2017 erschien eine Studie zur Albedo in Skigebieten. Die Forschenden kamen darin zu dem Schluss, dass die künstliche Beschneiung der globalen Erderwärmung entgegenwirken könne. Das Ergebnis rief Kritik und große Diskussionen hervor. Forschende an der Universität für Bodenkultur in Wien wiederholten die Studie mit einem komplexeren Rechenmodell und kamen zu einem anderen Ergebnis: Künstliche Beschneiung kühlt den Boden weit weniger als angenommen.
Der Albedo-Effekt bezeichnet die globale Erderwärmung, die durch die Gletscherschmelze eintritt. Das Gletschereis reflektiert einen Großteil der Sonnenstrahlung auf die Erde. Dadurch wird der Planet kühl gehalten. Je mehr Eis jedoch schmilzt, desto mehr Strahlung wird absorbiert. Das führt zu einer kontinuierlich steigenden Erwärmung des Planeten.
Dieser Effekt ist auch bei der künstlichen Beschneiung gegeben, die eine durchgängige Schneedecke bis März ermöglicht. Das ist länger als dies bei natürlichem Schnee der Fall wäre und führt deshalb zu einer Erhöhung der Rückstrahlung des Sonnenlichtes – der Albedo. In Folge wird weniger Sonnenenergie am Boden in Wärme umgewandelt und es kommt zu einer lokalen Abkühlung.
Der kühlende Effekt der Albedo ist zweifellos gegeben, erklärt Assoc. Prof. Dr. Herbert Formayer vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien. Allerdings nicht in dem Ausmaß, wie dies die umstrittene Studie annehmen ließ. Formayer leitete die aktuelle Überprüfung der Theorie, die im Rahmen des Forschungsprogramms StartClim erfolgte. Die Ergebnisse sollen eine wissenschaftlich korrekte Diskussion über die künstliche Beschneiung ermöglichen. Vor allem aber fließen sie in die Österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel ein, in der auch konkrete Handlungsempfehlungen gegeben werden.
Herbert Formayer im Interview:
Der Tourismussektor verursacht rund 5 Prozent der globalen Treibhausgase, 4 Prozent davon sind auf das touristische Verkehrsaufkommen zurückzuführen und knapp 1 Prozent auf die Unterbringung und auf andere Tourismusaktivitäten (Quelle: UNWTO 2011). Das klingt so, als wären die Emissionen aus der künstlichen Beschneiung sehr gering?
Das ist richtig, die künstliche Beschneiung hat nicht den größten Anteil an den CO2-Emissionen in Skigebieten. Der Kernfaktor ist die Anreise. Wenn die Urlauber mit dem Zug anreisen, statt mit dem Auto oder dem Flieger, ist schon das Wichtigste geleistet. Die CO2-Emissionen vor Ort machen nur ungefähr ein Fünftel der gesamten CO2-Emissionen im Skitourismus aus.
Das Problem an der künstlichen Beschneiung ist, dass sie sehr energie-intensiv ist. Man kann nicht genau beantworten, wie hoch der Emissionsausstoß von einem Kubikmeter Schnee ist. Entscheidend ist, woher das Wasser kommt. Wenn das Wasser vom Speicherteich oben am Berg kommt, dann ist das weniger energie-intensiv, als wenn Wasser vom Tal hinaufgepumpt wird.
Teilweise werden Speicherseen ventiliert, damit eine gleichmäßige Temperatur herrscht. Dann wird das Wasser mithilfe von Druckluft hinausgesprüht, um eine feine Verteilung zu gewährleisten und die Verdunstungskühlung gegeben ist, die annähernd natürliche Schneeflocken entstehen lässt.
Was auch relevant ist: Die künstliche Beschneiung beansprucht massive Investitionen in die Infrastruktur eines Skigebiets. Es sind bis zu einem Viertel der Gesamtinvestitionen von 600 Mio. Euro, die in die künstliche Beschneiung fließen. Dabei geht es auch um einen hohen Materialeinsatz. Es werden Wasserleitungen benötigt und Stromleitungen, die flächig über das gesamte Skigebiet verteilt sind.
Inwiefern wirkt sich die künstliche Beschneiung negativ auf das Klima aus?
Der negative Klimaeffekt kommt durch den Energie-Einsatz. Wenn Energie aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird, dann werden dabei Treibhausgase verursacht. Wenn man die gesamten Abläufe im Skigebiet berücksichtigt – mit dem Seilbahnbetrieb und der Anreise der Gäste, dann werden jeden Tag gewaltige Emissionen verursacht.
Und welche Rolle spielt dabei der Albedo-Effekt?
Daher dass eine Schneefläche weniger Sonnenstrahlen aufnimmt, als etwa eine Gras- oder Erdfläche. Eine beschneite Wiese reflektiert weniger Sonnenstrahlen als eine nicht beschneite Wiese. Deshalb führt die künstliche Beschneiung zu einem leichten Abkühlungseffekt des Bodens.
Warum führten die Ergebnisse der vorangegangenen Studie zu Kritik?
Die Kollegen untersuchten die Wirkung der Albedo im Vergleich zu den CO2-Emissionen, die freigesetzt werden – für ein Skigebiet im Zeitraum April. Dabei kamen sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Kühleffekt der Albedo stärker ist als der Erwärmungseffekt der Treibhausgase.
Es gab damals Diskussionen – auch weil nicht alle CO2-Emissionen gerechnet wurden. Es wurden nur die künstliche Beschneiung und der Seilbahnbetrieb gerechnet und das wurde kritisiert.
Im aktuell veröffentlichten Forschungsprojekt haben Sie gemeinsam mit Meteorologen und Statistikern von der BOKU Wien eine komplexeres Modell zur Berechnung des Albedo-Effekts durch die künstliche Beschneiung im Skigebiet angestellt?
Wir haben uns angesehen, wie eine realistische Einschätzung der Wirkung der Albedo in Skigebieten aussieht. Wenn die natürliche Situation berücksichtigt wird, dann muss man weitere Dinge mitberechnen. Einen Einfluss haben auch
- Abschattungseffekte;
- am Pistenrand stehende Bäume (Canyioneffekt);
- Mehrfachreflexionen an Gegenhängen und die damit verbundene Absorption der reflektierten Strahlung;
- die natürliche Schneelage;
Außerdem macht es einen großen Unterschied, ob man die Albedo im flachen Gelände oder an Hängen untersucht;
In der Studie zuvor wurde nur eine fixe Konstante aufgrund der Landnutzung angenommen – unabhängig von der Hangneigung. Das war keine explizite Strahlenmodellierung. Diese Ansätze würden in flachen Regionen reichen. Aber für das Gebirge sind sie nicht geeignet.
Unsere Studie ergab, dass die Kollegen den Albedo-Effekt um den Faktor sechs überschätzt haben. Der Kühlungseffekt ist deutlich geringer, wenn man mit komplexen Rechenmodellen arbeitet.
Sie haben für die Untersuchungen ein dreidimensionales Strahlungsmodell eingesetzt – wie können wir uns das vorstellen?
Wir haben das Modell am Computer simuliert, um genau zu sehen, wann die Sonne wo steht, wo die Strahlen hinkommen und wie sie sich bewegen. Unser Team hat schon öfter die Albedo in komplexen Geländen berechnet. Die Gebirgsalbedo ist generell geringer, weil sich die Strahlen hin- und herbewegen.
Danke für das Gespräch.
Auch interessant:
Alpine Pearls: sanfte Mobilität am Urlaubsort
Alpine Tourismusgebiete wollen klimaneutral werden