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Warum wir über dieses Thema schreiben:

Diese dehnbare und biologisch abbaubare Batterie für Wearables und Implantate vereint erstmals Dehnbarkeit der Materialien mit deren biologischer Abbaubarkeit.

Weiche und dehnbare Elektronik und Robotik versprechen neue Anwendungsmöglichkeiten. So könnte die Gesundheitsversorgung etwa von Wearables oder implantierbarer Elektronik profitieren. Beispiele dafür sind Wegwerf-Sensoren zur Messung von Gesundheitsdaten oder intelligente Implantate, die Medikamente im Körper freisetzen. Das Forschungsthema ist komplex und beschäftigt Wisenschaftler weltweit. Eine der neuesten Errungenschaft ist die erste dehnbare und biologisch abbaubare Batterie. Sie ist nur wenige Zentimeter groß – und hat das Potenzial, die intelligenten Gesundheitsprodukte der Zukunft mit Energie zu versorgen. Erfunden haben sie Professor Martin Kaltenbrunner und seine Doktoranden von der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz.

Wachsende Elektronikmüllberge

Professor Kaltenbrunner leitet an der JKU die Gruppe Physik weicher Materie und betreibt Grundlagenforschung im Bereich neuer Materialien für Soft Robotics und Elastomere. Eine seiner speziellen Expertisen gilt neuen Energieträgern. Sein Vorgänger, Siegfried Bauer, stellte 2010 die weltweit erste dehnbare Batterie vor. Ihm gelang es nun, die erste dehnbare UND biologisch abbaubare Batterie zu entwickeln. „Anwendungen im Medizinbereich, wie etwa Sensoren auf der Haut, werden nur über eine kurze Zeitdauer getragen und für Wegwerfprodukte sind umweltverträgliche und biologisch abbaubare Materialien besonders wichtig“, sagt Kaltenbrunner – und weiter: „Mit der Menge an Tools wächst unweigerlich auch der Elektronikmüllberg. Schon im Jahr 2019 entstanden täglich 140.000 Tonnen Elektroschrott – und die Menge wächst exponentiell. Deshalb müssen wir schon jetzt überlegen, wie wir Elektronik und auch Robotik nachhaltig machen können – und wie wir das auch für neue Forschungsfelder, wie weiche Formen von Elektronik und Robotik, machen können.“

Mit der Menge an Tools wächst unweigerlich auch der Elektronikmüllberg. Schon im Jahr 2019 entstanden täglich 140.000 Tonnen Elektroschrott – und die Menge wächst exponentiell. Deshalb müssen wir schon jetzt überlegen, wie wir Elektronik und auch Robotik nachhaltig machen können – und wie wir das auch für neue Forschungsfelder, wie weiche Formen von Elektronik und Robotik, machen können.”

Professor Martin Kaltenbrunner, JKU Linz

Die dehnbare UND biologisch abbaubare Batterie

Die Forschung hat bereits Ansätze für dehnbare Batterien und für biologisch abbaubare Batterien. Eine Verbindung dieser entscheidenden Eigenschaften stand bisweilen aber noch aus. Denn es sind es gleich mehrere Aspekte, die herkömmliche Batterien von einer nachhaltigen flexiblen Elektronik trennen: Sie sind starr, beinhalten meist giftige Metalle und lassen sich noch nicht ohne weiteres recyceln. Das sei der Ausgangspunkt für das Projekt gewesen, erklärt Kaltenbrunner. 

Batterien bestehen in der Regel aus einem Skelett und aktiven Materialien. Unter Skelett versteht man das Gehäuse und einen Separator. Der Separator ist eine Schicht, welche die zwei Elektroden (Anode und Kathode) voneinander trennt. Zwischen Anode und Kathode werden die Ionen ausgetauscht und der Ionenfluss wird durch den Elektrolyt ermöglicht, der zum Beispiel aus Kalilauge (Kaliumhydroxid (KOH)) bestehen kann. Der zwischen Anode und Kathode liegende Separator verhindert, dass es zu einem Kurzschluss kommt. 

Eine Frage der Materialien

Bei gewöhnlichen Batterien ist das Gehäuse aus Stahl und die Elektroden aus Manganoxid und Zink. Der Separator besteht aus einem papierähnlichen Gewebe und der Elektrolyt aus Kalilauge (Kaliumhydroxid (KOH)). Alle diese Materialien sind nicht sonderlich dehnbar und nicht biologisch kompatibel – vor allem nicht die konzentrierte Kalilauge. Deshalb mussten die Forschenden jedes einzelne Teil für ihre dehnbare und biologisch abbaubare Batterie erst identifizieren und/oder kreieren. 

