Wie werden Planeten geboren? Über unseren Planet Erde heißt es, er entstand vor etwa 4,6 Milliarden Jahren aus derselben Gaswolke wie die Sonne – wie übrigens auch die anderen Planeten unseres Sonnensystems. Insgesamt haben Astronomen bisher fast 4.000 Exoplaneten in der Umlaufbahn um entfernte Sterne katalogisiert, ihr Entstehungsprozess ist aber noch immer ungeklärt. Es gibt somit noch jede Menge über die Geburt von Planeten und die genauen kosmischen Prozesse zu lernen, die die unterschiedlichsten Planeten entstehen lassen, die bereits entdeckt sind. Darunter sind so genannte heiße Jupiter, massive felsige Welten, eisige Zwergplaneten.
Allgemein geht man davon aus, dass junge Planeten durch die allmähliche Ansammlung von Staub und Gas in einer protoplanetaren Scheibe geboren werden, beginnend mit eisigen Staubkörnern, die zu immer größeren Gesteinen zusammenwachsen, bis hin zu Asteroiden, Planetesimalen und Planeten. Dieser Prozess sollte viele Millionen Jahre dauern, was darauf hindeutet, dass seine Auswirkungen auf die protoplanetaren Scheiben am stärksten in älteren, reiferen Systemen zu finden sind. Immer mehr Beweise deuten jedoch darauf hin, dass dies nicht immer der Fall ist.
Um den Fragen nach der Entstehung von Planten auf den Grund zu gehen, hat ein internationales Team von Astronomen, zu dem auch LMU-Physiker Prof. Dr. Til Birnstiel gehört, mithilfe hochauflösender Bilder des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Arrays (ALMA), eines internationalen Radioteleskop-Observatoriums in den chilenischen Anden, nun erstmals ein umfassendes Screening von 20 dieser Planeten-„Kinderstuben“ durchgeführt.
„Wie Planeten geboren werden, ist immer noch ein Rätsel“, gesteht Prof. Birnstil. „Die Ringstrukturen in den protoplanetaren Scheiben gelten als Hinweise auf die Existenz junger Planeten, aber bei der Frage, wie diese Ringe entstehen, gibt es noch viel zu entdecken. Dabei geht es nicht nur um die Erforschung kleiner Details, wie vielleicht in manchen anderen Gebieten der Physik, sondern um ganz grundsätzliche Mechanismen.“
Die ALMA-Bilder zeigen unerwartet komplexe Muster und, dass viele Unterstrukturen wie konzentrische Lücken oder schmale Ringe in fast allen Scheiben vorkommen, während in einigen Fällen auch großflächige Spiralmuster und bogenartige Merkmale vorhanden sind. „Anhand dieser großen Datenmengen konnten wir erstmals Statistik betreiben und erfassen, welche Details typisch sind und häufig vorkommen – etwa Ringe – und welche Merkmale selten sind, wie beispielsweise Spiralstrukturen. Scheinbar hat jede Scheibe eine Substruktur. Die Scheiben sind unterschiedlich groß, ihre Masse ist unterschiedlich und sie sind nicht so glatt, wie man sie sich früher vorgestellt hat“, erklärt Birnstil.
Weitere Forschungen nötig
Außerdem variieren die Abstände der Scheiben und Ringe zu ihrem jeweiligen Heimatstern von rund 150 Millionen Kilometern bis zu mehr als der dreifachen Entfernung des Neptuns von unserer Sonne. Nach Ansicht der Forscher deuten alle diese Beobachtungen darauf hin, dass sich große Planeten, die in Größe und Zusammensetzung wahrscheinlich Neptun oder Saturn ähnlich sind, viel schneller bilden, als man bisher angenommen hat.
Die größte Überraschung sei bei den aktuellen Untersuchungen daher gewesen, wie schnell und zahlreich Planten entstehen können, vor allem bei so großen Abständen zum „Heimatstern“, sagt der Professor für theoretische Astrophysik der Ludwig-Maximilians-Universtät München. „Die gängigen Modelle gehen davon aus, dass Planeten durch die Ansammlung von Staub und Gas in der protoplanetaren Scheibe geboren werden. Die Ringe fungieren dabei als eine Art ‚Staubfalle‘, in der lokale Störungen dafür sorgen, dass kleinere Staubteilchen angehäuft werden, bis das entstehende Gebilde so groß ist, dass die Gravitation greift.“
Bisher ging man davon aus, dass dieser Entstehungsprozess Millionen von Jahren dauern würde, umso länger, je weiter der Ring vom zugehörigen Stern entfernt ist. „Die Ringe in unseren Scheiben sind aber nur wenige Millionen Jahre alt und zudem oft sehr weit ‚draußen‘. Wir haben schon in unserem Planetensystem Probleme, die Entstehung der äußeren Planeten zu beschreiben“, betont Birnstil. „In der Astrophysik rechnen wir mit astronomischen Einheiten. Eine astronomische Einheit ist die durchschnittliche Entfernung der Erde von der Sonne. Der äußerste Planet in unserem eigenen Planetensystem ist 30 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt. Die Ringe der nun von uns untersuchten Scheiben sind teilweise deutlich weiter von ihrem Stern entfernt, mitunter über 100 astronomische Einheiten. Dennoch spricht unserer Ansicht nach alles dafür, dass dort Planeten sind.“
Durch einen Vergleich der Scheiben konnten sie auch untersuchen, ob die Position der Ringe mit der Leuchtkraft ihres Heimatsterns variiert. „Eine Theorie zur Entstehung der Ringe geht nämlich davon aus, dass sie mit der Verdampfung bestimmter Stoffe in Verbindung stehen könnten. Wir fanden aber keinerlei Zusammenhänge und konnten diese Idee widerlegen – das macht es wahrscheinlicher, dass die Ringe wirklich mit der Entstehung von Planeten zusammenhängen.“
Eine weitere Überraschung für ihn sei gewesen, dass scheinbar alle Ringe denselben Grad an Durchsichtigkeit besitzen, fährt Birnstil fort. „Die protoplanetaren Scheiben sind ja sehr unterschiedlich und man würde erwarten, dass die Teilchengrößen unterschiedlich sind und dass es dichtere und weniger dichte Ringe gibt. Trotzdem nehmen alle auf einer Skala zwischen 0, gleich durchsichtig, und größer eins, gleich undurchsichtig, einen Wert von 0,6 ein. Das spricht dafür, dass ein bisher unbekannter Mechanismus dafür sorgt, dass das so ist.“
Für die Wissenschaft wäre es auf jeden Fall interessant, noch weiter entfernte Scheiben zu untersuchen, erklärt Birnstil. „Die zu unserem Sonnensysten am nächsten gelegenen Scheiben, die wir jetzt beobachten konnten, sind alle relativ groß und zwischen einer und zehn Millionen Jahre alt. Es wäre interessant zu wissen, ob es in kleineren oder jüngeren Scheiben auch bereits Ringstrukturen gibt. Dann könnte man genauer sagen, ab wann Planeten entstehen. Wenn man das mit dem Kennenlernen von Menschen vergleicht, könnte man sagen, dass wir am Anfang unserer Forschungen nur drei Menschen in unserer Nähe kannten. Jetzt kennen wir alle Menschen der Umgebung, aber die Bevölkerung fernerer Länder, die möglicherweise ganz anders ist, kennen wir noch nicht so gut.“
Titelbild: Die 20 von ALMA im Bild festgehaltenen protoplanetaren Scheiben. © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), S. Andrews et al.; NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello
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