Urban Change Lab ist eine Web-Plattform, die Kunsthandwerker und Kreative, die ihre Ideen verwirklichen wollen, zusammenbringen. Dabei kommt es dem Macher, Jochen Baumeister, vor allem auf qualitativ hochwertige Arbeiten, die Wertschätzung des Handwerks und eine faire Bezahlung an. Wie das funktioniert und warum Technologie dabei eine große Rolle spielt, erklärt er Christiane Manow-Le Ruyet von InnovationOrigins im Interview.
Worum geht es bei Urban Change Lab?
Bei uns können Kunden ihre kreativen Ideen gemeinsam mit Kunsthandwerkern umsetzen. So lassen sich Projekte verwirklichen, die sie vielleicht sonst nie angegangen wären. Sie gehen also nicht in den Laden und kaufen ein beliebiges Produkt, sondern kreieren ihr eigenes, das nach ihren Vorstellungen hergestellt wird.
Wie funktioniert das genau?
Wenn Sie eine Idee haben, beschreiben Sie diese auf unserem Portal, fügen vielleicht noch ein Foto oder eine Skizze hinzu, wie Sie sich Ihr Produkt vorstellen. Dann schauen wir, welche Handwerker für die Umsetzung Ihrer Idee in Frage kommen würden. Wir stellen eine Anfrage und derjenige, der freie Kapazitäten hat, qualitativ hochwertig arbeitet und zuverlässig ist, bekommt den Zuschlag. Es geht dabei nicht darum, sich preislich zu unterbieten. Wir wollen, dass die Handwerker für ihre Arbeit auch entsprechend bezahlt werden. Transparenz ist uns hier besonders wichtig. Deswegen legen wir auch auf unserer Website die Kalkulation offen, damit für alle Beteiligten klar ist, wer wieviel verdient, beziehungsweise, wie sich die Kosten zusammensetzen.
Wer setzt die Ideen der Kunden um?
Wir arbeiten mit Handwerkern aus Kenia, Ghana und Ruanda zusammen. Sie sind Experten auf ihren Gebieten, viele beherrschen noch alte Handwerkskunst. Handwerkliche Waren sind dadurch sozusagen wie ein Rolls Royce unter Produkten.
Wie geht es dann weiter, wenn der Auftrag vergeben ist?
Kunde und Handwerker können über unsere Plattform miteinander kommunizieren, um Details für die Umsetzung der Idee zu besprechen. Damit es aber keine sprachlichen Barrieren gibt, haben wir unsere Plattform mit der Übersetzungsplattform DeepL verbunden. Das heißt, dass der Kunde auf Deutsch seine Anfrage stellt, die Software übersetzt dies auf Englisch. Umgekehrt funktioniert das genauso. Der Handwerker antwortet auf Englisch und die Software übersetzt auf Deutsch.
Gibt es da nicht Streuverluste, wenn die Software irgendetwas falsch übersetzt?
In der der Regel nicht, denn das Programm kann auch mit nicht ganz perfekten Sätzen umgehen und das Richtige übersetzen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen Urban Change Lab zu entwickeln?
Ich selbst bin aus familiären Gründen oft in Kenia. Gerne kaufe ich lokal bei Handwerkern ein. Mir ist aufgefallen, dass sich die angebotenen Produkte ähneln. Ich wollte etwas Indivduelles und Praktisches. Auf meine Frage nach einer Zuckerdose bot mir ein Handwerker an, diese für mich als Einzelstück zu fertigen. Es bedurfte dreier Iterationen bis die Dose so war, wie ich sie mir vorstellte. Als ich mit meiner Zuckerdose zuhause war, merkte ich, wie sehr ich sie aufgrund der Geschichte der Herstellung wertschätzte. Mir kam der Gedanke, dieses Prinzip der Herstellung und damit der Wertschätzung online umzusetzen. So ist letztendlich die Idee zu Urban Change Lab entstanden.
Seit wann sind Sie am Markt aktiv?
Die Idee entstand 2015, ein Jahr später starteten wir. Seitdem haben wir 100 Projekte umgesetzt. Zusätzlich beraten wir auch andere Unternehmen in Sachen Onlineservices und Digitalisierung.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie aktuell?