Die Materialien mussten eine Batterie ergeben, also die elektrochemischen Voraussetzungen haben – und zugleich gesundheitlich unbedenklich, biologisch abbaubar und mechanisch dehnbar sind. Die Auswahl an Materialien, die all diese Voraussetzungen erfüllen, ist nicht sehr groß, betont Kaltenbrunner. 

Für das Gehäuse synthetisierten die Forschenden ein Elastomer – Polyglycerinsebacat (PGS) – das dehnbar und biologisch abbaubar ist. Es gibt Enzyme – unter anderem im Kompost – die das Material sogar als Nahrung brauchen. Für die aktiven Materialien – die Anode und die Kathode – wurde eine Folie aus Magnesium und Molybdänoxid verwendet. Beide Stoffe sind unbedenklich und kommen im Körper auch als Spurenelemente vor. Elektrolyt und Separator wurden durch ein biologisch abbaubares Gel aus Kalziumalginat ersetzt. Da es ein Hydrogel ist und gelöstes Salz (Kalziumchlorid) enthält, kann es sowohl die mechanische Trennung von Anode und Kathode herstellen, als auch die Ionen leiten.

Dehnbare und biologisch abbaubare Batterie, Martin Kaltenbrunner, JKU. Wearables, Implantate
Die Kirigami Elektroden, welche die dehnbare und biologisch abbaubare Batterie ermöglichen (c) Whiley

Geometrisch und mechanisch dehnbar

Besonders herausfordernd war es, ein Material für die Anode zu finden. Da diese aus Metall sein muss – und Metall in der Regel nicht flexibel ist. Auch bei der verwendeten Magnesiumfolie war man mit dem Problem der mangelnden Dehnbarkeit konfrontiert. Um diese zu umgehen, wandte das Team Kirigami an, eine genau definierte japanische Schnitttechnik, die starre Materialien – wie Papier oder eben Metallfolie – geometrisch und mechanisch dehnbar macht. Trotzdem bleibe die Dehnbarkeit der Magnesiumfolie jedoch begrenzt, erklärt Kaltenbrunner. Denn auch im gedehnten Zustand muss noch möglichst viel Elektrodenfläche nutzbar sein. Nur so können die Folien die Elektronen leiten und dadurch Strom bereitstellen, so der Forscher.

Die dehnbare und biologisch abbaubare Batterie, die Kaltenbrunner und sein Team auf diese Art entwickelt haben, hat eine Energiedichte von 1,72 Milliwatt-Stunden pro Quadratzentimeter. Das ist nicht viel, im Vergleich mit einer Lithium Polymer Batterie, welche die 60-fache Leistung erbringt. Aber diese Energiedichte reicht bereits, um einen Sensor über mehrere Stunden mit Energie zu versorgen. So könnten etwa Sportler ihren Trainingsverlauf mithilfe dieser Batterie analysieren. Ein Sensor könnte den Natriumgehalt auf der Haut messen und die Daten auf ein Smartphone übertragen. 

Wasserlöslich und im Körper abbaubar

Nach Verwendung lässt sich der gesamte Energiespeicher einfach kompostieren. Die Materialien sind wasserlöslich und zersetzen sich, sobald sie mit Wasser in Berührung kommen. Im Test wurde die Batterie einer Wassertemperatur von 37 Grad Celsius ausgesetzt und hatte sich nach elf Wochen zu mehr als 70 Prozent zersetzt. Wichtig im Hinblick auf zukünftige Anwendungen im Gesundheitsbereich ist, dass die Batterie völlig unbedenklich ist. Im Prinzip könnte sie sogar verschluckt – und im Magen komplett abgebaut werden.  

Für Kaltenbrunner und seine Doktoranden ist das Forschungsziel erreicht. Alle Materialien sind dehnbar, umweltverträglich und biologisch abbaubar. Aber sie wollen weiterforschen, um eine höhere Energiedichte zu erreichen: „Das sind tolle Materialien, aber vielleicht sind es noch nicht die bestmöglichen Materialien und vielleicht ist es auch noch nicht das bestmögliche Design“, sagt Kaltenbrunner.