Die COVID-19-Pandemie hat große Fortschritte auf dem Gebiet der Impfstoffe bewirkt. Aber auch die Entwicklung von Diagnose-Instrumenten zum Nachweis und zur Untersuchung von Infektionserregern wurde vorangetrieben. Man denke an Antigen- und PCR-Test, die zum Inbegriff von COVID-19 geworden sind. Von diesen Errungenschaften soll nun auch der point-of-care profitieren. Denn das Bewusstsein für die Bedeutung von Tests als Krankheitsvorbeugung sei gestiegen und günstige Tests könnten die Gesundheitsvorsorge revolutionieren“, sagt Dr. Georg Gramse aus der Abteilung Nanoelektronik am Institut für Biophysik an der Johannes Kepler Universität in Linz.
Er forscht im EU-Programm ATTRACT Phase 2 mit mehreren Partnern aus den Niederlanden und Japan an besseren Testmöglichkeiten für Viruserkrankungen. Viele Krankheiten werden durch Viren übertragen. Die Liste an Viruserkrankungen ist lang und enthält Erkältung und Grippe ebenso wie schwerwiegendere Krankheiten wie Hepatitis, Meningitis, Aids und Ebola.
Verbesserung der Gesundheitsvorsorge
Ziel des Projekts ist es, die Schnelligkeit des Antigen-Tests und die Präzision des PCR-Tests in einem System zu vereinen. Darüberhinaus soll das zu entwickelnde Testsystem in der Lage sein, mehr als nur einen Erreger zu detektieren – beziehungsweise auszuschließen. Denn ein breitbandiges Testen kann den Prozess der Diagnose beschleunigen. „Wenn die Symptome von Patienten ein unklares klinisches Bild ergeben, dann muss man nicht mehrere Tests sequenziell hintereinander durchgehen, sondern kann mit einem Test auf mehrere Viren gleichzeitig testen“, erklärt Gramse. Hierin liegt der entscheidende Vorteil für die Gesundheitsvorsorge.
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Idee ist es, den Test in der Ordination oder in der Klinik machen zu können, ohne die Probe ins Labor zu schicken. So dass es schneller geht und weniger Personal, Aufwand und Kosten involviert sind. Deshalb soll das Testsystem in einem lab-on-a-chip realisiert werden, welches alle Funktionen eines Labors auf einem nur plastikkartengroßen Kunststoffsubstrat unterbringt.
Messprinzip im Mikrowellenbereich
Naheliegend wäre es, den PCR-Test zu adaptieren. „Aber da dieser aus der Methode selbst nicht weiter zu beschleunigen ist, versuchen wir die Schnelligkeit von Antigen-Tests mit erhöhter Sensitivität zu kombinieren“, so Gramse. Er und seine Kollegen und Kolleginnen haben extrem hochauflösende elektrische Sensoren entwickelt, die bei unterschiedlichen Frequenzen bis zum Mikrowellenbereich arbeiten. Durch Kombination der Sensoren soll das Messresultat extrem präzise und ‚robust‘ werden. Die Grundlagen für den Mikrowellensensor haben sie schon 2021 publiziert. „Wir benutzen den Sensor in einem elektrochemischen Mikroskop, um zu erforschen, was mit den Ladungen auf Elektrodenoberflächen von zum Beispiel Batterien passiert“, erklärt der Forscher.
Universelles Prinzip
Das Prinzip ist universell und nicht nur auf der Oberfläche von Batterien anzuwenden, sondern auch auf anderen Oberflächen. Der Kernmechanismus besteht darin, bei hohen Frequenzen zu messen, wie sich die Ladungen ändern. Hohe Frequenzen deshalb, weil die Sensitivität mit steigender Frequenz größer wird. Diesen Mechanismus haben die Forscher bisher bei elektrochemischen Prozessen gezeigt, konnten aber auch schon vergrabene Atome in Halbleiterstrukturen ausmachen – wie diese bei einigen bestimmten Konzepten von Quantencomputer gebraucht werden. Die Atome befinden sich unter einer Siliziumschicht, wo sie Bausteine von Quantencomputern darstellen. Mit der Methode lassen sich selbst wenige hundert Atome ausmachen.
Krankheitserreger auf Einzelpartikelebene
Im Projekt ATTRACT Phase 2 sollen mit dem Sensormessprinzip Krankheitserreger auf Einzelpartikelebene nachgewiesen werden. Da das Prinzip in ein lab-on-a-chip integriert wird, muss auch ein neues Mikrofluidik-System entwickelt werden. In der Mikrofluidik geht es um das Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen auf kleinstem Raum. In kleinsten Größenordnungen können Effekte dominieren, die in der klassischen Strömungslehre oft vernachlässigt werden. Weiters muss eine spezielle Auswahl von Biomarkern entwickelt werden. Da durch den parallelen Einsatz von verschiedenen Biomarkern mehrere Viren gleichzeitig nachgewiesen beziehungsweise ausgeschlossen werden können.
Proben im Kontext von Viruserkrankungen sind meist Blut oder Körperflüssigkeiten. Analysierbar werden diese in Lösungen – und Viruspartikel haben die Eigenschaft in Lösungen an Oberflächen zu binden. Selbst wenn nur ein Viruspartikel vorhanden sei, könne das mit dem hochauflösenden Sensor ausgelesen werden, wenn alles klappt, so Gramse. Es bedürfe keines langwierigen Vervielfältigungsprozesses wie beim PCR-Test. Bei auf der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) basierenden Techniken werden viele Kopien des viralen Erbguts erstellt, um das Virus schnell und korrekt identifizieren zu können.
Koordination verschiedener Welten
Die Entwicklung des neuartigen Testsystems ist komplex und die Forscher stehen noch ganz am Anfang des Projekts, das mit 2 ¼ Jahren eine relativ kurze Laufzeit hat. Spannend und herausfordernd sei es verschiedene Welten zu koppeln: Mikrofluidik, Mikrowellentechnik und Biochemie. Wobei die Kopplung von Mikrofluidik und Biochemie schon im Vorfeld gelungen sei. Jetzt gehe es nur noch um die Integration der Mikrowellentechnik und die Koordination der verschiedenen Welten im neuen System, sagt Gramse.
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