Nach mehr als neun Monaten Coronapandemie, SARS-CoV-2, COVID-19 und Maskentragen in unserem Leben, sieht man sie mittlerweile überall: die Klarsichtmasken. Sie erfreuen sich zunehmender Beliebtheit als Alternative zu konventionellen Mund-Nase-Bedeckungen. Auch, wenn sie Mund und Nase nicht wirklich bedecken … weil auf der unteren Seite ein Spalt von einem bis zu mehreren Zentimetern zwischen Gesicht und Maske frei bleibt. Trotzdem gelten sie gemäß der aktuellen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Bayern als Mund-Nase-Bedeckung.
[Update]: Seit Bekanntwerden der Ergebnisse der in diesem Artikel beschriebenen Studie akzeptiert das bayerische Gesundheitsministerium keine Klarsichtmasken mehr als Mund-Nase-Bedeckung. Es sind nur noch textile Masken zulässig.
Praktisch ja, aber…
Die Vorteile dieser Masken sind auch offensichtlich. Man kann die Mimik der Person erkennen – im Gegensatz zum herkömmlichen Mund-Nasenschutz, der das Gesicht vom Kinn bis fast zu den Augen bedeckt – und sie trägt und sie sind komfortabler. Aber erfüllt sie auch ihren Zweck? Fängt sie die ausgeatmeten Aerosole auf? Viele Experten sehen dieses Design kritisch. An der Hochschule München wurden diese Klarsichtmasken nun auf ihre Wirksamkeit getestet. „Mit unserem Versuchsaufbau können wir genau vermessen, wie die Ausbreitung von Aerosolen durch Masken dieser Art beeinflusst wird“, sagt Prof. Dr. Christian Schwarzbauer, Professor für Medizintechnik und Mediziniformatik an der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik der Hochschule München und wissenschaftlicher Leiter dieser Pilotstudie.
Die Forscher testeten die Klarsichtmaske eines süddeutschen Herstellers, die sehr verbreitet ist und zunehmend auch in Schulen und Kitas zum Einsatz kommt. Die Maske sei unter realistischen und praxisnahen Bedingungen untersucht worden, sagt der Wissenschaftler. Dabei seien typische Alltagssituationen berücksichtigt worden, wie man sie häufig in Schulen, Kitas, Büros oder auch in öffentlichen Verkehrsmitteln vorfindet.
Beispiel 1: Die Versuchsperson sitzt auf einem Stuhl und atmet durch die Nase aus
Auf Bild 1 des Titelbilds ist die typische Ausbreitung des Aerosols zu erkennen. Dabei strömt es zunächst entlang des Körpers nach unten. Genauso, wie es vom Hersteller beworben wird. Allerdings wird das Aerosol kurz darauf nach vorne umgelenkt und dehnt sich dann weit in den Raum vor der Versuchsperson aus. Das heißt, stünde oder säße man jemand, der so einen Mund-Nasenschutz trägt, direkt gegenüber, bekäme man die volle Ladung Aerosole ins Gesicht. Außerdem ist gut erkennbar, dass das Aerosol während der Ausbreitung immer mehr nach oben steigt und sich somit weiter im Raum verteilt. Das wird durch den typischen Temperaturunterschied zwischen ausgeatmeter Luft und Raumluft begünstigt.
Beispiel 2: Die Versuchsperson geht durch den Raum und hustet dabei
In einem weiteren Szenario hustete die Versuchsperson mehrmals, während sie durch den Raum ging. Hier zeigte sich eine besonders stake Ausbreitung der Aerosolwolke, die sich unmittelbar nach dem Husten weiter im Raum ausdehnte. Die Ausbreitung des Aerosols sei dabei relativ schnell erfolgt, betonen die Forscher. Personen, die auf den Stühlen im Hintergrund gesessen hätten, wären hier einer hohen Aerosolkonzentration ausgesetzt, vor allem im Bereich des Gesichts und Oberkörpers.
Die Ergebnisse dieser Pilotstudie verdeutlichen laut Aussagen der Forscher die Problematik dieses Maskendesigns. „Ohne Zweifel sind diese Masken angenehm zu tragen, einen wirksamen Schutz vor Infektionen bieten sie allerdings nicht“, sagt Schwarzbauer. Vor allem in geschlossenen Räumen, wie zum Beispiel in Schulen, Kitas, Büros oder öffentlichen Verkehrsmitteln, sei von der Verwendung solcher Masken dringend abzuraten, betont Prof. Dr. med. Christian Hanshans, Professor für medizinische Grundlagen und Medizintechnik an der HM, der diese Studie als Mediziner und Projektingenieur begleitete.
Titelbild: Aerosolausbreitung beim Ausatmen durch die Nase. Die Versuchsperson atmet dabei gleichmäßig durch die Nase aus, ohne sich zu bewegen oder zu sprechen (Foto: Christian Schwarzbauer)