Medizinische Analysen erfordern modernste Labore und die Arbeit von Experten. Verschiedene Substanzen müssen mit komplexen Geräten, kostenintensiven Chemikalien und hohem Personalaufwand bearbeitet werden. An der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz weiß man, dass es auch anders geht. Hier hat man schon mehrere Lab on a Chip Plattformen entwickelt, die erfolgreich im Einsatz sind. Beispiele dafür sind ein Schwangerschaftstest und ein Corona-Schnelltest. Mit dem Lab on a Chip, können die Analysen direkt am Point-of-Care, also beim Patienten durchgeführt werden. Dass dies von Vorteil ist, hat zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt.
Trial & Error
Dringenden Bedarf an Lab on a Chip-Lösungen gäbe es vor allem auch im Bereich der Krebsforschung und der Behandlung weiterer Infektionskrankheiten. Diese werden vor allem an Orten mit schlechter Gesundheitsversorgung benötigt, wie zum Beispiel in Entwicklungsländern. Aber die Entwicklung von Chiplaboren wird durch aufwändige und komplexe Entwurfs- und Herstellungsprozesse verzögert oder verhindert. Der Prozess zieht sich über Monate und erfordert Kleinstarbeit und zum Teil auch Handarbeit. So müssen beispielsweise Kanäle dimensioniert und angeschlossen werden. Weiters müssen die verwendeten Substanzen und Chemikalien mit dem richtigen Druck in den Chip eingespritzt werden und Vorgänge wie Mischen, Erhitzen oder Bebrüten müssen genau zum richtigen Zeitpunkt gestartet werden. Da die Prozesse im Mikroliterbereich abgewickelt werden, führen schon kleinste Abweichungen zu fehlerhaften Chips. Entwurf und Produktion gelingen daher oft nur durch langwierige Trial-and-Error-Prozeduren.
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Dazu kommt, dass ein Lab on a Chip mitunter schon bei der Änderung einzelner Operationen von Tests vollkommen neu entworfen werden muss. „Denn viele medizinische Untersuchungen unterscheiden sich in Details, wie zum Beispiel einer leicht unterschiedlichen Inkubationszeit“, erklärt Professor Robert Wille, Konsortialführer und Leiter des Institute for Integrated Circuits an der Johannes Kepler Universität in Linz und wissenschaftlicher Leiter des Software Competence Center Hagenberg.
Mikrofluidische Systeme
Will man den Entwurf vom Lab on a Chip vereinfachen, so braucht es einen einfacheren Entwurf dieser mikrofluidischen Systeme. Entwurfsautomatisierung unter Verwendung der Gesetze der Mikrofluidik kann hier helfen. Hier nimmt man an, dass sich Flüssigkeiten und Gase auf kleinstem Raum anders verhalten als makroskopische Fluide. Weil in kleinsten Größenordnungen Effekte dominieren können, die in der klassischen Strömungslehre oft vernachlässigt werden.
An der Johannes Kepler Universität läuft die Forschung zur Mikrofluidik schon seit vielen Jahren. Mehrere Institute sind eingebunden – unter anderem Mechatroniker, Physiker und Informatiker. Die Forschung zu Entwurf und Simulation entsprechender Chips wurde vor etwa sechs Jahren aufgenommen. Angestrebt wird ein Prozess, mit dem man das Procedere im Labor in entsprechende Lab on a Chip-Entwürfe überführen kann – idealerweise auf Knopfdruck. Auf Basis dieses Prozesses will man dann die Fabrikation solcher Systeme im großen Stil umsetzen.
Berechnungen und Simulationen
Vorbild sind klassische Computerchips, die ebenfalls hochkomplexe Einheiten mit teilweise Millionen oder gar Billionen von Komponenten haben. Ein Beispiel sind Transistoren, die unter anderem korrekt platziert und verbunden werden müssen. Dennoch haben sich bereits zahlreiche automatische Methoden etabliert, die es ermöglichen, diese Chips auf Knopfdruck zu realisieren. Ähnliche Verfahren will das Konsortium nun auch für die Chiplabore entwickeln.
“Die Grundlagen dafür sind bekannt. Wir wissen aus der Grundlagenforschung, wie sich Flüssigkeiten in mikrofluidischen Systemen verhalten. Also wie sie zum Beispiel durch Kanäle gepumpt werden, wie sie sich bei Verzweigungen mischen, wie lange sie durch Mäander fließen, et cetera,” erklärt Wille. Die Beschreibung dieser Prozesse erfordert aber komplexe mathematische Grundlagen und effiziente Computerprogramme, die das Verhalten berechnen und simulieren. Die Simulation hat den Vorteil, dass mögliche Fehler schon am Bildschirm entdeckt werden. Das heißt, die Entwürfe müssen nicht erst produziert werden, um Anpassungen durchführen zu können. In einem weiteren Schritt lassen sich auf diesen Grundlagen auch Methoden und Werkzeuge entwickeln, die zumindest Teile des Entwurfs automatisch auf Knopfdruck erzeugen.
Konstruktion des Tools
Hinsichtlich der Konstruktion des Tools werden verschiedene Möglichkeiten untersucht. Für einfachere Systeme reicht es, bestimmte Parameter anzugeben. Wie etwa die Breite und Länge von Kanälen, die Geometrie des Systems, die Art der verwendeten Flüssigkeiten, et cetera. Für kompliziertere Systeme müssen zunächst durchaus noch recht konkrete Zeichnungen des Systems angegeben werden. „Der Vorteil einer Simulation ist hier aber schon deutlich, da man schnell testen kann, ob der eigene Entwurf funktioniert, schnell Änderungen ausprobieren und Fehler beheben kann“, sagt Wille. So können die Entwurfs- und Produktionsarbeiten von mehreren Monaten auf wenige Tage reduziert werden.
Automatischer Entwurf
In Zukunft sollen ganze Entwürfe von mikrofluidischen Systemen automatisch erzeugt werden, einfach indem man die gewünschten Operationen angibt: Flüssigkeiten sollen gemischt werden, Proben sollen eine bestimmte Zeit inkubieren, et cetera. Die Umsetzung des entsprechenden Systems erfolgt durch ein automatisches Werkzeug. Medizinisches Fachpersonal ist für das Lab on a Chip nicht mehr nötig. Vielmehr sind es Ingenieure, welche die einzelnen Schritte auf dem Chip umsetzen.
Das wird es einfacher machen, weitere medizinische Analysen und Untersuchungen vom Labor direkt zu den Patienten zu bringen. Wille: „Damit schafft man es nicht nur, diese Technologie für viele weitere Anwendungen kostengünstig nutzbar zu machen, sondern auch schnell auf neue Herausforderungen wie Tests für neue Virusvarianten zu reagieren.“
Das Konsortium:
Mehrere Institute der Johannes Kepler Universität Linz kooperieren mit ESS, Ernst Wittner Gesellschaft m.b.H. und dem Software Competence Center Hagenberg. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt das Projekt mit über 1,4 Mio. Euro.