Seit Jahren stellen Mikroschadstoffe im Wasser, die durch konventionelle Verfahren nicht beseitigt werden können, ein weltweites Problem dar. Dadurch ist auch das Trinkwasser häufig mit solchen Schadstoffen wie beispielsweise Steroidhormonen belastet. Diese gelangen durch Arzneistoffe und Verhütungsmittel, die Menschen einnehmen, ins Abwasser.
Zwar beträgt ihr Anteil pro Liter Wasser lediglich ein paar Nanogramm, aber auch in dieser geringen Menge können diese Stoffe gesundheitsschädlich sein und sich auch auf die Umwelt auswirken. Bisher waren sie aufgrund ihrer niedrigen Konzentration und der winzigen Größe der Moleküle aber nur schwer nachzuweisen. Außerdem können sie durch konventionelle Klärtechniken nicht aus dem Wasser gefiltert werden.
Richtwert der Europäischen Kommission wird erreicht
Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun jedoch ein innovatives Filtrationssystem entwickelt, das eine Polymermembran mit aktiviertem Kohlenstoff kombiniert. In diesem System werden besonders kleine Kohlenstoffpartikel eingesetzt, so dass der von der Europäischen Kommission für Trinkwasser vorgeschlagene Richtwert von einem Nanogramm Östradiol (dem physiologisch wirksamsten Östrogen) pro Liter erreicht werden kann.
Das von der KIT-Forscherin für Verfahrenstechnik, Professorin Andrea Iris Schäfer, Leiterin des Institute for Advanced Membrane Technology (IAMT) und ihrem Team entwickelte innovative Verfahren zur schnellen und energieeffizienten Eliminierung von Steroidhormonen aus dem Abwasser verbindet eine Polymermembran mit aktiviertem Kohlenstoff. „Zunächst wird das Wasser durch die semipermeable Membran gepresst. Diese filtert größere Verunreinigungen und Mikroorganismen heraus“, erklärt Schäfer. „Dann fließt das Wasser durch die dahinter liegende Schicht aus Kohlenstoffpartikeln, welche die Hormonmoleküle binden.“
Zum Thema: New method enables separation of microplastics from wastewater
Forscher des IAMT haben dieses Verfahren jetzt gemeinsam mit dem Filterhersteller Blücher GmbH in Erkrath weiterentwickelt und verbessert. Unterstützt wurden sie von Wissenschaftlern des Instituts für Funktionelle Grenzfläche (IFG), des Instituts für Angewandte Materialien (IAM) und der Karlsruhe Nano Micro Facility (KNMF) des KIT. „Unsere Technologie ermöglicht es nun, den von der Europäischen Kommission für Trinkwasser vorgeschlagenen Richtwert von einem Nanogramm Östradiol pro Liter zu erreichen“, berichtet Schäfer.
Partikelgröße und Sauerstoffgehalt entscheidend
Die Forscher untersuchten dabei die Vorgänge an der Aktivkohleschicht genauer und setzten auch Kohlenstoffpartikel (polymer-based spherical activated carbon – PBSAC) ein. „Auf den Durchmesser der Kohlenstoffpartikel kommt es an“, erläutert Matteo Tagliavini vom IAMT, Erstautor der aktuellen Publikation, die in der Zeitschrift Water Research veröffentlicht wurde. „Je kleiner der Partikeldurchmesser, desto größer die äußere Oberfläche der Aktivkohleschicht, die für die Adsorption der Hormonmoleküle verfügbar ist.“
Die Forscher verkleinerten den Partikeldurchmesser in einer zwei Millimeter dicken Aktivkohleschicht von 640 auf 80 Mikrometer, wodurch sie 96 Prozent des im Wasser enthaltenen Östradiols entfernen konnten. Der nächste Schritt, die Adsorptionskinetik noch weiter zu verbessern und mehr als 99 Prozent des Östradiols zu entfernen, sei gelungen, indem sie den Sauerstoffgehalt in der Aktivkohle erhöht hätten, erklären die Wissenschaftler. „Das Verfahren erlaubt einen hohen Wasserdurchfluss bei niedrigem Druck, arbeitet energieeffizient, filtert viele Moleküle heraus, erzeugt keine schädlichen Beiprodukte und lässt sich flexibel in Vorrichtungen verschiedener Größe einsetzen – vom heimischen Wasserhahn bis hin zu Industrieanlagen“, so Schäfer.
Originalpublikation: Matteo Tagliavini, Peter Georg Weidler, Christian Njel, Julia Pohl; Dennis Richter, Bertram Böhringer, Andrea Iris Schäfer: Polymer-based spherical activated carbon – ultrafiltration (UF-PBSAC) for the adsorption of steroid hormones from water: material characteristics and process configuration. Water Research, 2020.
Abstract unter https://doi.org/10.1016/j.watres.2020.116249
Titelbild: Forscherinnen und Forscher des KIT haben ein Filtrationssystem mit kleinsten Kohlenstoffpartikeln entwickelt, das Hormone aus Trinkwasser entfernen kann. (Foto: Sandra Göttisheim, KIT)