Künstliche Intelligenz übernimmt in unserer modernen Welt immer mehr Aufgaben. Wir nutzen sie beispielsweise tagtäglich, wenn wir online Suchmaschinen nutzen. Übersetzungsprogramme sind ohne KI nicht denkbar, ebenso wenig wie Spracherkennung, Gesichtserkennung, Computerspiele oder in Zukunft auch autonomes Fahren. In der Medizin wird KI mittlerweile ebenfalls immer verbreiteter und hat auch schon im Operationssaal Einzug gehalten. Innovation Origins berichtete erst vor wenigen Tagen über Operieren mit Live- und 3D-Bildnavigation des Körperinneren.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ging man nun noch einen Schritt weiter und hat für das „HoloMed“-System sogar den mit 20.000 Euro dotierten Innovationspreis NEO 2019 der TechnologieRegion Karlsruhe erhalten. Das System unterstützt Chirurgen im Operationssaal durch Künstliche Intelligenz (KI) und Augmented-Reality (AR).
Navi fürs Gehirn
Der Hauptpunkt von HoloMed sind Punktionen am Gehirn, bei denen angesammelte Flüssigkeit aus dem Gehirn entfernt wird, um den Druck zu reduzieren, z.B. bei Hirnblutungen, Schädel-Hirn-Traumata oder Schlaganfällen. Um die optimale Stelle und Richtung für die Punktion festzulegen, muss der Chirurg aus Daten der Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) „verschiedene anatomische Landmarken“ ertasten und vermessen. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Bestimmung des Einstichwinkels oft nur wenige Grad Toleranz zulässt und der Arzt das Ziel nicht direkt visualisieren kann“, sagt Professor Björn Hein, der das Projekt zusammen mit Professorin Franziska Mathis-Ullrich am KIT leitet. Diese genaue Bestimmung wird dadurch erschwert, dass diese Bilder nur zweidimensional sind, der menschliche Kopf jedoch dreidimensional. Daher klappe es auch nur bei etwa 60 Prozent der freihändig durchgeführten Einstiche, diese optimale Position zu bestimmen.
Mit HoloMed hat der Operateur eine eine Augmented Reality-Brille, die ihn dabei unterstützt, diesen optimalen Einstichpunkt und -winkel für die Punktionsnadel zu bestimmen. Christian Kunz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am KIT, entwickelte dazu eine spezielle KI, die aus den Daten der elektronischen Patientenakte und des aktuellen CTs und oder MRTs des Patienten ein Modell erstellt, in dem es die von außen unsichtbaren Strukturen im Körper genau abbildet. Diese Informationen werden in die AR-Brille des Chirurgen eingeblendet und zeigen ihm – wie ein Navigationssystem – punktgenau, wo und wie er die Nadel optimal führen muss.
Einfach zu bedienen und kosteneffizient
Zur automatisierten Bestimmung dieser Informationen würden maschinelle Lernverfahren eingesetzt, erklärt Professor Hein. „Hierzu wird im ersten Schritt ein segmentiertes 3D-Modell des Kopfes erzeugt, woraus später der Zielpunkt bestimmt wird. Der Arzt kann bei Bedarf aber immer individuell Korrekturen vornehmen“, so Hein. Ziel des System sei eine „innovative, neuartige und kostengünstige Lösung an, die direkten Einfluss auf die Qualität solcher Eingriffe hat.“
Nach erfolgreicher Umsetzung bei der Punktion soll HoloMed künftig auch bei anderen Operationen zum Einsatz kommen. Da das System erstens einfach zu bedienen ist und zweitens auch kosteneffizient, eignet es sich nach Aussagen der Erfinder zur Kostensenkung im Gesundheitswesen aber auch für finanzschwache Krankenhäuser in Schwellenländern.
Titelbild: Dr. Michal Hlavac von der Neurochirurgischen Klinik Ulm und Christian Kunz aus dem Team „Health Robotics and Automation” (HERA) des KIT bei der ersten Phantom OP zur Evaluation des HoloMed Systems. (Foto: KIT-HERA)