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Warum wir über dieses Thema schreiben:

Roboter könnten sowohl in der Industrie als auch im öffentlichen Raum und in Privathaushalten entscheidende Probleme lösen: Sie könnten Tätigkeiten übernehmen, die für den menschlichen Bewegungsapparat beschwerlich oder erschöpfend sind. Sie könnten aber auch älteren Menschen und Personen mit Beeinträchtigungen assistieren und damit ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Mit einer reibungslosen Interaktion zwischen Mensch und Maschine würden Visionen wie diese real werden.


Bislang arbeiten Roboter fast ausschließlich in Fabrikhallen – und getrennt von Menschen. Ihr Arbeitsbereich ist eingezäunt, um Unfälle zu vermeiden, die im Aufeinandertreffen von automatisiertem Werkzeug und Mensch nicht auszuschließen sind. Wenn Roboter soziale Fähigkeiten hätten, dann wäre das anders, sagt ein interdisziplinäres Forscherteam im EU-Projekt ELSA, das eine gefahrlose Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ermöglichen will. 

Die Informatik stößt bei dieser Aufgabe an ihre Grenzen, weshalb auch psychologische Grundlagen gefragt sind. Konkret bezieht man sich in dem Projekt auf die Erkenntnisse des US-amerikanischen Psychologen James Gibson, der sich in den 1960-er Jahren mit Handlungsmöglichkeiten beschäftigt hat. Dabei prägte er den Begriff Affordanzen und wies darauf hin, dass ein Tennisball Hunden andere Handlungsmöglichkeiten bietet als Ameisen oder einem Menschen. 

Am Projekt ELSA (Effective Learning of Social Affordances for Human-Robot Interaction) forschen Teams von drei Universitäten aus Österreich und Frankreich. In Österreich ist es eine Gruppe aus Informatikern und Psychologen vom Digital Science Center (DiSC) der Universität Innsbruck, die mitarbeitet. Der Informatiker und Leiter des DiSC, Univ.-Professor Justus Piater, spricht im Interview mit Innovation Origins über die Herausforderungen und Ziele des Projekts: 

In welchen Situationen müssen Roboter soziale Fähigkeiten haben?

In Zukunft werden Roboter vermehrt mit Menschen zusammenarbeiten und sich in menschlichen Umgebungen nützlich machen, wie etwa in Krankenhäusern, Bahnhöfen, Museen, Geschäften, oder sogar in Privathaushalten. In einem solchem Umfeld es ist wichtig, dass Roboter ein grundlegendes Verständnis für Menschen haben. Ein Verständnis, das mehrere Ebenen hat, wie etwa Bewegungen, Handlungen und Sprache. Wir konzentrieren uns in unserer Forschung auf die Ebene der Handlungen, und konkret auf die Interaktion zwischen Roboter und Mensch. Um eine Handlung korrekt zu interpretieren, muss ein Roboter wissen, welche Eigenschaften der Mensch hat, der sie ausführt. Dazu gehören zum Beispiel die Fähigkeiten und Absichten einer Person. Dies ermöglicht dem Roboter, in Zusammenarbeit mit dem Menschen die gemeinsamen Aktionsmöglichkeiten zu erweitern. Fragen, die sich stellen, sind, welche Aktionsmöglichkeiten (affordances), bietet der Mensch dem Roboter, die ihm helfen könnten, seine Aufgaben zu erfüllen – wie etwa ein Paket zu schnüren. Weiters: Was kann der Roboter tun, um dem Menschen zu helfen, dessen Aufgaben zu erfüllen, wie zum Beispiel ein schweres Paket zu bewegen?

An welchen technische Status Quo können Sie anknüpfen? 

Der Begriff Affordance wurde schon vor über 20 Jahren von Robotik-Wissenschaftlern aufgegriffen. Es geht dabei um eine Aktionsmöglichkeit, die ein Objekt einem Agenten anbietet. Bisher wurde dieser Begriff jedoch fast ausschließlich auf Objekte bezogen. Im Projekt ELSA erweitern wir ihn um eine soziale Dimension, das heißt, um die Aktionsmöglichkeiten, die einem Agenten durch andere Agenten angeboten werden.
Im Bereich der Algorithmen bauen wir auf eine Reihe von Lernalgorithmen auf, die in der Robotik entwickelt wurden. Zu unseren Hauptwerkzeugen zählen Reinforcement-Learning Algorithmen, das sind Algorithmen, die durch Ausprobieren und Feedback lernen. Solche Algorithmen kommen aber auch in der kognitiv-psychologischen Forschung vermehrt zum Einsatz. Hier wird versucht, Algorithmen so zu adaptieren (parametrisieren), dass das tatsächliche Lernverhalten des Menschen nachgebildet werden kann.

