Mikroschadstoffe im Trinkwasser können bereits in sehr geringen Mengen schädlich für unsere Gesundheit sein. Während es mittlerweile immer mehr Wege gibt, um Mikroplastik zumindest teilweise aus dem Wasser zu entfernen, sieht es bei Rückständen von Arzneimitteln, Pestiziden, Hormonen und anderen Chemikalien anders aus. Es gibt noch keine skalierbaren Technologien, die diese effizient entfernen könnten.
Diese organischen Schadstoffe können aber nicht nur dem Menschen schaden, auch für Tiere und die Umwelt stellen sie ein erhebliches Risiko dar. Insbesondere die Steroidhormone Estron, Estradiol, Progesteron und Testosteron können sowohl bei Menschen als auch bei Wildtieren ernste Schäden verursachen. Aus diesem Grund hat die Europäische Union für Trinkwasser strenge Mindestqualitätsstandards festgelegt, die bei der Entwicklung neuer Technologien für die Wasseraufbereitung berücksichtigt werden müssen.
Zauberwort: Licht
Wissenschaftler des Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock versuchen bereits, das Problem mittels Sonnenlicht und Ozon zu lösen (IO berichtete: Abwasser von Verschmutzung reinigen: Mit Sonnenlicht und Ozon). Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun ein weiteres chemisches Verfahren entwickelt, das Hormone aus dem Wasser filtern kann. Es funktioniert mittels Photokatalyse und wandelt die Schadstoffe in potenziell sichere Oxidationsprodukte um.
“Die Herausforderung für die Wissenschaft ist, sensiblere Methoden zu entwickeln, um die Hormon-Moleküle anzugreifen“, sagt Professorin Andrea Iris Schäfer, Leiterin des Institute for Advanced Membrane Technology (IAMT) des KIT. Das große Problem besteht hier jedoch darin, dass diese Steroidhormone im Wasser nur sehr schwer nachweisbar sind. “Auf eine Trillion Wassermoleküle kommt ein Hormonmolekül. Das ist eine extrem niedrige Konzentration“, erklärt die Expertin.
Hormon-Moleküle durch “Attacken” umwandeln
Die herkömmlichen Technologien zur Wasseraufbereitung in Kläranlagen können diese Mikroschadstoffe bisher weder aufspüren noch messen und daher auch nicht beseitigen. Das von den Forschern des IAMT und des Instituts für Mikrostrukturtechnologie (IMT) des KIT entwickelte photokatalytische Verfahren zeigte sich in ersten Versuchen vielversprechend. Für dieses Verfahren beschichteten die Wissenschaftler eine herkömmliche großporige Polymermembran mit einem palladiumhaltigen, lichtempfindlichen Molekül (Pd(II)-Porphyrin), das sichtbare Strahlen absorbieren kann.
Anschließend bestrahlten sie die Membran mit künstlichem Sonnenlicht, wodurch bei einem chemischen Prozess sogenannter Singulett-Sauerstoff, eine hochreaktive Sauerstoff-Spezies, entstand. Der wandelte die Hormon-Moleküle in potenziell sichere Oxidationsprodukte um, indem er sie “attackierte“. “Entscheidend ist, dass wir die Oberfläche jeder einzelnen Pore mit dem Photosensibilisatormolekül beschichten und so die Angriffsfläche vergrößern“, erläutert Roman Lyubimenko, Wissenschaftler am IAMT und IMT.
Estradiol-Konzentration könnte deutlich reduziert werden
Der chemische Abbau von Steroidhormonen und die Filtration anderer Mikroverunreinigungen könnten dabei in einem Modul realisiert werden, erklären die Forscher. So können mit dem neuen Verfahren zwischen 60 und 600 Liter Wasser pro Quadratmeter Membran in einer Stunde gefiltert werden. Dabei konnte die Konzentration von Estradiol, dem biologisch aktivsten Steroidhormon, um 98 Prozent von 100 auf 2 Nanogramm pro Liter reduziert werden.
“Damit kommen wir dem EU-Zielwert von einem Nanogramm pro Liter schon sehr nahe“, betont Schäfer. Als nächstes wollen die Wissenschaftler den photokatalytischen Prozess weiter optimieren und in einen größeren Maßstab zu übertragen und offene Fragen beantworten. Diese sind unter anderem, welche Lichtintensität ist nötig, wie viel Porphyrin braucht der Prozess und könnte das teure Palladium durch andere Metalle ersetzt werden?
Das Team hat die Ergebnisse seiner Forschungen in der Fachzeitschrift Applied Catalysis B: Environmental veröffentlicht.
Titelbild: Einfügen der photokatalytischen Membran in den Membran-Reaktor. (Foto: Markus Breig, KIT)