Vor nicht allzu langer Zeit hat die Ampel-Koalition ein mutiges Statement gemacht: bis zum Jahr 2030 möchte man 15 Mio. Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen sehen.
Wo liegt das Problem?
Vermutlich hat sich keiner der Protagonisten die Mühe gemacht, einfache mathematische Berechnungen durchzuführen, weshalb ich mich genötigt sehe, dies heute nachzuholen.
In Deutschland sind laut Kraftfahrt-Bundesamt derzeit 48,5 Mio. Pkw zugelassen. Der Anteil an reinen Elektrofahrzeugen (ohne PHEV und HEV) beträgt daran etwa 700.000 Einheiten im Mai 2022. In den letzten Jahren sanken die Zulassungen von Neufahrzeugen auf einen Wert von rund 2,6 Mio. Einheiten jährlich. In diesen 2,6 Mio. Fahrzeugen sind auch die Neuzulassungen von BEVs enthalten.
Noch 8 Jahre bis 2030
In 8 Jahren könnten also mindestens 8×2,6 Mio. Neufahrzeuge zugelassen werden, die weitgehend Altfahrzeuge ersetzen. Das allerdings nur, wenn der Zuwachs in etwa so wie in den letzten 3 Jahren stagniert, was infolge der anhaltenden Nachschub- und Chipkrise wahrscheinlich ist, aber nicht für immer so anhalten wird. Gehen wir trotzdem von diesen 20,8 Mio. Autos in 8 Jahren aus. Eine äußerst beeindruckende Zahl.
2022 wurden im ersten Halbjahr 1,238 Mio. Pkw zugelassen. Davon waren 167.263 reine Elektrofahrzeuge. Mithin also ein Marktanteil von 13,5 Prozent.
Ab 2023/24 müssen fast alle Neuzulassungen Elektrofahrzeuge sein, oder die Rechnung geht nicht auf!
Gehen wir davon aus, dass 2023 20% aller Neuzulassungen Stromer sind, wären das immerhin 520.000 Einheiten, fast dreiviertel so viele E-Fahrzeuge, wie heute auf deutschen Straßen unterwegs sind. Abgesehen davon, dass die OEMs derzeit infolge der Lieferkettenkrise gar nicht in der Lage sind, solche Stückzahlen zu liefern, müssten in den restlichen 7 Jahren ab 2023 dann 13,78 Mio. Elektrofahrzeuge zugelassen werden. Das wären jährlich fast 2 Mio. E-Fahrzeuge.
Ladenetz
Zudem bremst der schleppende Aufbau des Ladenetzes in Deutschland laut einer aktuellen Studie den Umstieg auf Elektroautos. Die Unternehmensberatung PwC kam in einer am Ende Juni veröffentlichten Analyse zu dem Ergebnis: „Deutschland wird das Ziel von 15 Millionen zugelassenen Elektroautos bis 2030 deutlich verfehlen und nur 10,5 Millionen E-Fahrzeuge auf die Straße bringen.“ Selbst für diese 10,5 Millionen wären mindestens 340.000 öffentliche Schnellladepunkte nötig. „Beim derzeitigen Tempo werden allerdings nur 210.000 erreicht.“
Auch die korrigierte Stückzahl-Erwartung des professionellen Unternehmens PwC wird sich kaum realisieren lassen, denn das würde bedeutet, dass ab 2023 jährlich mindesten 1,5 Mio. Elektroautos zugelassen werden müssen.
Energieproblematik
Dass diese 15 Mio. oder auch nur 10,5 Mio. Elektrofahrzeuge dann 2030 eine Menge Strom ziehen werden, vor allem in den Abendstunden, dürfte auch klar sein. Da heute noch keine konkreten Planungen zu einem intelligenten Netz V2G-Technologien und anderen Dingen vorliegen und auch die Ladeinfrastruktur derzeit kaum Fortschritte macht, dürften dann die Abendstunden in bestimmten Gegenden versorgungstechnisch äußerst spannend werden. Vor allem vor dem Hintergrund der grandiosen deutschen Energiepolitik.
Aber das ist ein Thema für eine andere Kolumne.
Über diese Kolumne:
In einer wöchentlichen Kolumne, die abwechselnd von Eveline van Zeeland, Eugene Franken, Katleen Gabriels, PG Kroeger, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla, Willemijn Brouwer und Colinda de Beer geschrieben wird, versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, die manchmal durch Gastblogger ergänzt werden, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Bitte lesen Sie hier die bisherigen Episoden.