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Bei Innovation geht es nicht nur um Technologie. Innovative Durchbrüche entstehen gerade an der Schnittstelle von Disziplinen, “hier passiert die Magie”. Gleichzeitig hört sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit oft schöner an, als sie ist. Schließlich spricht jede Disziplin ihre eigene Sprache und hat ihre eigenen Werte, die wichtig sind. Wie stellt man sicher, dass an der Kreuzung der Disziplinen kein Aufhebens gemacht wird, sondern Magie entsteht? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, begleiten wir das Solar Team Twente von der ersten Entwicklungsphase bis zur Ziellinie bei der Bridgestone World Solar Challenge in Adelaide. Jedes Mal steht eine andere Disziplin innerhalb des Teams im Mittelpunkt, dieses Mal die bodenständigen Bauingenieure.

Vom Tüftler zum Nerd und vom Analytiker zum Nörgler

Ingenieure gibt es in vielen Formen und Farben. Vom Tüftler zum Nerd und vom Analytiker zum Griesgram. Die Bauingenieure, mit denen ich diese Woche gesprochen habe, fallen mit ihrer bodenständigen und praktischen Mentalität vielleicht am ehesten in die letzte Kategorie. Für diejenigen, die wenig Ahnung von Rennsport und Bautechnik haben, sind die Konstrukteure die Männer aus Carbon. Sie sorgen dafür, dass das Auto so stabil wie möglich ist und dabei so wenig wie möglich wiegt.

Das Solar Team Twente hat zwei Konstrukteure: Danique Kottier und Lars Onland, die sich beide in der Endphase ihres Maschinenbaustudiums befinden. Kottier verbringt derzeit einige Wochen im Königlichen Niederländischen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, um an der Rippenstruktur des Fahrzeugs zu arbeiten, und Onland ist bei Stork untergebracht, um die Formen für das Fahrzeug herzustellen. Gerade diese praktische Erfahrung macht das Projekt für die beiden so interessant. Weg von den Lehrbüchern und hin zum Entwerfen und Selbermachen schafft Energie. Onland: “Wir haben gerade die Unterbodenform des Steckers hier abgeladen, das war so unglaublich cool!”

Die Bauingenieure Lars Onland (l) und Danique Kottier (r), Foto: Tjeerd Bakker

Rennen gewinnen

Bei dieser Praxisorientierung orientieren sich die Männer an einem Computermodell. Anhand dieses Modells berechnen sie, wo die meisten Renngewinne erzielt werden können, und das bestimmt die meisten ihrer praktischen Entscheidungen. Die Bauingenieure sind sich darüber im Klaren, dass im Bereich Kohlenstoff nicht das meiste zu holen ist. Irgendwann ist der Höhepunkt der Gewinnspanne erreicht, und man kann die Struktur des Autos nicht mit weniger Gewicht noch leistungsfähiger machen. Onland: “Die meisten Gewinne liegen bei den elektronischen Komponenten und der Aerodynamik, wir müssen einfach sicherstellen, dass sie diese Gewinne erzielen können.”

Obwohl Rennsiege im Vordergrund stehen, spielt auch die Ästhetik eine Rolle. Hier ist die Formel 1 eine kleine Inspirationsquelle. Danique, der übrigens kein Anhänger der Formel 1 ist, sagt, das Schönste am F1-Auto sei die Frontpartie, wo die Räder angebracht sind. Kottier: “Unser Auto ist natürlich kein F1-Auto, aber unsere Frontpartie ist auch sehr schön!” Zugleich ist es schwierig, sich von der Königin des Motorsports inspirieren zu lassen. Die Regeln für die Konstruktion sind in der Formel 1 so anders als bei den Solarenergie-Rennen, dass man sich nicht wirklich ein Beispiel daran nehmen kann. “In der Formel 1 kann der Fahrer komplett in den Wagen gezwängt werden, das ist bei uns einfach nicht erlaubt”, sagt Kottier.

Intrinsische Motivation

Arbeiten bei Stork, Foto: Marten van de Brink

Bis Ende Mai arbeiten die Carbon-Männer weiter an der Struktur des Autos. Dann wird das Auto lackiert und ihre Arbeit ist getan. Danach werden sie dem Rest des Teams helfen, wo immer sie können, bis zur Ziellinie: dem Rennen in Adelaide. Schon jetzt ist das Team ein eingeschworener Club. Vom ersten Tag an sind sie sich gegenseitig auf den Fersen. Zu Beginn wurden einige Teambuilding-Maßnahmen durchgeführt, aber es sind vor allem die vielen gemeinsamen Trainingseinheiten, die das Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugen.

Gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten, ohne äußere Beweggründe wie Geld oder eine bestimmte Note, motiviert. So wird sichergestellt, dass die verschiedenen Disziplinen wissen, wie man effektiv zusammenarbeitet, ohne dass es zu Problemen kommt. “Natürlich bemerkt man Unterschiede zwischen den einzelnen Teammitgliedern, aber diese Unterschiede ergeben sich hauptsächlich aus dem unterschiedlichen Hintergrund der Hochschule oder Universität und nicht so sehr aus den unterschiedlichen Disziplinen”, fügt Kottier hinzu. “Hochschulabsolventen nehmen etwas schneller auf, Universitätsstudenten denken länger über etwas nach.” Die Unterschiede zwischen den Teammitgliedern werden also hauptsächlich dadurch bestimmt, dass der eine mehr denkt und der andere mehr handelt. Solange aber alle gemeinsam denken UND handeln, scheint sie dieser Unterschied nicht sonderlich zu stören.

Der Weg in die Zukunft

Fragt man die beiden Bauingenieure, was dieses Projekt für ihren weiteren Berufsweg bedeutet, so ist die Antwort einhellig. Sie haben vor allem gelernt, wie wichtig Abwechslung in der Arbeitswoche ist und wie unglaublich viel Spaß es macht, Dinge selbst zu entwerfen und herzustellen. Personell gesehen: eine schöne Kombination aus Abwechslung in der Arbeit und Autonomie. Die Bauingenieure sind auch davon überzeugt, dass sie dem Solar Team auch in Zukunft verbunden bleiben werden. Onland: “Dann gebe ich eben wieder Feedback an die neue Generation.”