Diese Woche verkündete die EU-Kommission demnächst neue CO2-Vorgaben für den Transportverkehr einführen zu wollen. So soll zukünftig der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß neuer Fahrzeuge von 2030 an um 30 Prozent niedriger liegen, als derzeitig der Fall. Bis 2025 sollte der Wert um 15 Prozent sinken. Zudem möchte Brüssel Anreize für den Einsatz emissionsfreier oder zumindest emissionsarmer Fahrzeuge schaffen. Um das umsetzen zu können, hieße es für alle Beteiligten einiges in die Wege zu leiten. Welche Rolle zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen der alternative Kraftstoff LNG im Straßengüterverkehr und in der maritimen Schifffahrt spielen könnte, untersucht eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der TU Hamburg (TU HH), die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Sie könnte Anhaltspunkte für die Umsetzung der angepeilten Pläne bieten. Denn die Wissenschaftler erforschten das Potenzial von flüssigem Erdgas bzw. LNG (Liquefied Natural Gas) als zukünftigen Antrieb für Lkw‘s und Schiffe. Demnach können im Jahr 2040 im europäischen Straßengüterfernverkehr bis zu 4,7 Millionen Tonnen und im weltweiten Schiffsverkehr etwa 132 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen per Jahr eingespart werden. Zwar ist auch der Einsatz von Erdgas nicht unumstritten, doch ist der Blick in die Studie durchaus interessant.
Pro-LNG-Szenario
Die Forscher entwickelten für ihre Studie ein Pro-LNG-Szenario. Dieses zeigt auf, wie sich der Kraftstoff LNG bei Seeschiffen (weltweit) und schweren Lkw (innerhalb Europa) bis zum Jahr 2040 im Gütertransportmarkt etablieren könnte. Die berechneten Einsparungen von Treibhausgas-Emissionen beziehen sich dabei auf die gesamte Produktionskette (Well-to-Wheel oder WtW). So berechneten die DLR-Wissenschaftler vom Institut für Verkehrsforschung, dass bis 2040 etwa 17 Prozent der schweren Lkw im europäischen Fernverkehr mit LNG angetrieben werden könnten. Die Forscher nahmen unter anderem an, dass der spezifische Kraftstoffbedarf eines neuen LNG-Lkw im Jahr 2040 infolge von Technologieentwicklungen noch um mehr als 30 Prozent effizienter werden könnte. Um die Emissionen weiter zu senken, könnte zudem das Erdgas Biomethan oder Methan, das aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, beigemischt werden. Somit würden, wenn dem fossilen LNG zudem 30 Prozent erneuerbares LNG aus Biomasse oder Reststoffen beigemischt wird, im Szenariojahr 2040 insgesamt etwa 10 Millionen Tonnen Emissionen jährlich eingespart werden. „Neben den Anstrengungen zur Optimierung der Dieseltechnik müssen wir künftig auch einen Fokus auf die Nutzung von alternativen Antrieben und Kraftstoffen sowie erneuerbaren Energien legen. Nur so kann der Straßengüterverkehr dazu beitragen, Treibhausgas-Emissionen einzusparen”, so DLR-Projektleiter Andreas Lischke.
Technologieentwicklung abgeschlossen
Lischke ergänzt: „Die Vorteile von LNG sind, dass die erforderliche Technologieentwicklung bereits abgeschlossen ist, heute schon Serien-Lkw angeboten werden und die notwendige LNG-Infrastruktur aufgebaut werden kann.” Im Gegensatz zu Technologien wie Brennstoffzellen oder Elektromobilität könnten demnach Erfolge mit dem Einsatz von LNG im Straßengüterfernverkehr schneller und kostengünstiger erzielt werden. Einen weiteren Vorteil, so heißt es in einer Pressemitteilung, böten die leiseren Motoren. So ist es beispielsweise in den Niederlanden schon erlaubt, dass Lkw mit LNG-Antrieb auch nachts in bewohnten Gebieten Lieferfahrten durchführen dürfen.
