Energie, die aus Wasserkraft gewonnen wird, gilt als erneuerbare und somit umweltfreundliche Energie – und gewinnt auch immer mehr an Bedeutung. In Europa werden aktuell jährlich knapp 650 TWh Energie durch Wasserkraft erzeugt, und dabei ist diese Art, Strom zu erzeugen, gar nicht so nachhaltig, wie angenommen. Man denke nur an Dämme, die Überschwemmungen auslösen können oder Kraftwerke, die Fischpopulationen bedrohen. Der ökologische Fußabdruck, den Wasserkraft hinterlässt, muss auf Dauer kleiner werden.
Deshalb haben Wissenschaftler aus zehn europäischen Ländern im Rahmen des EU-finanzierten Projekts FIThydro von November 2016 bis April 2021 erforscht, wie man negativen Auswirkungen von Wasserkraftwerken auf die Umwelt auf kostengünstige Weise verringern kann. “Unser Leitgedanke ist, dass umweltfreundliche und nachhaltige Wasserkraft die Entwicklung gesunder Flüsse und sich selbst erhaltender Fischpopulationen unterstützen sowie gleichzeitig andere erneuerbare Energiequellen ergänzen und ausgleichen kann“, sagt Hany Abo El Wafa, Forscher an der Technischen Universität München und Projektleiter von FIThydro.
Mehr als 20 Lösungen
Alleine, um Wasserkraftwerke nachhaltig und fischfreundlich zu machen, entwickelte das Forschungsteam im Laufe des Projekts mehr als 20 Lösungen, Methoden, Instrumente und Geräte. Eine dieser Lösungen ist ein einzigartiges System, mit dem sich Fische sicher durch die Turbine eines Wasserkraftwerks leiten lassen können. Eine weitere ist ein optisches 3D- und Ultraschallgerät zur Fischortung, eine dritte ist ein System, um das Fischsterblichkeitsrisiko vorherzusagen. Darüber hinaus entwickelten die Wissenschaftler verschiedene Methoden, “die zur Entscheidungsfindung in Bezug auf Wasserkraftwerke beitragen und letztlich die Öffentlichkeit für die Wasserkraft sensibilisieren sollen”.
Jedoch konzentrierten sich die Forscher nicht nur auf die Entwicklung kostengünstiger Eindämmungsstrategien, sie untersuchten auch, wie Fische auf Wasserkraftwerke reagieren und wie sie sich in der Umgebung der Kraftwerke verhalten. “Damit tragen wir dazu bei, dass auch künftige Generationen unsere Gewässer in einem ‚guten Zustand‘ vorfinden“, so Abo El Wafa.
Verbesserung bestehender Wasserkraftwerke
Das Wasserkraftpotenzial ist in Europa bereits jetzt zum großen Teil ausgeschöpft. Daher stellten die Forscher Strategien bezüglich des weiteren Ausbaus als oberstes Ziel die Verbesserung der bestehenden Wasserkraftwerke in den Mittelpunkt. “Das bedeutet, dass alle europäischen Länder Maßnahmen ergreifen müssen, um ihre Wasserkraftwerke besser mit den Nachhaltigkeitszielen der EU in Einklang zu bringen und sicherzustellen, dass sie umweltfreundlich, sozialverträglich und wirtschaftlich tragfähig sind“, so Abo El Wafa.
Vor diesem Hintergrund habe das Projektteam Testfallstudien an Wasserkraftwerken in verschiedenen topografischen Gebieten in ganz Europa definiert, erklärt Abo El Wafa. “Diese Fallstudien konzentrierten sich auf die fünf Hauptbereiche hinsichtlich der Auswirkungen von Wasserkraft: auf die Fischwanderung flussaufwärts und flussabwärts, den Durchfluss, den Lebensraum sowie die Sedimente. Jeder Fall untersuchte noch einen weiteren Kraftwerk-Anlagentyp sowie die einzigartigen Herausforderungen, denen sich die einzelnen Anlagen gegenübersehen.“
Öffentliche Wahrnehmung der Wasserkraft ändert sich
Die Ergebnisse dieser Testfallstudien können auf der Projektwebsite, über ein System zur Entscheidungsunterstützung sowie ein speziell eingerichtetes Wiki nachgelesen werden. Außerdem veröffentlichten die Wissenschaftler mehr als 70 Artikel, nahmen an über 30 Konferenzen und Seminaren teil und organisierten die Internationale Konferenz zu fischfreundlicher Wasserkraft.
Abo El Wafa betont, dass das Projekt FIThydro “nicht nur den Stand der Technik bei der fischfreundlichen Wasserkraft vorantreiben konnte, sondern auch zur Realisierbarkeit nachhaltiger Wasserkraftwerke beitragen”. Die Arbeit des Projektteams würde die Einschätzung und Bewältigung der Ökosystemprobleme erleichtern, die mit der Wasserkraftenergieerzeugung einhergehen, betont er. “Dadurch wird auch die öffentliche Wahrnehmung der Wasserkraft verändert, was wiederum die Akzeptanz neuer Projekte oder die Sanierung alter Projekte ermöglichen wird.“
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