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… man macht es ausländischen Fachkräften auch nicht immer leicht. In München leben Menschen aus knapp 180 Ländern, prozentual gesehen beträgt der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung aktuell etwa 28%, mehr als in Berlin oder anderen deutschen Großstädten. Laut dem Referat für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München stammen von diesen ausländischen Bürgern knapp 6.600 aus Indien. Viele dieser Inder sind seit 2012 dank der “blauen Karte EU” für hochqualifizierte Arbeitnehmer in die bayerische Landeshauptstadt gekommen.

Nachdem das Thema Fachkräftemangel, insbesondere in den sogenannten Mint-Berufen wie Informatik, Mathematik oder Elektrotechnik seit vielen Jahren diskutiert wird, hat Deutschland zum 1. August 2012 das sogenannte “Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union” eingeführt. Auf diese Weise wollte man es ausländischen Arbeitnehmern einfacher – und schmackhaft – machen, nach Deutschland zu kommen.

Das ist eine Zeitlang auch gelungen, gleichzeitig stellte man sich dank deutscher Bürokratie aber selbst ein Bein und versalzte vielen so heiß umworbenen Fachleuten die Suppe. So hat sich in den vergangenen Jahren ein Trend herauskristallisiert, dass immer mehr sogenannte Expats wieder den Weg zurück nach Hause oder in andere Länder suchen.

Sanjay També ist ein solcher IT-Fachmann aus Indien. Er ließ sich nach einem Elektrotechnik-Studium in Bangalore und einem Umzug in die USA in den Neunzigerjahren nach München locken und hängte hier ein Aufbaustudium Wirtschaftsinformatik an. Mittlerweile ist També seit zwanzig Jahren in Deutschland, versteht aber, dass viele seiner Landsleute wieder zurück nach Indien gehen oder ihr Glück in woanders versuchen.

Die Behörden würden es Menschen, die man ins Land holen will, weil man sie braucht, nicht einfach machen, sagt També. “Ich bekomme als IT-Fachman zwar das Visum, mein Studium wird anerkannt, aber meine Frau musste als Ärztin ihr komplettes Medizinstudium wiederholen. Es wurde noch nicht einmal die Vorprüfung anerkannt. Das ist nicht leicht für jemand, der in Indien bereits praktiziert hat.”

Also musste Sujata També zwei Staatsexamina nachholen und hätte anschließend auch noch ein Jahr Praktikum machen müssen, um ihre Zulassung zu bekommen. Sie verlegte sich daraufhin kurzerhand auf Naturheilkunde. Viele andere Frauen seien durch derartige Hindernisse dazu verdammt, in Deutschland nur Hausfrau zu sein, ohne ihre eigene berufliche Karriere weiterzuverfolgen, was auf Dauer natürlich zu Spannungen in der Familie führe. sagt També. “Daran hat man keinen Gedanken verschwendet.”

IT-Leute seien zwar immer noch umworben, aber “wenn die Frau zum Beispiel ein Studium in Indien abgeschlossen hat wie Medizin oder Architektur, dann hat sie eben Pech, denn das wird hier nicht gebraucht. Darum gibt es dann auch eine ganze Latte an Gründen, wieso das nicht als gleichwertig anerkannt wird.” Es stellt sich nun die Frage, wieso ein IT-Studium in Indien gut genug ist, um in Deutschland anerkannt zu werden, ein Medizin- oder Architekturstudium aber nicht.

Genau diese familiären Probleme seien auch einer der Hauptgründe, wieso immer mehr Fachkräfte Deutschland wieder verlassen würden. “Ich kenne viele indische IT- oder auch andere Fachleute und viele wandern nach einigen Jahren wieder woanders hin, nach Amerika, England oder zurück nach Indien, wo das anders ist. Sie gehen dann eben dahin, wo sich auch ihre Frau und ihre Familie wohlfühlen und es auch passende Schulen gibt. Das ist für viele Leute ein ausschlaggebender Faktor.”

També würde seinen Landsleuten jetzt auch “auf keinen Fall” raten, als IT-Fachleute nach Deutschland zu kommen. “Mittlerweile gibt es auch in Indien sehr gute Möglichkeiten und auch dank des Internets hat man da jetzt genauso gute oder sogar bessere Möglichkeiten als hier. Die Chancen sind dort genauso gewachsen, auch sehr interessante Chancen. Es gibt interessante Firmen und Projekte und es ist ein Wachstum zu sehen.”

Schlechte Nachrichten für Deutschland. Was müsste das Land also tun, um die Menschen anzuziehen und hierzubehalten, die die Firmen brauchen, um auf Dauer zu funktionieren und konkurrenzfähig zu bleiben? In erster Linie auch die Familien der Menschen berücksichtigen, die man anwirbt, findet També. “Nicht nur einen Teil der Berufe anerkennen und andere nicht, und den Menschen ein Mitsprachrecht zu geben. Sie befragen, was sie hier anders gestalten würden. Wenn man ihnen die Möglichkeit gäbe, es sagen zu können, es ihnen ermöglichen würde, einen Beitrag zu leisten, dann bekäme man ein sehr großes Feedback.”

També fühlt sich in München immer noch sehr wohl, schließt aber auch die Möglichkeit nicht aus, vielleicht in Zukunft aus beruflichen Gründen nach Indien zurückzugehen.