Als in der Coronakrise auf dänischen und niederländischen Nerzfarmen Infektionen nachgewiesen wurden, mussten Millionen Tiere getötet werden. Stimmen gegen die Zucht von Pelztieren wurden laut. In den Niederlanden beschloss man daraufhin die Pelztierzucht sofort zu verbieten. Ursprünglich war das Ende ab 2024 geplant.
Die Zucht von Pelztieren ist grausam den Tieren gegenüber. Geht es nach PETA, dann stellt diese aber auch eine der größten Klimabedrohungen unserer Zeit dar. Bedenklich sei sowohl die Produktion von Futtermitteln als auch die nitrathaltige Ausscheidung der Pelztiere auf Farmen, so die Tierschutzorganisation.
Zuletzt haben auch mehrere Modeluxuslabels erklärt, in Zukunft auf Pelz verzichten zu wollen. Für die Tierschutzorganisationen ist das ein großer Erfolg. Denn, „Pelz ist der Inbegriff von Luxus und es wird immer Menschen geben, die ihren Status nach außen zeigen wollen“, sagt Maria Zakurnaeva. Sie ist Chief Executive Officer der Furoid SE in Gründung und hat früher selbst in der Modeindustrie gearbeitet. Weiters gehe es auch um die hohe Wärmeleistung von Pelz. In Regionen mit bis zu 50 Minusgraden gebe es keine Alternative zu echten Pelzen und Fellen. Bei diesen Temperaturen wärmt eine Daunenjacke nicht ausreichend. Außerdem Daunenjacken aus fossilen Kunststoffen und Daunen – sind also weder nachhaltig noch grausamkeitsfrei.
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Zucht von Pelztieren könnte obsolet werden
Aber auch wenn die Zucht von Pelztieren verboten wird, muss die Modeindustrie langfristig nicht auf Pelze und Felle verzichten: Weltweit arbeiten schon mehrere Forschungsgruppen an einer zellbasierten Alternative aus dem Labor. Geht es nach dem Start-up Furoid SE, dann wird das Labor die einzig mögliche Quelle für Pelze und Felle mit echtem Pelztierhaar sein. Wann mit einer marktreifen Lösung zu rechnen ist, ist noch unklar.
Ein multidisziplinäres Team um Chief Scientific Director Professor Sue Gibbs von der Freie Universität Amsterdam, hat in der Vergangenheit bereits menschliche Haarfollikel im Labor gezüchtet. Jetzt hat es dieses Verfahren weiterentwickelt, um auch Pelze und Felle von Tieren im Labor züchten zu können. Der proof-of-concept ist bereits geschafft: Die Reproduzierbarkeit des Ergebnisses konnte in vitro nachgewiesen werden.
Stammzellen gefährdeter Arten von Pelztieren
Die Forscher nutzen Zellen von verschiedenen Wirbeltieren (Vertebrata). Beispiele sind Chinchilla, Nerz oder Leopard. Die Stammzellen können von einem gesunden Pelztier gewonnen oder aber einer Zelllinie entnommen werden. Bei Furoid konzentriert man sich auf gefährdete und kommerziell genutzte Arten und baut eine eigene Stammzelldatenbank aus induzierten pluripotenten Stammzellen (IPS-Zellen) auf.
IPS-Zellen sind pluripotente Stammzellen, die durch künstliche Reprogrammierung von nicht-pluripotenten somatischen (körperbezogenen) Zellen entstanden sind. Sie ähneln in ihren Eigenschaften stark natürlichen Stammzellen. Ob IPS-Zellen in allen Eigenschaften mit natürlichen Stammzellen übereinstimmen, ist bis dato ungeklärt.
Dies IPS-Zellen werden kryogen – also bei extrem niedrigen Temperaturen – konserviert. Dadurch leisten die Forscher einen wichtigen Beitrag zum Tierschutz und zur konservatorischen Wissenschaft. Der Anfang wurde mit Nerzen gemacht, die bis dato kommerziell gezüchtet werden. Laut Furoid SE Jährlich werden zwischen 40 und 85 Millionen Nerze geschlachtet.
