Vanja Subotić, TU Graz (c) TU-Graz - Baustädter
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„Wenn wir bis 2050 ein klimaneutrales Europa erreichen wollen, müssen wir das ganze Energiesystem umstellen. Weil das nicht so schnell geht, gehen wir schrittweise vor. Zuerst setzen wir effizientere Technologien mit deutlich weniger Treibhausgasmissionen ein und dann steigen wir auf umweltfreundliche Brennstoffe um, wie zum Beispiel Wasserstoff,“ sagt Vanja Subotić die Leiterin der Brennstoffzellenforschung am Institut für Wärmetechnik an der TU Graz.  

Eine effiziente und saubere Technologie sieht die 32-Jährige in Brennstoffzellen, die keine Stickoxide (NOx), keine Schwefeloxide (SOx) und kaum CO2 aussenden. Bis sie aber genauso gut entwickelt sind wie Verbrennungskraftmaschinen, sei noch viel Forschungsarbeit notwendig. In Japan laufen Programme zur Kommerzialisierung schon seit zehn Jahren. Dort wurden mehr als 400.000 Brennstoffzellenanlagen zur Bereitstellung von Elektrizität, Wärme und Warmwasser in Haushalten installiert, sowie mehrere Brennstoffzellenkraftwerke mit einer Leistung von mehr als 200 Kilowatt, so Subotić. Sie forschte 2019 vier Monate in Japan: am größten Forschungszentrum für Wasserstoffenergie – dem International Research Center for Hydrogen Energy in Fukuoka und an der Kyushu University.

Das Forschungsproblem, mit dem sie sich beschäftigt, sind die rapiden Alterungsprozesse von Festoxid-Brennstoffzellen (Hochtemperaturbrennstoffzellen).

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Aktuell forscht sie mit ihrem Kollegen Michael Höber und dem Leiter des Institut für Wärmetechnik, Professor Christoph Hochenauer im internationalen Projekt AGRO-SOFC. Die Abkürzung SOFC steht für  die englische Bezeichnung für Festoxid-Brennstoffzellen: solid oxide fuel cell. Gemeinsam mit den österreichischen Projektpartnern 4ward Energy Research GmbH, Reiterer & Scherling GmbH und Enexsa GmbH sowie dem spanischen Industriepartner Inkoa wollen sie die Technologie für den Einsatz in der Agrarindustrie vorantreiben. Der Industriepartner betreibt ein Gewächshaus in Bilbao und möchte die Energie für seine Tomatenproduktion effizienter und umweltfreundlicher gewinnen. Die Forscherin im Interview mit Innovation Origins:

Wie wird die Energie für das Gewächshaus derzeit gewonnen – und was ist das Problem daran?

Derzeit werden Heizölkessel genutzt, um Wärme zu produzieren. Eine simultane Elektrizitätsproduktion ist nicht möglich. Daher ist zusätzlich eine externe Stromversorgung notwendig. Problematisch ist auch, dass der Betrieb von Heizölkesseln sehr hohe CO2- und Schadstoffemissionen verursacht.

Sie setzen im Projekt AGRO-SOFC Festoxid-Brennstoffzellen ein. Wo liegen die Vorteile?

Bei Festoxid-Brennstoffzellen haben wir es mit chemischer Energie zu tun, die in der Brennstoffzelle direkt in elektrische Energie umgesetzt wird. Dadurch gibt es keine Zwischenschritte, die zu einem Energieverlust führen könnten und man kann recht hohe Wirkungsgrade erreichen. (Anmerkung: Der Wirkungsgrad sagt, wie viel Brennstoff in der Produktion von elektrischer Energie wirklich effizient umgesetzt wird.) 

Ein weiterer Vorteil von Festoxid-Brennstoffzellen ist, dass man ganz unterschiedliche Brennstoffe verwenden kann, um elektrische Energie zu gewinnen: Wasserstoff, Erdgas, Ammoniak und sogar kohlenstoffhaltige Brenngase. Man kann auch wechseln und den Brennstoff verwenden, den man gerade zur Verfügung hat – und das alles mit der gleichen Technologie.

Festoxid-Brennstoffzelle
Festoxid-Brennstoffzelle (c) TU-Graz – Lunghammer

Foto: Die keramische Brennstoffzelle hat auf der einen Seite eine Brennstoffelektrode und auf der anderen Seite eine Luftelektrode. Im Bild zu sehen ist die Luftelektrode, die Luft in Form von Sauerstoffionen zur Dieselbrennstoffelektrode sendet. Dadurch wird der Brennstoff direkt oxidiert, das heißt in elektrische Energie umgesetzt.

Was qualifiziert Festoxid-Brennstoffzellen für den Einsatz im Gewächshausprojekt?

Derzeit wird der Brennstoff Diesel verwendet und wir möchten die Treibhausgasemissionen reduzieren, ohne den Brennstoff zu wechseln. Da sind Festoxid-Brennstoffzellen die einzige Option. Außerdem können wir damit den Brennstoff Diesel deutlich besser ausnutzen und mehr Effizienz für die Herstellung von elektrischer Energie und Wärmeenergie erreichen.

Die SOFC-Technologie, die sie entwickeln ist mit CO2-Rückführung gekoppelt?

