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Warum wir über dieses Thema schreiben:

Die nicht-invasive physikalische Phototherapie bietet eine Alternative zu Antibiotika. Sie ist relativ leicht anzuwenden und hat keine Nebenwirkungen. Als solches könnte diese auch chronische Wunden besser und rascher als gängige Behandlungen zum Heilen bringen.

Chronische Wunden treten ein, wenn Verletzungen nicht innerhalb von drei Monaten abheilen und im Wundheilungsprozess feststecken. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Die Diplom Ingenieurin Dr. Lisa Hacobian konzentrierte sich in ihrer Studie auf zwei häufige Faktoren: Sauerstoffunterversorgung, wie sie oft bei Gefäß- oder Stoffwechselerkrankungen auftreten – und Infektionen. Forschungsziel war es, neuartige therapeutische Konzepte zur Verbesserung der Wundheilung zu untersuchen.

Chronische Wunden

Chronische Wunden sind ein Thema, das sehr komplex ist und die individuelle Wundsituation übersteigt oft das Potenzial herkömmlicher Behandlungsansätze. Denn infizierte Wunden können von verschiedenen Stämmen von Mikroorganismen besiedelt sein. Diese Stämme können sich auch gegenseitig beeinflussen und eine Vielzahl von Abwehrmechanismen entwickeln. „Bei Infektionen war lange Zeit die Antibiotika-Behandlung eine nahezu perfekte Therapie-Option. Allerdings drohen zunehmende Antibiotikaresistenzen diese tolle Errungenschaft zunichte zu machen“, erklärt Hacobian und weiter: „Bereits jetzt sterben jährlich hunderttausende Menschen weltweit an Infektionen, gegen die Antibiotika nicht mehr helfen. Sollten wir das Problem nicht in den Griff bekommen, könnten laut Schätzungen der WHO 2050 bereits 10 Millionen Menschen pro Jahr betroffen sein.“

Antibiotikaresistenzen

Darüber hinaus können auch verschiedene Grunderkrankungen, die sich auf das Immunsystem und das Gefäßsystem auswirken, die Therapie zusätzlich erschweren. Die Forschung nähert sich dieser Komplexität im Bereich chronische Wunden zunehmend an und kann auch schon erste Erfolge verzeichnen. Allerdings arbeite man aufgrund der wachsenden Antibiotikaresistenzen gegen die Zeit. Eine weltweit gute Zusammenarbeit und verschiedene Forschungsansätze werden notwendig sein, um möglichst rasch gute Behandlungsalternativen zu entwickeln, die bereit stehen, wenn der goldene Standard der Antibiotikatherapie nicht mehr wirken sollte, so die junge Forscherin.

Nicht-invasive physikalische Therapie

Mit den Behandlungsalternativen, die Hacobian in ihrer Dissertation beforschte, knüpfte sie an ihr Praktikum am Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie an, das sie in ihrem Bachelorstudium absolvierte. Damals lernte sie nicht-invasive physikalische Therapieansätze kennen – und insbesondere die Phototherapie. Die Vorstellung, chronische Wunden auf nicht-invasive Art zu therapieren und damit deutliche Verbesserungen für Patienten zu erzielen, begeisterte sie. Ihre Dissertation war die Gelegenheit, sich in den weltweiten Forschungskanon einzubringen.

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Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3097611

Funktion der Phototherapie

Die Phototherapie basiert auf der Anwendung von Licht einer bestimmten Wellenlänge (Lichtfarbe) und wird traditionell in zwei verschiedenen Varianten angewendet: der Photobiomodulation (PBM) und der antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPDT). Beide Therapien werden bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert eingesetzt und zeigten schon damals gute Behandlungserfolge. Niels Finsen erhielt für die Behandlung von Lupus vulgaris (Hauttuberkulose) mit blauem und rotem Licht schon 1903 den Nobelpreis

Aktuell wird die photodynamische Therapie beispielsweise erfolgreich im Bereich der Onkologie eingesetzt. Wirksamkeit kann bei Bronchial-, Ösophagus- und Blasenkarzinom sowie bei einer Reihe von Hauttumoren erzielt werden. Die antimikrobielle photodynamische Therapie wird unter anderem erfolgreich in der Zahnmedizin zur Behandlung von Parodontitis angewendet. „Da bei Infektionen lange Zeit die Antibiotika-Behandlung eine nahezu perfekte Therapie-Option war, gab es bisweilen kaum Bedarf an Alternativen und die Anwendung der photodynamischen Therapie zur Behandlung von Infektionen steckt hier daher vergleichsweise noch in den Kinderschuhen“, so die Forscherin.

