Die Auswahl der Holzart bei einer Gitarre ist nicht nur eine Frage der Optik, sondern auch der Akustik. Lange Zeit galt Tropenholz, und zwar insbesondere das Edelholz Rio Palisander beziehungsweise aus Artenschutzgründen später auch indisches Palisander, als das Nonplusultra im Gitarrenbau. Diese Holzarten überzeugen durch ihren besonderen Ton.
So wurden Konzertgitarren oft aus einer Kombination von lang gelagerten, tropischen Holzarten wie westindische Zedrele für den Hals, ostindischer Palisander für Zarge und Boden sowie Ebenholz für das Griffbrett hergestellt. Doch seit Anfang 2017 gelten für den Handel mit bedrohten Hölzern aus den Tropen strengere Bestimmungen. Deshalb sind Musikinstrumentenbauer auf Alternativen angewiesen. Doch wie nur bekommt man die ausgezeichneten, klanglichen und optischen Eigenschaften der Tropenhölzer hin?
Thermische Behandlung
Daran tüftelten jetzt Ingenieure der TU Dresden in Kooperation mit der fränkischen Gitarrenmanufaktur Hanika. Für ihre Forschungsarbeiten setzten sie einheimische Hölzer wie Fichte, Ahorn und Kirsche einer eigens entwickelten, thermischen Behandlung aus. Und mittlerweile ist diese so ausgefeilt, dass das Forschungsteam davon überzeugt ist, mindestens die gleichen akustischen Eigenschaften wie Tropenholz bieten zu können. Dies zeigte sich unter anderem in einen akustischen Test des thermisch behandeltem Holzes (s. Aufmacherbild). Denn die Schwingungseigenschaften sind entscheidend für die Klangqualität. Zudem gab es einen Anzupftest der Gitarre (s. Bild unten), bei dem untersucht wird, wie lange es dauert, bis ein Ton hörbar ist und wie lange der Ton hörbar bleibt.
Wir haben es geschafft, dass europäische Hölzer nun auch hervorragende Klangeigenschaften besitzen und eine echte Alternative zum Tropenholz sind“, freut sich Dr. Mario Zauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik der TU Dresden.
Mit dem Behandlungsverfahren der TU Dresden werden einheimische Hölzer mit einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck für eine gewisse Zeit thermisch behandelt. So werden die notwendigen Alterungsprozesse des Holzes beschleunigt. Anschließend können die thermisch modifizierten, einheimischen Hölzer nach nur einem Jahr zu hochwertigen Musikinstrumenten weiterverarbeitet werden. So sind die Dresdner Holztechniker in der Lage, ein regionales Ersatzmaterial für artengeschütztes Tropenholz bereitzustellen. Ein weiterer Pluspunkt des bearbeiteten Holzes ist die schnelle Verfügbarkeit: Die bisher verwendeten Tropenhölzer müssen etwas sechs bis zehn Jahre gelagert und luftgetrocknet werden, bevor sie als sogenannte Tonhölzer für den Bau von Instrumenten geeignet sind.
Handwerksprojekt des Jahres
Mittlerweile produziert Hanika vier neue, vollständig tropenholzfreie Gitarrenmodelle (Basis-, Mittel-, Ober- und Meisterklasse) aus einheimischen Hölzern.
Dazu Zauer, der auch Projektleiter von „Konzertgitarre“ ist:
Für mich als Wissenschaftler ist es schön zu sehen, dass unser Holz-Behandlungsverfahren von Hanika in einer eigenen Gitarrenserie umgesetzt wird. Das zeigt, dass sich unsere mehrjährige Forschungsarbeit wirklich gelohnt hat.“
Die TU Dresden und Hanika sind, im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM), Partner in einem Kooperationsnetzwerk. Und das mit großem Erfolg: So erhielt die TU Dresden für das Projekt „Konzertgitarre“ vom BMWi in der Zeit von 2015 bis 2017 175.000 Euro Fördergelder. Und die Gitarrenmanufaktur wurde am 09. Mai 2019 auf dem Innovationstag Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) in Berlin mit dem „ZIM-Handwerksprojekt des Jahres“ ausgezeichnet.
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