Diese Schlagzeile verführt fast dazu, ab sofort eine Ernährungsumstellung auf Joghurt, Sauerkraut und Miso ‒ also Lebensmittel, die durch ein Probiotikum fermentiert sind ‒, in den stressigen Alltag einzubauen. Denn Probiotika sind, laut WHO: „lebensfähige Mikroorganismen, die bei Verabreichung in ausreichender Menge eine gesundheitsfördernde Wirkung auf den Wirt mit sich bringen.“ Insbesondere, da sie gemeinsam mit den anderen im menschlichen Körper ‒ vor allem im Darm ‒ angesiedelten Bakterien verdauungsförderliche Maßnahmen unterstützen und Vitamine produzieren. Doch ganz so einfach ist die Stressbewältigung nicht: Denn Probiotika gibt es viele und nicht alle haben die gleiche Wirkung.
Studie mit 40 gesunden Probanden
Immerhin wurde jetzt wissenschaftlich nachgewiesen, dass speziell das Probiotikum des Typs Bifidobakterium longum 1714 TM sowohl die Stressverarbeitung verbessern als auch gesunden Menschen den Umgang mit Stressbelastung erleichtern kann. Dies zumindest zeigt eine Studie der Abteilung „Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ am Universitätsklinikum Tübingen.
Für ihre Forschungsarbeit untersuchten die Tübinger Professoren Paul Enck (Psychosomatik) und Christoph Braun (MEG-Zentrum) 40 gesunde Probanden. Diese nahmen täglich – im sogenannten Doppelblind-Versuch ‒ über vier Wochen entweder das Probiotikum oder ein Placebo ein. Die Teilnehmer wurden vor und nach der vierwöchigen Einnahme einem sozialen, stressauslösenden Faktor (Stressor) wie folgt ausgesetzt: Mithilfe eines virtuellen Ballspiels warfen sich der Proband und zwei Gegenspieler am Computer im Wechsel einen Ball zu. Im Verlauf des Spiels wurde der Proband zunehmend aus der Gruppe ausgeschlossen. Dies sollte das Gefühl der Isolation auslösen. Was in diesem Fall in etwa mit Alltagsstress vergleichbar ist.
Hirn-Scanner misst Hirnaktivität
Vor der Kapseleinnahme als auch danach spielten die Probanden das Spiel. Gleichzeitig wurde währenddessen die Hirnaktivität durch einen Hirn-Scanner, dem sogenannten Magnetenzephalographen (MEG), gemessen. So konnten beide Situationen, das Spiel und die Isolation, miteinander verglichen werden. Auch wurde die Aktivierung des Gehirns vor und nach vier Wochen der Einnahme sowie zwischen den Probanden, die Probiotikum oder Placebo erhielten, verglichen. Dabei zeigte sich deutlich, dass das Probiotikum Änderungen in den mit der Stressregulation in Verbindung stehenden Hirnregionen erzeugen kann: Bei dem Vergleich der Hirnaktivität nach Placeboeinnahme versus Einnahme des Probiotikums wies die Aktivität der letzteren Probanden vor dem Spiel sowie unter der Belastung des Stressors erhöhte Vitalität und reduzierte mentale Ermüdung auf. Dies deutet auf eine verbesserte Anpassung (Coping) an Belastungssituationen und Gegenregulation bei negativen Emotionen hin.
Test durch Veränderung von Stressreizen
Die Befunde zeigen erstmals, dass ein Probiotikum positiven Einfluss auf soziale Stresssituationen im Sinne einer besseren Stressbewältigung ausübt. Denn hier wurde, anders als in vorherigen Studien, die zentrale Verarbeitung von Stressreizen verändert. Befunde aus bisherigen Untersuchungen waren zumeist auf Subjektivität beschränkt oder stammten aus psychologischen Tests. Die Aussage der Studie gilt bislang nur für das speziell verwendete Probiotikum, das übrigens von der Firma Alimentary Health Ltd. Cork, Ireland entwickelt und zur Verfügung gestellt wurde. Das Ergebnis kann nicht auf alle Probiotika übertragen werden. Die Originalstudie ist im American Journal of Gastroenterology 2019 nachzulesen.