Ja, es ist möglich, unser Brennstoffzellensystem mit CO2-Rückführung zu koppeln. Wir werden das in dem Projekt auch theoretisch planen, aber noch nicht umsetzen. Bei der Energiegewinnung mit der Hochtemperaturbrennstoffzelle entsteht auf  jeden Fall ein wenig CO2 und das könnten wir weiter für die Pflanzen im Gewächshaus verwenden. Pflanzen brauchen CO2 um zu wachsen. Was wir schon wissen, ist, wie viel CO2 sie brauchen und wie viel CO2 im System entsteht.

Zunächst konzentrieren wir uns aber auf die Frage, wie unser Brennstoffzellensystem realisiert werden kann, damit es problemlos läuft. Dazu entwickeln wir alle notwendigen Komponenten hier am Institut. Zum Beispiel können wir in der Festoxid-Brennstoffzelle nur gasförmige Brennstoffe verwenden, Diesel ist aber flüssig. Um Diesel vom flüssigen in den gasförmigen Zustand umzuwandeln, haben wir einen Reformer entwickelt. Wir haben also den Reformer und das Brennstoffzellensystem als Hauptkomponenten und müssen das System so anlegen, dass keine zusätzlichen Energieverluste entstehen.

Festoxid-Brennstoffzelle
Stack (c) TU-Graz – Baustädter

Foto: Eine Zelle kann zwar ziemlich viel Strom liefern, aber die Spannung ist gering. Um höhere Spannung zu erreichen, arbeitet man mit zehn Zellen in einem Stack.

Sie wollen in dem Projekt die Lebensdauer von Festoxid-Brennstoffzellen verlängern. Wie hoch ist die Lebensdauer aktuell?

Das hängt davon ab, wie man die Betriebsparameter definiert, ob das System kontinuierlich mit denselben Einstellungen arbeitet oder die Einstellungen öfters gewechselt werden. Zum Beispiel macht es einen Unterschied, ob man ständig den gleichen Brennstoff verwendet, oder immer wieder wechselt. Aber zunächst möchten wir schon mehr als 40.000 Betriebsstunden (Anmerkung: circa 4 ½ Jahre) erreichen.

Wie entsteht der Alterungsprozess?

Als Degradation oder Alterung bezeichnen wir die rasch abnehmende Zell-Leistung der Festoxid-Brennstoffzelle. Sie kann durch verschiedene Mechanismen hervorgerufen werden. Betroffen sind aber jedenfalls die Materialien. Wenn Festoxid-Brennstoffzellen mit kohlenstoffhaltigen Gasen betrieben werden, kann es zum Beispiel unter bestimmten Bedingungen dazu kommen, dass sich der Kohlenstoff aus dem Gas löst und sich an der Zellenoberfläche ablagert. Weitere problematische Faktoren sind Temperatur- und Lastwechsel. Beides kann mechanische Spannungen verursachen, die zu irreversiblen Rissen und Ablösungen der Oberflächen und somit zur mechanischen Zerstörung der Zelle führen können. Aber auch bei einer zu hohen Brennstoffausnutzung kann es zu Degradation von Materialien kommen.

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Wir planen diese Betriebsparameter schon bevor wir zu den Versuchen im Labormaßstab übergehen. Im Labor setzen wir dann bestimmte Überwachungsmethoden ein. Sobald wir sehen, dass etwas nicht optimal läuft, können wir sofort reagieren und mit verschiedenen, von uns entwickelten Methoden geeignete Gegenmaßnahmen treffen.

Man kann natürlich auch neue Materialien entwickeln. Aber das ginge in Richtung Materialforschung. Das machen wir nicht. Wir versuchen, aus dem Vorhandenen das Beste zu machen.  

Welche Methoden haben Sie entwickelt, um den Zustand des Systems zu erkennen?

Aufgrund der vielen Untersuchungen, die wir schon gemacht haben, wissen wir, wie sich das System verhält, wenn es zu bestimmten Schädigungsmechanismen kommt. Zusätzlich geben uns unsere Diagnosesysteme laufend Informationen über das System. Diese basieren im Wesentlichen auf der Strom- und Spannungsmessung. So können wir Systemfehler früh erkennen – vor allem in den Brennstoffzellen. Außerdem können wir diese Informationen nutzen, um die Betriebsstrategie zu adaptieren.

Das ist vergleichbar mit der medizinischen Diagnostik, wo die Detektion des aktuellen Gesundheitszustandes (Ist-Zustand der Zelle), sowie die Ursache der auftretenden Symptomatik (Bestimmung der Schädigungsmechanismen) die Grundlage für die spätere Behandlung des Patienten (Regenerationsstrategie) darstellen.

Was würde ein erfolgreicher Abschluss des Forschungsprojektes für den Stand der Technik in stationären Festoxid-Brennstoffzellen bedeuten?

Wir werden mit unserer Demonstrationsanlage zeigen, dass die SOFC-Technologie in einer realen Umgebung über einen längeren Zeitraum wirklich gut funktioniert, ohne dass es zu unerwarteten Problemen oder Schädigungen kommt. Wenn es kleine Probleme gibt, dann können wir diese frühzeitig erkennen und lösen. Zwar wird unser System zunächst in Spanien eingesetzt, aber es soll dann auch unabhängig vom lokalen Klima gut funktionieren. Auch kann die Anlage für unterschiedliche Anwendungen eingesetzt werden. Denn die Produkte, die wir brauchen, sind immer dieselben: Strom, Wärme und Warmwasser – egal ob das ein Industriebetrieb ist oder Haushalte in einer Wohnsiedlung.

Danke für das Gespräch.