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Laut einer Statistik des Herstellerverbandes ACEA fahren mehr als 250 Millionen PKWs auf europäischen Straßen, davon rund 84 Millionen alleine in Deutschland. Und während besonders in Deutschland immer mehr an der Benzinpreisschraube gedreht wird, um der Luftverschmutzung den Kampf anzusagen, haben Mobilitätsanalysen gezeigt, dass unsere Autos gar nicht der Hauptverursacher sind. Für den größten Teil aller gefahrenen Kilometer ist nämlich nur ein kleiner Anteil aller Fahrzeuge verantwortlich: Der Schwerverkehr und Viel- und Langstreckenfahrer, die ihre Güter quer durch ganz Europa transportieren. Das heißt, dass man da ansetzen müsste, diese Fahrzeuge nicht mehr mit fossilen Energien anzutreiben, will man die CO2-Emissionen verringern. Die Lösung könnten synthetische Treibstoffe aus überschüssiger erneuerbarer Elektrizität sein.

Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa untersuchen im Rahmen des Mobilitätsdemonstrators “move” mit der Elektromobilität, der Wasserstoffmobilität und synthetischen Treibstoffen drei technologische Möglichkeiten, den Straßenverkehr sauberer zu machen. “Alle diese Konzepte haben energetische, betriebliche und wirtschaftliche Vor- und Nachteile. Um sie richtig einzusetzen, braucht es ein vertieftes Verständnis des Gesamtsystems”, sagt Christian Bach, Leiter der Empa-Abteilung Fahrzeugantriebssysteme. “Gemeinsam mit den ‘move’-Partnern erarbeiten wir dazu umsetzbares Wissen.”

Synfuel und Syngas

Beim neuesten Projekt geht es um die sogenannte Methanisierung, die Herstellung von synthetischem Methan aus Wasserstoff und CO2 mit erneuerbarer Energie – Synfuel oder Syngas. Sie könnten über die herkömmlichen Wege transportiert und durch die vorhandene Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, betonen die Wissenschaftler. Das sei nicht nur für Schweiz, sondern auch für den Rest der Welt interessant, “weil sich damit ein enormes Potenzial für erneuerbare Energie erschließt”.

Hierfür wollen die Forscher der Empa die sogenannte sorptionsverstärkte Methanisierung einsetzen, eine Weiterentwicklung der mehr als 100 Jahre alten Sabatier-Reaktion. Durch dieses neuartige verfahrenstechnische Konzept wollen sie sowohl den Prozess der Methanisierung vereinfachen als auch “einen höheren Wirkungsgrad und eine bessere Eignung für den dynamischen Betrieb” erreichen.

Kein Zwischenschritt mehr nötig

Bei der Methanisierung wird aus Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) mittels katalytischer Umwandlung Methan (CH4) und Wasser (H2O) erzeugt. Normalerweise sind aber mehrere Methanisierungsstufen mit Kondensationsbereichen dazwischen nötig, um das Wasser abzuscheiden. Außerdem wird dabei durch die hohen Temperaturen ein Teil des entstandenen Wassers durch die Wassergas-Shift-Reaktion wieder in Wasserstoff zurückgewandelt. Das Ergebnis ist, dass in dem gasförmigen Produkt der Methanisierungsreaktion immer noch etwas Wasserstoff vorhanden ist und es somit nicht direkt ins Gasnetz eingespeist werden kann. Dazu muss zuerst der Wasserstoff wieder abgetrennt werden.

Bei der neuartigen sorptionsverstärkten Methanisierung im “move” wird das Reaktionswasser dagegen gleich während des Methanisierungsprozesses auf einem porösen Katalysatorträger adsorbiert, was eine nahezu 100-prozentige Methanausbeute zur Folge hat. “Das gasförmige Produkt kann also ohne zusätzliche Reinigung direkt ins Gasnetz eingespeist und zum Beispiel für das Betanken von Gasfahrzeugen genutzt werden”, erklärt Bach.

CO2 und Wasser aus der Umgebungsluft

Das für die Methanisierung nötige CO2 und auch das Wasser für die Herstellung des Wasserstoffs kommen direkt aus der Umgebungsluft, aus der sie mit einem CO2-Kollektor des ETH-Spin-offs Climeworks ansaugt werden. Dabei bleiben die CO2-Moleküle am Filtermaterial hängen und werden dann mit ca. 100 Grad C heißer Luft wieder abgelöst. Allerdings könne dieser Prozess noch optimiert werden, gesteht Bach. “Die Wasserstofferzeugung wie auch die Methanisierung generieren kontinuierlich Abwärme. Über ein geschicktes Wärmemanagement wollen wir den Wärmebedarf des CO2-Kollektors zu einem möglichst großen Teil mit dieser Abwärme decken.” Die Anlage entzieht der Luft aber nicht nur CO2 sondern auch Wasser. Dieses wird über eine Kondensatleitung für die Wasserstoffherstellung in der Elektrolyseanlage verwendet, was die Anlage auch für einen Einsatz in Gegenden ohne Wasser wie in Wüsten tauglich macht.

Ziel der Forschung sind aber nicht nur neue Erkenntnisse über die technischen und energetischen Aspekte, die Wissenschaftler wollen auch Fragen bezüglich der Wirtschaftlichkeit von synthetischem Methan klären. “Um diese gesamtheitliche Perspektive sicherzustellen, besteht das Projektkonsortium aus Partnern, die die ganze Wertschöpfungskette abdecken – von Forschenden der Empa über Energieversorger, Tankstellen- und Fuhrparkbetreibern bis hin zu Industriepartnern im Technologie- und Anlagenbereich”, sagt Brigitte Buchmann, Direktionsmitglied der Empa und strategische Leiterin von “move”. Die Anlage soll Mitte aufgebaut werden und 2022 in Betrieb gehen. Dann soll das erste Fahrzeug betankt werden. “Mit Methan aus Sonnenenergie”, so Buchmann.

Das Projekt wird durch den Kanton Zürich, den ETH-Rat, Avenergy Suisse, Migros, Lidl Schweiz, Glattwerk, Armasuisse und Swisspower unterstützt.

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