Was bewirken soziale Fähigkeiten bei Robotern?

Das Ziel ist es, Robotern zu ermöglichen, Menschen in ihre Aktionen einzubeziehen, um ihre Aufgaben zu erledigen – und das womöglich effektiver. Ein Mittel ist die direkte Nutzung sozialer Affordanzen. Beispielsweise kann sich ein kleiner Roboter einen Gegenstand, der für ihn unerreichbar hoch im Regal liegt, von einem großen Menschen reichen lassen. Die beiden wichtigen Aspekte sind die Erkenntnis, welche Menschen dem Roboter welche Affordanzen anbieten, und das effektive
Auslösen solcher Hilfen beispielsweise durch Zeigen und Bitten – buchstäblich das Lernen entsprechender Sozialkompetenz.
Ein zweites Mittel liegt darin, den Erwerb eigener Kompetenzen durch das Beobachten kompetenter Menschen zu beschleunigen. Wenn ein Roboter sich bei einem Menschen abschauen will, wie etwas geht, ist es wichtig, zu verstehen, was dieser Mensch kann und was nicht. Es kann sein, dass einem Menschen eine Handlung nicht gut gelingt, weil sie allgemein sehr schwierig ist, wie zum Beispiel einen Golfball mit nur einem einzigen Schlag über ein weites Feld ins Ziel zu bringen. Es kann aber auch sein, dass einem Menschen eine Handlung nicht gelingt, weil er nicht über die nötige Kompetenz verfügt, wie zum Beispiel mit drei Bällen zu jonglieren – manche Menschen können es, andere nicht. Diese Beispiele zeigen, dass ein Roboter im Idealfall verschiedene Menschen bei einer Handlung beobachten sollte, um daraus den Schluss zu ziehen: Was macht die eigentliche Handlung aus, und was ist der Faktor Mensch? Das zu erkennen ist eine einfache, aber grundlegend notwendige soziale Fähigkeit.

Worin liegt die größte Herausforderung?

Während Objekt-Affordanzen meist aus den direkt beobachtbaren physikalischen Eigenschaften des Objekts hervorgehen, bringen soziale Affordanzen den Menschen ins Spiel, mit allen seinen Unwägbarkeiten und Subtilitäten. Daher ist es ungleich schwieriger, den Umgang mit sozialen
Affordanzen zu erlernen als den Umgang mit Objekt-Affordanzen. Eine soziale Affordanz hängt beispielsweise nicht nur etwa von der Größe eines Menschen ab, sondern auch von seinen Möglichkeiten. So könnte sich die Frage stellen, ob er im Besitz des passenden Schlüssels ist. Ein weiterer relevanter Faktor sind die sozialen Zusammenhänge. So könnte sich die Frage stellen, ob er der Besitzer des gewünschten Objekts ist, oder ob es möglicherweise eine dritte Person ist.

Was wäre geschafft, wenn diese Herausforderung bewältigt ist?

Das Forschungsziel ist erreicht, wenn Roboter mit Menschen genauso flüssig und effektiv interagieren, wie sie es jetzt mit unbelebten Objekten tun. Wobei der Grad der Flüssigkeit und Effektivität derzeit noch reichlich Luft nach oben lässt. 
Dieses Ziel liegt in weiter Ferne und können wir im Rahmen des ELSA-Projekts nicht erreichen. Vielmehr wird es notwendig sein, Schritt für Schritt ein tragendes Fundament für dieses Ziel zu errichten. Unsere Forschung stattet Roboter mit einem erweiterten Verständnis von Handlungen aus, welches Mensch/Roboter-Interaktionen flüssiger machen und ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten bieten soll.

In welchem Kontext könnten Roboter, die soziale Fähigkeiten haben, dann angewendet werden?

Roboter, die soziale Fähigkeiten haben, wie wir sie im ELSA-Projekt anstreben, werden in den verschiedensten Bereichen Einsatz finden. In der produzierenden Industrie werden sie für eine Flexibilisierung sorgen, die auch eine bislang unwirtschaftliche Art der Fertigung in Hochlohnländern wie Österreich ermöglicht. Beispiele dafür sind Kleinserien und Einzelstücke sowie nicht vollständig automatisierbare Herstellungsprozesse. Aber sozial agierende Roboter zahlen sich überall aus, wo sie Menschen helfen können, also auch in der Pflege, im betreuten Wohnen, als Service- und Informationsroboter in Krankenhäusern, Museen, Bahnhöfen, Flughäfen oder im Handel.