Infrastruktur muss aufgebaut werden
„Obwohl bereits drei europäische Fahrzeughersteller LNG-Lkw anbieten und obwohl der Tankstellen-Bestand in einigen EU-Mitgliedsländern wächst, bedarf es weiterer Anstrengungen seitens Industrie und Politik, um die Verfügbarkeit von LNG so zu gestalten, dass es eine attraktive, flächendeckende Alternative für die Nutzer wird”, erläutert Lischke den aktuellen Stand. Derzeitige Spitzenreiter sind Spanien mit 37 LNG-Tankstellen, Italien mit 31 und Frankreich mit 27. In Deutschland bieten lediglich drei öffentliche Tankstellen flüssiges Erdgas an. Die EU-Rahmenrichtlinie gibt den Aufbau der Kraftstoffinfrastruktur für alternative Kraftstoffe bis 2025 vor. Zwei Initiativen haben den Aufbau von LNG-Tankstellen in Deutschland angekündigt.
LNG als Kraftstoff für Schiffe
Für die Schifffahrt zeigen die Ergebnisse der Studie den Einsatz von LNG-Motoren als eine zeitnahe Alternative zum Diesel-Motor auf. Das International Transport Forum (ITF) ermittelte, dass die Schifffahrt im Jahre 2015 etwa 71 Prozent der globalen Güterverkehrsleistung erbrachte. Diese Transportleistung soll sich bis zum Jahr 2050 noch verdreifachen. Aufgrund ständig steigender Auflagen für die Luftschadstoffemissionen rücken deshalb alternative Kraftstoffe für Schiffe zunehmend in den Fokus.
Derzeit müssen die Abgase von Diesel-Motoren bei Schiffen nur in wenigen Meeresgebieten Schadstoffgrenzwerte erfüllen. So unterliegen auch deren Treibhausgas-Emissionen keiner Regulierung. Doch es wird an Veränderungen durch weitere Regulierungen gearbeitet. LNG als Schiffskraftstoff setzt bei der Verbrennung deutlich weniger Luftschadstoffe wie Stickstoffoxide und kaum Feinstaub-Partikel, aber auch weniger Treibhausgas-Emissionen frei. LNG kann sich im Schiffsverkehr unter entsprechenden Rahmenbedingungen vor allem bei Containerschiffen, Kreuzfahrtschiffen und Fähren sowie bei Tankern durchsetzen. Bis Ende des Jahres 2018 verkehrten weltweit 125 mit LNG angetriebene Seeschiffe sowie 230 große LNG-Transportschiffe. Bis Mitte der 2020er Jahre erwarten die Forscher einen LNG-Schiffsbestand von etwa 400 Schiffen. Im Szenariojahr 2040 halten sie etwa 6000 Schiffe für möglich.
Hintergrund
Über ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen der EU im Verkehr werden durch schwere Lkw verursacht. Diese Bilanz konnte in den vergangenen Jahren kaum gesenkt werden. Die Schifffahrt verursacht aktuell etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Auch sie muss umweltverträglicher werden, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Dieselmotoren sind immer noch der Standardantrieb für Schiffe und Lkw. Als potenziell umweltfreundlichere Kraftstoffalternative gilt verflüssigtes Erdgas. In Zukunft könnte durch LNG im Schiffsverkehr sowie Straßengüterfernverkehr gesamt jährlich bis zu 136,7 Millionen Tonnen direkter Treibhausgas-Emissionen eingespart werden. Dies zeigen die Ergebnisse einer Studie zum Einsatz von LNG im Fernverkehr bei Lkw und Schiffen. Die Studie wurde im Auftrag von Shell in Zusammenarbeit mit dem DLR sowie der TU HH durchgeführt und gerade veröffentlicht. Die vollständige Studie ist hier nachzulesen.
Bild oben: Über ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen der EU im Verkehr werden durch schwere Lkw verursacht © Pixabay