Jede Partnerbörse sucht die Menschen, die am besten zueinander passen (sollten) auf Basis von Algorithmen aus. Nicht immer treffen sie auch ins Schwarze. Täten sie das, gäbe es Bücher wie „100 Miese Dates“ von Nadine Kretz nicht. Ist es aber überhaupt möglich zu Beginn einer Beziehung vorherzusagen, ob oder sogar wie lange sie hält? Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der University of Alberta, Kanada, sind dieser Frage nachgegangen und zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen: “Prognosen über die Langlebigkeit einer Beziehung sind durchaus möglich.”
Dr. Christine Finn von der Universität Jena und ihre Kollegen von vier deutschen Universitäten haben im Rahmen der Langzeitstudie „pairfam” seit 2008 die Entwicklung von über 12.000 Personen unterschiedlichen Alters untersucht. Von den 2.000 Paaren, die Christine Finn regelmäßig befragte, trennten sich 16 im Laufe dieses Zeitraums. „Bereits zu Beginn einer Beziehung lassen sich Prädiktoren – also gewisse Vorhersagevariablen – finden, die Informationen darüber liefern, ob die Beziehung lange hält oder nicht”, erklärt Finn.
Laut Finn gibt es in der Psychologie derzeit zwei wissenschaftliche Modelle, die den Verlauf einer Paarbeziehung unterschiedlich beschreiben. Ein Modell geht davon aus, dass alle Paare zu Beginn etwa gleich glücklich sind und eine Trennung aufgrund von Problemen geschehe, die sich erst im Laufe der gemeinsamen Zeit entwickelt haben. Bei Modell zwei sind die beiden Beteiligten bereits von Anfang an unterschiedlich glücklich. Zwar würden sie diese unterschiedlichen Niveaus meist halten, die negativere Ausgangs¬situation erhöhe jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns der Beziehung.
„Wir haben nun herausgefunden, dass eine Mischung aus beiden Modellen wohl zutrifft”, sagt die Jenaer Psychologin. „Auch wir können ein unterschiedliches Ausgangsniveau bestätigen. Zusätzlich nimmt bei beiden Gruppen die Glücklichkeit ab – bei denen, die sich später trennen, passiert das allerdings deutlich rapider. Das bedeutet: Wer unglücklich startet, wird noch unglücklicher.” Somit könne man also schon zu Beginn einer Beziehung einiges über ihren Verlauf verraten.
Keine Beziehung ist von vornherein zum Scheitern verurteilt
Die Höhe des Glücksniveaus der Paare ermittelten die Forscher beispielsweise durch Fragen, wie sehr die Partner ihre jeweiligen Bedürfnisse befriedigt sehen. Das Ergebnis war, dass diejenigen Paare generell länger zusammenblieben, die ähnliche Bedürfnisse, wie zum Beispiel nach Nähe hatten, gleichzeitig aber auch weiter ihre eigenen Interessen verfolgen konnten.
Eine Prognose, wie eine Beziehung verlaufen könnte, ist aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse also möglich. Wollen wir das aber wirklich wissen? Und wäre es überhaupt gut, eine Beziehung schon mit dem Gedanken zu beginnen, dass sie wahrscheinlich nach einer gewissen Zeit sowieso schiefgeht? „Uns geht es nicht darum, den allgemeinen Optimierungstrend weiter zu unterfüttern und eine Beziehung nur ergebnisorientiert mit der Aussicht auf Langlebigkeit zu führen“, schränkt Christine Finn ein. „Wenn sich Paare nach einiger Zeit trennen, kann das trotzdem eine wertvolle und wichtige Phase in ihrem Leben sein – die möglicherweise die folgenden Beziehungen positiv beeinflusst. Außerdem können Paare das Gemeinsame, wie das Ausleben von Nähe und Unabhängigkeit, auch bewusst steuern und daran arbeiten. Keine Beziehung ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.” Für Beratungsstellen und Therapeuten könnten die Ergebnisse der Studie also durchaus wertvoll sein.
Die Langzeitstudie „pairfam“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und läuft noch bis ins Jahr 2022. Erste Ergebnisse wurden unter dem Titel „Happily (N)ever After? Codevelopment of Romantic Partners in Continuing and Dissolving Unions“ veröffentlicht.