Wir sind als Unternehmen sehr lean aufgestellt, wir bootstrappen, verzichten also auf externes Kapital. Unsere Plattform ist so aufgebaut, dass wir die meisten Abläufe automatisiert haben. Wir versuchen auf alle Dinge eine technische Antwort zu finden und die Plattform dabei so einfach wie möglich nutzbar zu machen. Insofern benötigen wir keine große Organisation. Stattdessen arbeiten wir mit Partnern auf selbständiger Basis vor Ort oder in Deutschland, die unternehmerisch agieren und Bereiche wie Local Operations oder Social Media verantworten. Besonders wichtig ist uns, transparente Arbeitsabläufe zu schaffen und darauf zu achten, dass Freiheit und Unternehmertum zusammenpassen, alle Beteiligten eine faire Vergütung erhalten und selbst ein stabiles Unternehmen aufbauen.
Wie läuft die Bezahlung der bestellten Produkte ab?
Sobald ein Auftrag zustande kommt, bezahlt der Auftraggeber im Voraus. Wir verwalten den gezahlten Betrag und zahlen ihn nach Fortschritt an den Handwerker aus, also z.B. 25% bei Auftragsvergabe, damit kann der Handwerker das Material kaufen und die Produktion starten. Zudem muss er zeitlich abschätzen, wie viele Ressourcen ihm zu Verfügung stehen. Denn normalerweise arbeiten unsere Handwerkspartner an mehreren Aufträgen gleichzeitig.
Sie sprachen von Transparenz. Wie setzt sich denn nun der Preis zusammen? Und sind die gefertigten Produkte sehr teuer?
Nehmen wir das Beispiel eines Besteckkastens für eine Schublade. Je nach Ausführung in Holz können Sie etwa mit einem Preis von 70 bis 80 Euro rechnen – für ein handwerklich nach Ihren Vorstellungen gefertigtes Produkt. Bei Ikea bekommen Sie den Besteckkasten natürlich billiger, aber es ist eben Massenware, die dann auch ggf. nicht genau in Ihre Schublade passt. Kunden, die sehr preissensibel sind, werden auf unserer Plattform vielleicht nicht fündig. Für Andere, die Wert auf Individualität, Nachhaltigkeit und Handwerkskunst legen, ist sie bestimmt das Richtige.
Wie errechnet sich der Preis?
Der Preis setzt sich aus dem Arbeitsaufwand, Materialkosten sowie zehn Prozent Kundengewinnungskosten, 10 Prozent Handling sowie den Kosten für die Lieferung und der Mehrwertsteuer zusammen. Auf unserer Webseite veröffentlichen wir die Kalkulation jedes einzelnen Projekts.
Mit welchen Schwierigkeiten hat es Ihr Unternehmen zu tun?
Die größte Herausforderung ist der Transport von Afrika nach Deutschland. Nach der Qualitätskontrolle der Ware wird sie einem lokalen Agenten übergeben, der den Transport nach Deutschland organisiert. Da wir noch keine großen Stückzahlen versenden, ist es schwierig einen passenden Logistiker zu finden. Gerade die Region Sub-Sahara ist besonders schlecht an das internationale Logistik-Netz angeschlossen. Ich finde es beschämend, dass es in den 30 Jahren, die Europäer dort als Entwicklungshelfer aktiv sind, noch nicht gelungen ist, dort eine erschwingliche Logistik aufzubauen. Das verhindert das Wachstum der Online-Plattformen in dieser Region massiv.
Das bekommen natürlich auch ihre Handwerkspartner zu spüren?
Ja, hier gibt es noch zu viele Barrieren, um effektiv Online-Handel zu betreiben und auch in andere Länder expandieren zu können. Auch hier versuchen wir nachhaltig transparent zu arbeiten, in dem wir unsere Handwerkspartner und ihre Arbeit auf unserer Website vorstellen. Uns ist es wichtig, auf einer Augenhöhe zu kommunizieren und unser Tun, verständlich und nachvollziehbar darzustellen.
Wie wird es mit Urban Change Lab weitergehen?
Auf jeden Fall versuchen wir die Logistik sukzessive zu verbessern. Das gelingt uns schon ganz gut, aber es bleibt noch viel zu tun. Wichtig ist auch, bekannter zu werden, damit noch viel mehr Menschen ihre kreativen Ideen umsetzten können und wir die Handelsbeziehungen zwischen Afrika und dem Rest der Welt weiter intensivieren können.