Nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums erkranken in Deutschland jährlich rund 400.000 bis 600.000 Menschen an Infektionen, die sie im Krankenhaus eingefangen haben. 10.000 bis 15.000 Menschen sterben daran. In Europa liegt diese Zahl bei mehr als 30.000. Das Problem entsteht durch den zunehmenden Einsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier. So entstehen Krankheitserreger, gegen die herkömmliche Antibiotika wirkungslos sind.
Die Folge ist, dass immer wieder neue Arzneimittel zur Bekämpfung dieser Erreger entwickelt werden. Eine Möglichkeit zur Entwicklung dieser Medikamente könnten sogenannte Cyanobakterien darstellen. Sie kommen als Blaualgen sowohl im Wasser als auch an Land vor und könnten zur Herstellung von Medikamenten genutzt werden, da sie sowohl antifungale als auch antivirale und antibakterielle Stoffe produzieren.
Photosynthese als Grundstein
Eine besondere Herausforderung besteht laut Aussagen von Wissenschaftlern bei der Arbeit mit den Bakterien in ihrer Handhabung. Dank der neuen Methode, die an der Technischen Hochschule (TH) Bingen entwickelt wurde, kann die Vitalität dieser Cyanobakterien nun schneller bestimmt werden. Das sei in der biotechnischen Arbeit mit Bakterien von großer Bedeutung, beispielsweise um den Zellzustand nach dem Auftauen tiefkühlkonservierter Kulturen zu überprüfen.
„Um die Vitalität der Bakterien zu bestimmen, messen wir, wie viel Sauerstoff sie in einer bestimmten Zeit produzieren“, sagt Marco Witthohn. Er hat als Mitglied des Projektteams gerade eine Veröffentlichung zu der neuen Entdeckung in der Fachpublikation Engineering in Life Sciences publiziert. „Diesen Wert vergleichen wir dann mit der Leistung frisch kultivierter Cyanobakterien.“
Bisher wurde die Vitalität von Zellkulturen anhand ihres Wachstums gemessen. Dadurch war die Messung bei Cyanobakterien besonders aufwändig, da diese extrem langsam wachsen. Die neue Methode nutzt die Eigenschaft der Cyanobakterien, Photosynthese zu betreiben und dabei mithilfe von Licht unter anderem Sauerstoff erzeugen.
Bisherige Fortschritte zufreidenstellend
Die Entwicklung der Methode ist Teil des Forschungsprojekts „Antimikrobielle Wirkstoffe“ unter der Leitung von Prof. Dr. Kai Muffler. Ziel des Projekts ist es, „die Produktion antimikrobieller Wirkstoffe durch an Land lebende Cyanobakterien zu optimieren“. Projektleiter Muffler ist mit den bisherigen Fortschritten sehr zufrieden: „Mit der neuen Methode verkürzen wir die Vitalitätsbestimmung von mehreren Tagen auf weniger als eine halbe Stunde. Das ist ein großer Wurf.“
Das Pojekt der TH Bingen ist Teil des Forschungsclusters iProcess, bei dem die Wissenschaftler in Bingen mit der Technischen Universität Kaiserslautern und der Hochschule Trier zusammenarbeiten, um neue verfahrenstechnische Prozesse für die Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe zu entwickeln.
Titelbild: Cyanobakterien produzieren antibiotische Wirkstoffe. © TH Bingen / Christine Böser