Power-to-Liquid (PtL) ©Patrick Langer, KIT
Author profile picture

So geht erfolgreiche Sektorenkopplung: Forschungspartner des Kopernikus-Projektes P2X haben kürzlich auf dem Gelände des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) die ersten Liter Kraftstoff aus dem Kohlendioxid der Luft, Wasser und Ökostrom produziert. Dafür schlossen sie erstmals alle vier benötigten chemischen Prozessschritte in ihrer kompakten Versuchsanlage zu einem kontinuierlichen Verfahren zusammen. Somit erreichten die vier deutschsprachigen Forschungspartner Climeworks, Sunfire, Ineratec und das KIT eine maximale Kohlendioxidausnutzung und eine besonders hohe Energieeffizienz. Zumal die Stoff- und Energieströme intern recycelt werden.

Die derzeitige Versuchsanlage kann rund zehn Liter Kraftstoff pro Tag produzieren. In der zweiten Phase des Kopernikus-Projektes P2X wird bald eine Anlage mit 200 Litern pro Tag entwickelt. Danach soll eine vorindustrielle Demonstrationsanlage im Megawattbereich, also mit rund 1500 bis 2000 Litern Produktionskapazität pro Tag, entstehen. Damit wäre es theoretisch möglich, Wirkungsgrade von rund 60 Prozent zu erreichen. Es könnten also 60 Prozent des eingesetzten Ökostroms als chemische Energie im Kraftstoff gespeichert werden.

In 4 Schritten zum Sprit

Im ersten Schritt gewinnt die Anlage Kohlendioxid aus der Umgebungsluft in einem zyklischen Prozess. Die Direct-Air-Capture-Technologie von Climeworks, eines Spin-offs der ETH Zürich, nutzt dazu ein speziell behandeltes Filtermaterial. Wie ein Schwamm nehmen die luftdurchströmten Filter Kohlendioxidmoleküle auf. Unter Vakuum und bei 95 Grad Celsius löst sich das anhaftende Kohlendioxid wieder von der Oberfläche und wird abgepumpt.

Im zweiten Schritt erfolgt die gleichzeitige elektrolytische Spaltung von Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf. Diese sogenannte Co-Elektrolyse des Technologieunternehmens Sunfire produziert in einem einzigen Prozessschritt Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid. Sie produzieren also ein Synthesegas, das die Grundlage für vielfältige Verfahren in der chemischen Industrie bildet. Mit ihrem hohen Wirkungsgrad im industriellen Maßstab kann die Co-Elektrolyse 80 Prozent des eingesetzten Ökostroms chemisch im Synthesegas binden.

Im dritten Schritt werden nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren aus dem Synthesegas langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle gebildet, die Rohprodukte für Kraftstoffe. Dazu liefert Ineratec, eine Ausgründung aus dem KIT, einen mikrostrukturierten Reaktor, der auf kleinstem Raum eine große Oberfläche bietet, um Prozesswärme sicher abzuleiten und für andere Prozessschritte zu nutzen. Der Prozess lässt sich auf diese Art leicht steuern, kann Lastwechsel gut verkraften und ist modular erweiterbar.

Der vierte Schritt optimiert schließlich die Qualität des Kraftstoffes und die Ausbeute. Diesen Teilprozess, das sogenannte Hydrocracken, hat das KIT in die Prozesskette integriert. Unter Wasserstoffatmosphäre spalten sich die langen Kohlenwasserstoffketten in Gegenwart eines Platin-Zeolith-Katalysators teilweise auf. Sie verändern somit das Produktspektrum hin zu mehr verwendbaren Kraftstoffen wie Benzin, Kerosin und Diesel.

Energiegewinnung vor Ort

Besonders großes Potenzial bietet das Verfahren hinsichtlich seines modularen Charakters. Die Schwelle für eine Realisierung ist durch das geringe Skalierungsrisiko deutlich niedriger als bei einer zentralen, chemischen Großanlage. Das Verfahren kann dezentral installiert werden und ist somit dort einsetzbar, wo Solar-, Wind- oder Wasserkraft zur Verfügung stehen.

Bisher wurden die Sektoren Strom, Wärme, Mobilität sowie Industrie getrennt voneinander erforscht. Und gerade in einer Zeit, in der auf erneuerbare Energien gesetzt wird, ist ein Umdenken gefordert, damit das Potenzial optimal genutzt wird.

„Wind und Sonne versorgen uns weltweit mit einer ausreichenden Menge an Energie, aber nicht immer zur richtigen Zeit“, beschreibt Professor Roland Dittmeyer vom KIT, Koordinator des Forschungsclusters „Kohlenwasserstoffe und langkettige Alkohole“ innerhalb des Kopernikus-Projektes Power-to-X (P2X), das Dilemma der Energiewende. „Zudem brauchen einige wichtige Verkehrssegmente wie Flug- oder Schwerlastverkehr auch langfristig Kraftstoffe, da diese eine hohe Energiedichte aufweisen.“ Daher liege es nahe, den bisher ungenutzten Ökostrom in chemischen Energieträgern zu speichern.

Kopernikusprojekt Power-to-X (P2X)

„Power-to-X“ bezeichnet Technologien, die Strom aus erneuerbaren Quellen in stoffliche Energiespeicher, Energieträger und energieintensive Chemieprodukte umwandeln. Damit können Erneuerbare Energien in Form von maßgeschneiderten Kraftstoffen für Kraftfahrzeuge oder in verbesserten Kunststoffen und Chemieprodukten mit hoher Wertschöpfung genutzt werden.

Im Rahmen des Kopernikus-Programms der Bundesregierung wurde für dieses komplexe Themenfeld mit dem Projekt „Power-to-X“ (P2X) eine nationale Forschungsplattform aufgebaut. Insgesamt sind 18 Forschungseinrichtungen, 27 Industrieunternehmen sowie drei zivilgesellschaftliche Organisationen an P2X beteiligt. Innerhalb von zehn Jahren sollen neue technologische Entwicklungen bis zur industriellen Reife gebracht werden. In der ersten Förderphase stehen Forschungsarbeiten zur kompletten Wertschöpfungskette von elektrischer Energie bis zu stofflichen Energieträgern und Produkten im Fokus.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

SUN-to-LIQUID: Wie aus Sonnenlicht Kerosin wird

Crowd oil: Kraftstoff aus der Klimaanlage

Erneuerbare Energien: Aus Strom wird Gas