Ob ambitionierter Mountain-Biker oder gemütlicher Stadt-Cruiser: Wer einmal Pedelecs gefahren ist, mag sie nicht mehr missen. Denn zu angenehm ist das Gefühl, jederzeit auf den bequemen Antrieb zurückgreifen zu können. Wenn da nicht das Problem mit dem Laden des Akkus wäre. Derzeit dauert eine vollständige Ladung zwei bis vier Stunden. Das heißt also: man muss eine lange Pause machen, um weiterfahren zu können.
Doch dies könnten sich bald ändern: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die auf E-Mobility spezialisierte Coboc GmbH & Co. KG arbeiten derzeit an einem Schnellladeverfahren für E-Bikes beziehungsweise Pedelecs für die Stadt. Die elektrisch betriebenen Zweiräder unterscheiden sich übrigens im Antrieb: E-Bikes fahren schon per Knopfdruck los und bei Pedelecs (Pedal Electric Cycle) startet der Antrieb durch das Treten der Pedale.
Kompakter Akku für die Stadt
Bei einem City-Bike reicht meist eine kleinere Batterie mit geringerer Reichweite. Dies macht ein Stadt-Pedelec erstens günstiger als andere elektrisch betriebene Bikes und zweitens schont es die Umwelt. Doch sollten mal weitere Strecken zurückgelegt werden, wäre eine Schnellladung von Vorteil. Gerade bei einer kompletter Akku-Entladung ist das bisher noch nicht möglich. „Deswegen wollen wir ein Schnellladesystem für E-Bikes entwickeln, das kompakt und leistungsfähig ist, aber auch nutzer- und umweltfreundlich“, erklärt Nicolaus Lemmertz, Wissenschaftler am Elektrotechnischen Institut (ETI) des KIT und Leiter des Projektes.
Das neue Schnellladeverfahren soll auf Lithium-Ionen-Zellen mit hoher Lebensdauer basieren. Zudem soll es über einen vergleichsweise starken Ladestrom von bis zu zehn Ampere verfügen und an normalen 230-Volt- Steckdosen ‒ bei einem komplett leeren Akku ‒ in weniger als einer Stunde aufgeladen werden können. Die Zwischenladung wäre dann entsprechend kürzer.
Zudem soll das Batterie-Managementsystem eine Diagnosefunktion erhalten. Dieses soll während der Nutzung des E-Bikes die gemessenen Daten über eine Internet-of-Things-Lösung (IoT) erfassen, analysieren und in die interne Cloud des Radherstellers Coboc streamen. Die Daten geben Aufschluss über den Ladezustand der Batterie, den sogenannten State of Charge (SOC), sowie ihren Gesamtzustand im Vergleich zu einem neuen Akku, also den State of Health (SOH). Beide Kennwerte bedingen einander.
Die Ergebnisse der Datenauswertung werden dem Nutzer sowie Hersteller grafisch aufbereitet zur Verfügung gestellt. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Optimierung des E-Bikes, eine entsprechende Anpassung des Gesamtsystems und im Sinne einer vorausschauenden Wartung auch stets aktuelle Informationen über den Batteriestatus.
Vollintegrierter Einbau
Der Akku soll übrigens vollintegriert im Rahmen verbaut werden. Dies hilft Gewicht und somit Kosten zu sparen. Auch ermöglicht diese Bauweise eine bessere Wärmeabfuhr. Doch der größte Vorteil ist sicher die höhere Betriebssicherheit. Denn es werden weniger Stecker und Kontaktstellen, die zu Bruch und Korrosion führen können, benötigt. Einziger Nachteil ist, dass der Austausch des Akkus durch den Nutzer nicht möglich ist.
Innerhalb des Projektverbunds übernimmt das KIT unter anderem die Auswahl und Bewertung der infrage kommenden Lithium-Ionen-Zellen. Auch ist das Institut für die Lebensdaueruntersuchung ausgewählter Zellen sowie die Entwicklung des Schnellladeverfahrens und eines Diagnosesystems, das den Lade- sowie Gesamtzustand der Batterie (SOC und SOH) umfasst, verantwortlich.
Gefördert vom BMWi
Coboc hingegen obliegt die Anforderungsanalyse und Entwicklung des Betriebs-Managementsystems. Auch zeichnet sich das Unternehmen für die Implementierung des IoT-Systems mit dem dazugehörigen Server Back End sowie die Hardware und deren Integration im Elektrofahrrad verantwortlich. „Durch den Vertrieb von E-Bikes mit einem solchen smarten System können wir nicht nur unseren Marktanteil erhöhen, sondern auch für mehr Nachhaltigkeit sorgen“, betont Coboc-Geschäftsführer David Horsch. Das Projekt wird im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und läuft noch bis Ende September 2021.
In dieser Zeit werden an einem Prototypen erste Feldtests durchgeführt. Zwar ist noch kein genauer Markteinführungstermin bekannt, doch er wird sicherlich im Anschluss an das Projekt angestrebt. Übrigens: Wer die Reichweite seines Akkus erhöhen möchte, der kann sich mit vorauschauendem Verhalten behelfen. Dazu gehören zum Beispiel auf ausreichend Reifendruck zu achten, möglichst wenig Gewicht zu transportieren, im gemäßigten Modus anzufahren und auch eine möglichst ebene Fahrtstrecke zu wählen. Und, gut zu wissen: Wenn der Akku nicht ständig komplett entladen wird, hält er länger.
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