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Seit der Krise von 2010-2015 haben wir nicht mehr viel über Griechenland gehört. In diesen Jahren wurde das Land von einer Währungskrise heimgesucht, die Athen beinahe zum Austritt aus der Eurozone gezwungen hätte. Die Griechen nennen diese Zeit die “Große Krise”, und sie spüren noch immer die Nachwirkungen.

Im vergangenen Monat (April 2022) wurde bekannt gegeben, dass Griechenland seine Schulden beim Internationalen Währungsfonds in Höhe von 32 Milliarden Euro vorzeitig zurückgezahlt hat. Die Dinge entwickeln sich offenbar in die richtige Richtung. Allerdings sind noch EU-Darlehen in Höhe von fast 53 Milliarden Euro ausstehend. Auch die Staatsverschuldung von rund 200 Prozent spricht für sich. Während des Besuchs von Innovation Origins in Athen fiel uns die Armut auf: viele Obdachlose, schlechte Infrastruktur, vernachlässigte Häuser. 

Straßenszene in Athen
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Darlehen

Wichtiger als diese subjektive Sicht auf die Gegenwart sind die Pläne für die Zukunft. Der griechische Corona Recovery and Resilience Plan (RRP) ist von der Europäischen Kommission genehmigt worden. Im Juli 2021 gab der Rat grünes Licht für den Plan mit einem Volumen von über 30 Milliarden Euro. Einen Monat später erhielt Athen 4 Milliarden Euro als Vorfinanzierung.

Auffällig ist, dass Griechenland 17,8 Milliarden Euro an Subventionen aus dem Corona-Fonds erhält, aber auch 12,7 Milliarden Euro an Krediten. Eine ganze Reihe von Ländern verzichtet auf die Darlehenskomponente des RRP. Griechenland lehnt dies jedoch ab, da es darin eine vorteilhafte Finanzierung für den privaten Sektor sieht. Relativ gesehen (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) ist Griechenland der größte Empfänger von “Corona-Mitteln” innerhalb der Europäischen Union.

Agenda zum Klimawandel

Der Fonds kommt zum richtigen Zeitpunkt. “Bis vor kurzem wurde die politische Debatte von wirtschaftlichen und sozialen Fragen dominiert, die sich aus der ‘Großen Krise’ Griechenlands ergaben”, sagt Victoria Tsitsoni, Analystin für Wirtschaftspolitik beim World Wildlife Fund (WWF). Die griechische Sektion des WWF verfolgt die griechischen Bemühungen kritisch. Kurz vor dem Ausbruch der Pandemie, im Dezember 2019, veröffentlichte die Regierung ihren ersten nationalen Energie- und Klimaplan. Darin wurde eine Klimaschutzagenda verabschiedet, die als Katalysator für neue Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen dienen soll. 

Victoria Tsitsoni
© WWF Greece

Die ersten Ergebnisse sind sichtbar. So erzeugt das sonnenreiche Land zum Beispiel in beschleunigtem Tempo Solarenergie. Die installierte Leistung stieg in weniger als zwei Jahren von 2,3 GW auf 3,6 GW (Dezember 2021). Die hohe Überlastung des Stromnetzes ist jedoch ein Problem. Die künftige Netzinfrastruktur sollte zu einer verstärkten Entwicklung der erneuerbaren Energiequellen führen.

Griechenland hat bei der Beantragung der europäischen Corona-Mittel diesen eingeschlagenen Weg fortgesetzt. Mehr als ein Drittel des Fonds (38 Prozent) entfällt auf Maßnahmen, die die Klimaziele unterstützen. Dazu gehören Investitionen in die Modernisierung des Stromnetzes und die Stärkung des Fördersystems für Erzeuger erneuerbarer Energiequellen. Darüber hinaus unterstützt der Plan Kommunen, die die Klimaresilienz städtischer Gebiete stärken wollen.

Weitere Maßnahmen sind unter anderem die Unterstützung eines nationalen Aufforstungsprogramms und eine umfassende Strategie zur Verringerung von Überschwemmungen.

Griechischer Wohnungsbestand

Wie viele Mittelmeerländer, darunter Italien und Zypern, konzentriert Griechenland seine Corona-Mittel auf die Verbesserung der Energieeffizienz von Häusern und den Ausbau der mobilen Verkehrsinfrastruktur. Das RRP wird die Renovierung von mehr als 100.000 Gebäuden finanzieren, um deren Energieverbrauch bis 2025 um mindestens 30 Prozent zu senken. Das entspricht etwa 20 Prozent des griechischen Wohnungsbestands.

Darüber hinaus hat die griechische Regierung einen umfassenden Rechtsrahmen verabschiedet, um die Installation und den Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge in ganz Griechenland zu fördern. Damit ist das Land auf dem besten Weg, sein Ziel eines 30-prozentigen Anteils von Elektrofahrzeugen am Inlandsmarkt bis 2030 zu erreichen. Heute ist Griechenland noch weitgehend unplugged.

Straßenszene in Athen
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Keinen großen Schaden anrichten

Der griechische WWF ist in einem Punkt sehr kritisch, und zwar wenn es darum geht, ob die RRP-Investitionen tatsächlich so “grün” sind. Die Organisation sieht hier ein Problem, das für die gesamte Europäische Union gilt. “Wir sind besorgt, dass Investitionen und Projekte, die aus dem RRP finanziert werden, fälschlicherweise als grün bezeichnet werden oder gar den Umweltzielen der EU schaden könnten”, sagt Tsitsoni. “Dies ist darauf zurückzuführen, dass es an klaren und strengen Regeln für eine gute Unternehmensführung und an überprüfbaren Systemen zur Überwachung der Nachhaltigkeitsziele mangelt.”

Akropolis
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Der griechische WWF setzt sich daher gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen seit 2021 in Brüssel für die Durchsetzung der Vorschriften ein. Nach Ansicht der Griechen ist das Prinzip “Richte keinen großen Schaden an – Do No Significant Harm” (DNSH) der Übeltäter. Dieser Grundsatz bedeutet zwar, dass die Investitionen im Rahmen der Sonderfazilität (und anderer Fonds) der Umwelt keinen nennenswerten Schaden zufügen sollen.

“Die Anwendung dieses Grundsatzes geht jedoch am Ziel des Recoveryfonds vorbei.” Ein Beispiel sind die Investitionen in die Gasinfrastruktur, die auch Griechenland plant. “Das sind Investitionen, die nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen (2015, Anm. d. Red.) stehen. Solche Investitionen kommen jedoch für ein Darlehen im Rahmen der RRF in Betracht. Das ist ein schlechter Ansatz, denn eine neue Gasinfrastruktur könnte das griechische Energiesystem für viele Jahrzehnte auf einen kohlenstoffintensiven Pfad führen”, sagt Tsitsoni.

Fotos: Kinder bei der jährlichen Parade an den griechischen Feiertagen (Eröffnungsbild), Straßenszene in Athen, Victoria Tsitsoni vom WWF, Trolleybus in Athen, Plakat mit EU-Logo auf der Akropolis.

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