Erst vor wenigen Tagen machte einmal mehr ein Skandal um Tierquälereien in einem Versuchslabor in Hamburg Schlagzeilen. Bilder von blutenden Hunden in Käfigen und Affen, die an Metallgestellen fixiert waren, schockierten nicht nur Tierschützer und Tierfreunde. Leider ist das Labor in Hamburg aber kein Einzelfall und mehr oder weniger qualvolle Tierversuche sind aktuell unter anderem in der Kosmetikindustrie und insbesondere auch in der Medizin an der Tagesordnung.
Bevor Medikamente und andere Wirkstoffe zugelassen werden, werden sie mithilfe von Tierversuchen auf mögliche Nebenwirkungen und ihre Verträglichkeit untersucht. Als Ersatz für diese Tierversuche gab es bisher nur Zellkulturen, die jedoch nur zweidimensional sind und sich außerdem deutlich von Zellenverbänden und Organen des Menschen unterscheiden. An der Universität Leipzig haben Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Peggy Stock und gemeinsam mit dem Industriepartner KET Kunststoff- und Elasttechnik GmbH in zweijähriger Forschungsarbeit ein 3D-Zellkultursystem entwickelt, das eine Vielzahl von Tierversuchen ersetzen könnte.
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Silikonfäden aus dem 3D-Drucker
Bei der sogenannten 3D-Silikon-Plott-Technologie bilden Silikonfäden aus einem 3D-Drucker ein Gitter mit einer organähnlichen Struktur, das laut Stock gezeigt habe, dass „Ergebnisse von 3D-Zellkultursystemen viel besser auf den menschlichen Organismus übertragbar sind.“ Im im Projekt „Konzeption einer 3D-Silikonstruktur für die Kultur von Säugetierzellen“ arbeiten die Wissenschaftler mit einem Silikon, „das sehr elastisch ist und ungefähr dem entspricht, wie wir es bei Organen im menschlichen Organismus vorfinden.“
Nachdem Stock und ihre Kollegen ein Silikon gefunden hatten, das sich gut für die Nachbildung von Zellstrukturen und den 3D-Druck eignet, verpflanzten sie menschliche Stammzellen aus dem Fettgewebe in das Silikongitter und kultivierten sie in einem Brutschrank, um herauszufinden, ob das 3D-Zellkultursystem gegenüber bisher genutzten 2D-Zellkulturen Vorteile bietet. Durch die Anordnungen der Stammzellen auf dem 3D-Gitter konnten sie erreichen, dass diese Zellen sich wie Zellen im menschlichen Körper verhalten.
Eindeutige Vorteile gegenüber 2D-Kulturen
Dabei habe sich nach Aussage von Stock gezeigt, dass die Zellen das 3D-Gitter besiedeln und dabei selbst dreidimensionale Zellstrukturen bilden. Die natürlichen Eigenschaften der Zellen wie beispielsweise die Kommunikation untereinander bleibe so erhalten. Darüber hinaus hätten die aus den Stammzellen entstandenen Leberzellen im 3D-Gitter im Vergleich zu Zellen der 2D-Kultur eine deutlich bessere Funktion.
Die Wissenschaftler erklären, das neue Silikongitter habe vzwar eine Möglichkeit geschaffen, „Vorhersagen über die Machbarkeit von Neuentwicklungen im Bereich der Medizin und Arzneimittel zu machen“. Trotzdem seien Tierversuche auch in Zukunft nötig, wenn auch nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher. Laut den Förderrichtlinien des Projekts ist die Seriennutzung des 3D-Gitters in der Forschung bis zum Jahr 2025 vorgesehen.