Lichtfarbe und photoaktive Substanzen

Bei der Photobiomodulation werden Zellen und Gewebe mit Lichtfarbe bestrahlt. 

Bei der antimikrobiellen photodynamischen Therapie werden photoaktive Substanzen mit Lichtfarbe bestrahlt, um eine antimikrobielle Kettenreaktion zu aktivieren – und Infektionen zu bekämpfen. 

Kombiniert verbinden die beiden Therapien zwei positive Aspekte: Sie können die Wundheilung stimulieren und die Keimbelastung reduzieren. Zusätzlich greifen sie an einer Vielzahl von Komponenten der Mikroorganismen an. Das unterscheidet sie von Antibiotika, die meist auf dem sehr spezifischen Schlüssel-Schloss-Prinzip basieren. Bei jenem hindert der Wirkstoff durch das passgenaue Binden an einer bestimmten Stelle im Bakterium das Wachstum oder tötet das Bakterium sogar. 

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Graphik Created with BioRender.com (c) Lisa Hacobian

Foto: Graphik aus dem Papier Antimicrobial photodynamic therapy fighting polymicrobial infections – a journey from in vitro to in vivo von Hacobian, L. et al.

Behandlungsalternativen für chronische Wunden

In ihrer Dissertation untersuchte Hacobian die Phototherapie als alternative Behandlungsoption gegen Wundinfektionen und zur Verbesserung der Wundheilung – und verfolgte drei Forschungsansätze:

Sie untersuchte die Auswirkungen der Photobiomodulation auf Zelltypen, die wundheilungsrelevant sind. Dabei ahmte sie bestimmte Aspekte der gestörten Wundheilung durch die Sauerstoffunterversorgung und die anschließende Wiederzuführung von Sauerstoff nach.

Um alternative Therapieansätze, wie eben auch die antimikrobielle, photodynamische Therapie, zu erproben, entwickelte sie ein realitätsnahes Infektionswundmodell in immungeschwächten Mäusen. 

Die bakterizide Wirkung der antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPDT) erforschte sie in Suspensionskultur und in wundrelevanten Versuchsmodellen. Unter Suspensionskultur versteht man in einem Flüssigmedium schwimmende Bakterien. Anschließend testete sie aPDT als potenzielle Behandlungsmethode für chronische Wunden im Mausmodell. Dabei wurden die Mäuse mit einer polymikrobiellen Stuhlsuspension unter immungeschwächten Bedingungen infiziert.

In ihrer Arbeit konnte die Forscherin nicht nur den positiven Effekt der Photobiomodulation auf für die Wundheilung wichtige Zellarten zeigen, sondern auch das große Potenzial der antimikrobiellen photodynamischen Therapie. Letzterer zeigte sich in einer deutlich verbesserten und schnelleren Wundheilung der infizierten Mauswunden. 

Mögliche Anwendungen der Phototherapie

Da es sich bei der photodynamischen Therapie um eine minimalinvasive Methode handelt, ist die Hürde zur tatsächlichen Anwendung geringer als in anderen Bereichen. Allerdings sind noch eine Reihe an Forschungsfragen offen: So gilt es zu erforschen, welche Parameter für welche Wunde und für welchen Mikroorganismus geeignet sind und wie sich diese in bestimmten Situationen verändern. Zum Beispiel wenn unterschiedliche Keime zusammenkommen, Biofilme auftreten, Resistenzen auftreten und unterschiedliche Grunderkrankungen vorliegen. Zu den noch zu untersuchenden Parametern zählen etwa Lichtquelle, Wellenlänge, Intensität, photoaktive Substanz, Inkubationszeit, Modus und Zeit der Bestrahlung sowie Wiederholungen, et cetera. „Hier werden vor allem entsprechende klinische Studien noch einen großen Beitrag leisten und die Therapie Schritt für Schritt voranbringen“, erklärt Hacobian.

Phototherapie per se ist relativ einfach in der Anwendung und könnte daher auch im häuslichen Umfeld gut angewendet werden. Dies kommt der aktuellen Entwicklung entgegen, Patienten mehr Eigenverantwortung zu übertragen, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Auch die photodynamische Therapie hat viel Potential, was die Selbstapplikation betrifft. Für eine möglichst einfache Applikation von photoaktiven Substanzen gibt es schon Ansätze. Zum Beispiel wird bei der Behandlung von Hautkrebs eine photoaktive Creme verwendet, die vor der Bestrahlung auf die entsprechenden Hautstellen aufgetragen wird.

Foto: Promovierte mit Auszeichnung für ihre Dissertation über chronische Wunden und nicht-invasive Therapie: Lisa Hacobian mit dem Vizerektor der Technischen Universität Wien, Kurt Matyas