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Über diese Kolumne:

In einer wöchentlichen Kolumne, die abwechselnd von Eveline van Zeeland, Eugene Franken, Katleen Gabriels, PG Kroeger, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla, Willemijn Brouwer und Colinda de Beer geschrieben wird, versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, die manchmal durch Gastblogger ergänzt werden, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Bitte lesen Sie hier die bisherige Episoden.

Vor einigen Wochen nahm ich an einer Pressekonferenz des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) teil, die die Vorteile des wasserstoffbasierten Schienenverkehrs beschwor. Der Hintergrund ist klar: in Deutschland existieren noch zahlreiche Strecken, die nicht elektrifiziert sind. Eine Elektrifzierung durch Oberleitungen würde aus finanzieller Sicht kaum Sinn ergeben und wäre dank der „schnellen“ deutschen Bürokratie und Einwänden von Bürgern nur schwerlich umsetzbar. Der derzeitige Betrieb von Diesel-Lokomotiven sollte aus Umweltschutz-Gründen jedoch zeitnah beendet werden.

Elektro oder Wasserstoff?

Ganz wie beim Schwerlastverkehr wurden die beiden aussichtreichsten Alternativen, Brennstoffzellen- oder Batteriebetrieb, diskutiert. Die Spezialisten des VDI Fachbeirats Bahntechnik und Fachausschusses Wasserstoff und Brennstoffzellen kamen schließlich zu dem Ergebnis, dass der Wasserstoffzug die beste Lösung sei.

Einwände und Energiepolitik

Die Einwände der anwesenden Pressevertreter waren kaum der Rede wert, bis ich die Frage nach dem Nachschub an „Grünem Wasserstoff“ stellte. Mein Eindruck: die anwesenden Vertreter des VDI fanden die Frage tatsächlich etwas deplatziert. Denn, so die Argumentation, es gehe in erster Linie um die Evaluierung, welches System das konstengünstigere sei.

Wasserstofftankstellen und Co.

Meine Anschlussfrage betraf die Infrastruktur. Wasserstofftankstellen, so mein Einwand, kosten ein Vielfaches einer Stromlösung, die bei dem derzeitige Elektrifizierungsstand der Bahn ohnehin schon vorhanden wäre.

Und schließlich wies ich auf die Stromkosten für die Herstellung von „Grünem Wasserstoff“ hin, die ein vielfaches der Kosten betragen würden, die entstünden, als wenn man einfach eine Batterie auflade. Zudem ist „Grüne Energie“ knapp und sollte so effizient wie möglich eingesetzt werden.

Unfaire Einwürfe

Natürlich sind solche Einwürfe unfair. Was sich während der Diskussion allerdings herauskristallisierte war die Fachblindheit der Verantwortlichen, die sich unglücklicherweise durch viele Bereiche der Gesellschaft zieht.

Ganzheitliche Konzepte

Es drängt sich – vor allem in Deutschland – immer mehr der Eindruck auf, dass vieles nicht mehr zu Ende gedacht wird. Wasserstoff ist eine tolle Idee, wenn man weiß, wo er möglichst günstig und ohne CO2-Emissionen herkommt. In Zeiten einer weltweiten Energiekrise jedoch wären fachübergreifende finanzielle und Klima-Betrachtungen hier von grundlegender Bedeutung.

Die Beteiligten des Pressegesprächs verwiesen auf Nordafrika (noch nicht vorhanden), Wasserstoff-Pipelines (müssen noch gebaut werden, sind nicht mal in der Planung), Transporte aus windreichen Gegenden wie Patagonien (noch nichts beschlossen oder vereinbart) und andere Möglichkeiten (dazu kommen wir gleich). Mithin gewann man den Eindruck, dass die Wasserstoff-Herstellung eher eine Petitesse sei.

Auch die deutsche Regierung arbeitet schlampig

Vor gut einer Woche vermeldete das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Hervorhebung vom Autor) unter Robert Habeck den Empfang der ersten Wasserstoff-Lieferung aus den Arabischen Emiraten. Was man nicht groß betonte, war die Tatsache, dass es sich um sogenannten „Blauen Wasserstoff“ handelte. Der wird bekanntlich aus der Dampfreduzierung von Erdgas gewonnen. Übrigens genau das Erdgas, das in der EU derzeit knapp und teuer geworden ist. Zudem entstehen durch diese Herstellung CO2-Emissionen – natürlich nicht in der EU, sondern in einem Land, das bereits die zweithöchsten Pro-Kopf-Emissionen der Welt genau dieses Treibhausgases hat. Das schien den grünen Minister nicht im geringsten zu stören.

Nachhaltigkeit

Die „Ampel“ in Deutschland ist eigentlich mit dem Anspruch angetreten, die Klimaproblematik offensiv anzugehen. In den letzten Wochen und Monaten hat sich allerdings erwiesen, dass gerade die größten Verfechter einer nachhaltigen Klimapolitik dieser einen Bärendienst nach dem anderen erweisen.

Funfact am Ende

Bei der Bahn scheint sich inzwischen herauskristallisiert zu haben, dass Wasserstoff nicht die Lösung sein kann. Immer mehr batterieelektrische Züge bekommen den Zuschlag für nicht- elektrifizierte Streckenabschnitte. Zuletzt erklärte die DBRegio im September 2022, dass man ab 2025 mit Elektrozügen im Saarland fahren wolle. Der gesunde Menschenverstand ist also nicht komplett verlustig gegangen.