rund 1.000 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus zahlreichen Ländern in den einzelnen Forschungsstationen.
Sie sammeln Neutrinos, analysieren Gletscher und Eisbohrkerne oder untersuchen, wie Organismen in den lebensfeindlichen Bedingungen überleben. Da diese Forschungsstationen ganzjährig betrieben werden, ist ein gut funktionierendes Heizungs- und Energiesystem lebenswichtig. Wie auch die deutsche Polarforschungsstation Neumayer-Station III, wird die Energieversorgung dieser Einrichtungen bisher in der Regel durch Blockheizkraftwerke mit Dieselgeneratoren, d.h. Erdöl, gewährleistet. In der Neumayer-Station III sorgt außerdem ein Windrad für regenerativen Strom.
Auch in der Antarktis scheint die Sonne
Als die Umweltphysikerin Dr. Kira Rehfeld von der Universität Heidelberg an einer Antarktis-Expedition teilnahm, merkte sie, wie aufwendig der Transport von Erdöl in diese Region der Erde ist. Da selbst kleinste Lecks für das empfindliche Ökosystem ein enormes Problem darstellen würden, gibt es für den Transport sehr strenge Auflagen.
Gleichzeitig scheint am Südpol während der Sommermonate aber fast rund um die Uhr die Sonne und das sehr intensiv. Diese Tatsache brachte Rehfeld auf die Idee, ob es nicht möglich wäre, diese Sonnenenergie in eine Energieform umzuwandeln, die sich gut speichern lässt: „Solaren Wasserstoff“, der Öl zum großen Teil ersetzen könnte.
Wasserstoff besitzt eine hohe Energiedichte, speichert die Energie des Lichts als chemische Energie und lässt sich selbst gut speichern. Bei Bedarf kann die gespeicherte chemische Energie dann wiederum in elektrische Energie – Strom oder Wärme – umgewandelt werden, wobei als Abfallprodukt nur Wasser entsteht und keine schädlichen Emissionen, die die Umwelt belasten. Ein weiterer zentraler Punkt sei, dass sich Wasserstoff-Gas sehr gut in Druckflaschen speichern ließe, sodass Wasserstoff auch für die Winterzeit zur Verfügung stünde, betonen die Forscher.
Gemeinsam mit ihrem Kollegen, dem HZB-Experten Dr. Matthias May, sprach Kira Rehfeld diese Idee nach ihrer Rückkehr nach Europa durch und beide Wissenschaftler wollen nun in einer Machbarkeitsstudie überprüfen, ob diese solare Brennstofferzeugung auch unter den Bedingungen der Antarktis realisierbar ist. Mays Spezialgebiet ist die Forschung an komplexen Materialsystemen, die mit Sonnenlicht Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. Unterstützung bekommen die Wissenschaftler von der Volkswagenstiftung, die das Projekt für 18 Monate mit 120.000 Euro fördert.
Preis spielt kaum eine Rolle
Eine Versorgung der Forschungsstationen in der Antarktis mit Sonnenernergie birgt jedoch einige Probleme in sich. Erst einmal müssen für die solare Wasserspaltung photovoltaische Schichten mit den elektrochemischen Reaktionen kombiniert werden. Chemische Reaktionen laufen unter so eisigen Bedingungen, wie sie am Südpol herrschen, aber nur sehr langsam ab, selbst wenn die Photovoltaik auch bei Temperaturen unter Null Grad recht gut funktioniert. Von großer Wichtigkeit ist bei dem Projekt „solarer Wasserstoff“ auch, dass die Module für die Erzeugung von Wasserstoff mit Sonnenlicht weitgehend wartungsfrei und autonom laufen müssen.
Auf den Preis müssen Rehfeld und May bei ihren ersten Lösungsansätzen nicht unbedingt achten. „Der Siegeszug der Photovoltaik hat auch mit Solarzellen begonnen, die zunächst sehr teuer waren und nur in Satelliten eingesetzt werden konnten“, argumentiert May und Rehfeld betont, dass auch die Versorgung der antarktischen Stationen mit Erdöl ist extrem aufwendig sei. „Zudem [ist sie] mit hohen Risiken für die Umwelt verbunden. Es ist auf jeden Fall lohnend, über Alternativen nachzudenken.”
Die Förderinitiative “Experiment!” der Volkswagenstiftung beträgt maximal 120.000 Euro und ist auf maximal 18 Monate begrenzt. Sie richtet sich an „Forscherinnen und Forscher, die eine radikal neue und riskante Forschungsidee austesten möchten. Sie erhalten die Möglichkeit, während einer explorativen Phase erste Anhaltspunkte für die Tragfähigkeit ihres Konzeptes zu gewinnen.“
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