Laut Informationen des Robert-Koch-Instituts infizieren sich jedes Jahr rund 600.000 Menschen in Deutschland mit Krankenhauskeimen. Etwa 20.000 sterben daran. In Europa zählt das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) pro Jahr durchschnittlich über vier Millionen Menschen, die sich eine Infektion zuziehen. Der größte Teil entsteht durch medizinische Geräte und Implantate im Körper. Sie werden beispielsweise für Katheter, Hüft- und Knieprothesen oder Zahnimplantate eingesetzt. Oft müssen Implantate wieder entfernt werden.
Um die Infektion von Patienten zu verhindern, setzen Mediziner große Mengen von Antibiotika eingesetzt. Das ist nicht nur teuer, lässt immer mehr Antibiotika-Resistenzen entstehen. Forscher der schwedischen Chalmers University of Technology haben nun eine Lösung gefunden: Mit Graphit-Nanoplättchen in Kunststoffoberflächen soll eine Infektion vermieden werden.
Infektion bekämpfen
„Ziel unserer Forschung ist es, antibakterielle Oberflächen zu entwickeln, die die Zahl der Infektionen und den anschließenden Bedarf an Antibiotika reduzieren können und gegen die Bakterien keine Resistenzen entwickeln können”, sagt Santosh Pandit. Er ist Postdoc aus der Forschungsgruppe von Professor Ivan Mijakovic in der Abteilung Systembiologie, Abteilung Biologie und Biotechnologie, der Technischen Universität Chalmers. „Wir haben gezeigt, dass maßgeschneiderte Oberflächen, die aus einer Mischung von Polyethylen- und Graphit-Nanoplättchen bestehen, 99,99 Prozent der Bakterien abtöten können, die versuchen, sich an die Oberfläche zu heften.“
Beeindruckende antibakterielle Wirkungen
Eine Infektion auf einem Implantat entsteht, wenn Bakterien etwa im Blut umherwandern. Schließlich docken sie auf einer geeigneten Oberfläche an. Dort vermehren sie sich und bilden einen Biofilm – eine bakterielle Beschichtung. Die schwedischen Wissenschaftler haben bereits in früheren Forschungen gezeigt, wie vertikale Graphenflocken eine Schutzschicht bilden können. Dadurch machen sie es Bakterien unmöglich, sich abzulagern. Der Mechnismus ist etwas vergleichbar mit Stacheldraht an Gebäuden. Er soll Vögel daran hindern, Nester zu bauen. Die Graphenflocken haben sogar noch eine antibakterielle Wirkung. Sie beschädigen die Zellmembran und töten die Bakterien ab. Da die Herstellung dieser Graphenflocken aber sehr teuer ist, ist eine Massenproduktion nicht möglich.
„Jetzt haben wir die gleiche hervorragende antibakterielle Wirkung erreicht, aber mit relativ preiswerten Graphit-Nanoplättchen, die mit einem sehr vielseitigen Polymer gemischt sind“, sagt Roland Kádár. Er ist als außerordentlicher Professor am Departement für Industrie- und Materialwissenschaften bei Chalmers tätig. „Das Polymer, oder der Kunststoff, ist nicht von Natur aus mit den Graphit-Nanoplättchen kompatibel. Aber mit den üblichen Kunststoff-Herstellungsverfahren ist es uns gelungen, die Mikrostruktur des Materials mit ziemlich hohen Füllstoffgehalten so zu gestalten, dass der gewünschte Effekt erzielt wird. Und jetzt gibt es ein großes Potenzial für eine Reihe von biomedizinischen Anwendungen.“
Menschliche Zellen bleiben intakt
Da menschliche Zellen etwa 25-mal größer sind als Bakterien, können die Nanoplättchen auf der Oberfläche der Implantate die Bakterien abtöten. So lässt sich eine bakterielle Infektion verhindern. Die gesunden Zellen bleiben unbeschädigt. „Zusätzlich zu einer Verringerung des Leidens der Patienten und des Bedarfs an Antibiotika könnten solche Implantate dazu führen, dass weniger Folgearbeiten erforderlich sind. Da die Implantate viel länger im Körper verbleiben könnten als die heute verwendeten”, sagt Santosh Pandit. „Unsere Forschung könnte auch dazu beitragen, die enormen Kosten zu senken, die solche Infektionen weltweit im Gesundheitswesen verursachen.“
In weiteren Studien wollen sich die Forscher nun darauf konzentrieren, das volle Potenzial der antibakteriellen Oberflächen für spezifische biomedizinische Anwendungen zu entfalten.
Titelbild: Die Nanoplättchen auf der Oberfläche der Implantate verhindern eine bakterielle Infektion. Dabei schädigen sie nicht den gesunden Menschen. © Chalmers University of Technology