Bis zum Jahr 2030 wollen die Staaten der Europäischen Union rund ein Drittel ihres Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien decken. Dabei spielen Solarzellen, -paneelen und -module eine zentrale Rolle. Das Problem dabei ist allerdings, dass fast die gesamte die Hardware – wie so viele andere Dinge unseres täglichen Lebens – nicht in Europa produziert wird. Sie kommt aus China, Taiwan und Malaysia. Amerikanische und asiatische Firmen haben die effizientesten Konzepte der kristallinen Silizium-Solarzellentechnologie auf dem Markt: Solarzellen mit interdigitalen Rückkontakten (IBC).
Ein von der EU gefördertes Projekt soll Europa nun näher an eine eigene Produktion innovativer Solarzellen und -paneelen bringen. Im Rahmen des Projekts NEXTBASE haben Wissenschaftler hocheffiziente IBC-Solarzellen in der Silizium-Heteroübergangskonfiguration (IBC-SHJ) entwickelt. Diese können 25,4 % der von ihnen eingefangenen Sonnenenergie in Strom umwandeln.
„Das ist ein europäischer Rekord für eine industriell realisierbare Version der IBC-SHJ-Technologie”, sagt Projektkoordinator Kaining Ding vom Forschungszentrum Jülich. „Der aktuelle Labor-Weltrekord für eine Silizium-Solarzelle liegt bei 26,7 %, die ebenfalls auf dem IBC-SHJ-Konzept basierte, deren Herstellung jedoch sehr teuer war. Unser Ansatz ist nahe am Optimum.“
Bessere Wettbewerbsfähigkeit
Neben den Solarzellen haben die Forscher auch einen Prototyp eines 4×4-zelligen Solarmoduls mit einem Wirkungsgrad von 23,2 % entwickelt. Diese Prozentzahl gehört zu den höchsten Wirkungsgraden von Siliziummodulen, die jemals erreicht wurden. Anschließend hat das Team eine kosteneffiziente Herstellungsmethode entwickelt, mit der solche Module für weniger als 0,275 EUR/Watt hergestellt werden können. So sind die Kosten der Stromerzeugung auf einem Level mit der durch in Asien hergestellten Standardtechnologien. „Das macht Europa bei der Herstellung von Solarzellen wettbewerbsfähig”, sagt Ding.
Diese Zellen könnten die Energie in Europa nachhaltiger und sicherer machen. „Der höhere Wirkungsgrad fördert den Übergang zu erneuerbaren Energien, da sie auf kleineren Flächen mehr Energie erzeugen als vergleichbare, weniger effiziente Zellen”, erklärt Ding. Aus ökologischer und gesellschaftlicher Sicht sei es besser, lokal zu produzieren.
Europäische Solarzellen effizienter und kostengünstiger
Die IBC-SHJ-Technologie sei der Schlüssel zu der beeindruckenden Energieumwandlungsrate, betonen die Forscher. In der Standard-Solartechnik befinden sich metallische Kontakte auf der Vorder- und Rückseite, die die Sonnenenergie „verschwenden“ würden, die durch das Metall auf der Vorderseite blockiert wird. Zellen mit Rückseitenkontakten haben dagegen alle Anschlüsse auf der Rückseite. So kann die Sonnenenergie über ihre gesamte Vorderseite eingefangen werden. Außerdem seien sie auch ästhetisch ansprechend, sagen die Wissenschaftler.
Laut Ding seien bestehende Module vom Typ IBC teuer in der Herstellung und würden nur an einen Premium-Markt verkauft und. Um die Zellen und Module dieser Technologie effizienter und kostengünstiger zu machen, haben die 14 Industrie- und Forschungspartner im NEXTBASE-Konsortium die Designs und Prozesse für die Siliziumwafer geändert.
IBC-SHJ-Zellen hätten komplizierte Strukturen, erklärt Ding. „Es gab keine kostengünstige industrielle Möglichkeit, sie herzustellen.“ Deshalb entwickelte die Meyer Burger Research AG ein automatisiertes Verfahren, um die Zellen kostengünstig herzustellen. „Dieser Prozess war sehr erfolgreich und einfach”, sagt Ding.
Pilotprojekt
Ding geht davon aus, dass die Ergebnisse des NEXTBASE-Projekts langfristig dazu führen können, dass Hersteller und Verbraucher größeres Interesse an der europäischen Photovoltaik-Technologie haben und die IBC-SHJ-Module für die Verbraucher attraktiver werden. „Die Ergebnisse führen zur Kommerzialisierung von hocheffizienten PV-Modulen, die auf c-Si-Solarzellen der nächsten Generation basieren“, sagt Ding. „Ohne die EU-Finanzierung hätten die Partner nicht so eng zusammengearbeitet. Jeder hat ein aktives Interesse daran, die Arbeit zu leisten, auch über das Projekt hinaus.“
Als nächstes wollen die Wissenschaftler zeigen, wie die NEXTBASE-Zelle in größeren Modulen funktionieren kann und dann die Produktion industrialisieren. Unter der Leitung der Meyer Burger Research AG, die ein Patent auf die Zelle besitzt, ist eine Pilotlinie in Planung.