Gerben und Färben auf zellulärer Ebene
Das Start-up arbeitet mit Blockchain-Technologie und DNA-Tagging, um einen sicheren Nachweis für die biotechnologisch hergestellten Pelze zu gewährleisten. Jeder Pelz aus dem Labor ist mit einer einzigartigen vorcodierten genetischen Signaturkombination versehen. Dadurch kann dieser leicht von Produkten aus der Zucht von Pelztieren oder von Wilderern unterscheidet werden. Einzigartig an der Technologie ist, dass sich der konventionelle Prozess der Gerbung und Färbung erübrigt, weil diese Eigenschaften auf zellulärer Ebene bearbeitet werden können. Das macht die Pelze aus dem Labor noch umweltfreundlicher. Denn nicht nur das Züchten von Pelztieren wird obsolet, sondern auch ein Produktionsprozess, der die Umwelt mit hohem Wasserverbrauch und allfälligen Substanzen belasten könnte.
Foto: Das weltweit erste in vitro Haarfollikel, das untrennbar mit Kollagen verbunden ist. Der Prototyp 1.0 ist NFT- und DNA getagged. Erstmals zu sehen zur Future Fabrics Expo 9 1/2 London, von 22. Juni bis 2. Juli in zu sehen.
Um die Machbarkeit der patentierten Lösung zu beweisen, sind allerdings noch einige Fragen zu beantworten, erklärt Zakurnaeva: „Menschliches Haar muss in den Körper transplantiert werden. Beim Haar von Pelztieren ist das nicht der Fall. Das heißt, dass es etwas einfacher mit den Regulierungen ist, aber viel schwieriger in der Entwicklung“. In der COVID-19 Krise forschte ihr Team an der renommierten Universität für Bodenkultur Wageningen in den Niederlanden. Wegen der pandemiebedingten Schließungen kehrte es aber vorzeitig wieder nach Deutschland zurück. Jetzt überlegen sie, ihre Forschung in die Vereinigten Staaten zu verlegen.
Vegane Nährlösung wäre großer Durchbruch
Da das Produkt am Ende vegan sein soll, werden die Haarfollikel der Pelztiere nicht auf Leder angepflanzt, sondern auf Kollagen. Für das Wachstum brauchen die Zellen eine Nährlösung, die aus einem Extrakt von Kälbern gewonnen wird und sehr teuer ist. Das heißt, diese Nährlösung ist nicht vegan und muss deshalb ersetzt werden. Eine geeignete Alternative zu finden, wäre ein großer Durchbruch, erklärt Zakurnaeva.
Foto: Der erste geprintete Prototyp samt sichtbarer Papillen der Lederhaut unter dem SEM Mikroskop (scanning electron microscope).
Wobei das Haar zwar die größte Herausforderung bedeute, aber simultan auch noch an anderen Faktoren geforscht werde. Wie etwa an der Basisschicht die das Haar hält. „Wir fragen uns, ob diese Schicht tatsächlich aus Kollagen bestehen soll oder ob vielleicht doch ein anderes Material besser geeignet ist. Wenn wir Kollagen verwenden, dann stehen wir vor der Herausforderung, dieses dauerhaft zu machen. Offen sind auch noch die Eigenschaften, die das Haar haben soll, das heißt, die Art wie es auf den menschlichen Körper reagieren soll – etwa in Bezug auf Wärmespeicherung versus Wärmeabgabe,“ so Zakurnaeva.
Zu groß für einen Modekonzern
Für den Abschluss des Projekts bedarf es noch der Finanzierung – und die gestaltet sich nicht so einfach. Die Innovation sei zu groß, um exklusiv von einem Modekonzern oder Investoren genutzt zu werden, sagt Zakurnaeva. Lieber möchte man diese dem Massenmarkt zugänglich machen. Eine ideale Lösung wäre es, Zuschüsse oder Spenden von philanthropischen Organisationen oder Investorengruppen mit langfristigen Nachhaltigkeits-Anlagethesen zu bekommen.
Ein alternatives Finanzierungsszenario könnte auch ein Lizenzierungsmodell aus der pharmazeutischen Biotechnologie sein. Dabei würden sich die Evaluierungslizenzen mindestens auf eine einmal jährliche Gebühr oder maximal auf 0,5 Prozent der jährlichen Bruttoumsatzerlöse belaufen. Das wäre ein demokratischer Ansatz, weil es auch kleinen Marken ermöglichen würde an der industriellen Upscale-Phase teilzunehmen.
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