Der Geo-Informatiker Ioannis Giannopolous mit Datenbrille, Helmkamera, Eye-Tracker und Sensoren-Armbändern. (c) TU Wien
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Die Orientierung in fremden Städten ist durch Smartphone-Apps einfacher geworden. Aber herkömmliche Systeme wissen nicht, wie sich Menschen in Städten wirklich orientieren. Der Geo-Informatiker Ioannis Giannopoulos weiß es – und arbeitet an einem Navigations-Assistenten, der dann in Erscheinung tritt, wenn Hilfe notwendig ist.

Giannopoulos möchte eine Navigations-Technologie entwickeln, die nicht mehr die gesamte Aufmerksamkeit beansprucht, sondern diskret und präzise Hinweise gibt. Das könnte zum Beispiel ein Navigations-Assistent sein, der das Handy vibrieren lässt, wenn der Nutzer an der Straßenkreuzung seinen Blick in die richtige Richtung richtet.

Der Geo-Informatiker betont, dass die Technologie keine Abhängigkeit auslösen soll. Vielmehr soll diese die Intuition ansprechen und in der Vorstellung einen Plan entstehen lassen, welcher auch ohne elektronische Hilfsmittel Orientierung bietet.

Die Geo-Informatik ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet und liegt an der Schnittstelle von Mathematik, Informatik und Geographie. Giannopoulos knüpft in seinem Projekt zusätzlich an die Kognitionswissenschaften und die Stadtplanung an. Neben Forschungsinstrumenten wie Sensoren, Satellitendaten und Computercodes spielt auch der Austausch mit Forschungsteams aus Psychologie und Stadtplanung eine Rolle.

Orientierungs-Strategien

Das Interesse an der Interaktion von Mensch und Maschine entdeckte Giannopoulos in seinem Masterstudium an der Universität Saarbrücken, wo er am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz forschte. In seiner Dissertation an der ETH Zürich kam die räumliche Komponente ins Spiel. Giannopoulos untersuchte das Orientierungsverhalten von Menschen in der Stadt Zürich. Dabei arbeitete er mit Probanden, die mit papierbasierten Stadtplänen und einer Eye-Tracking-Brille durch die Stadt liefen. Die Eye-Tracking-Brille zeichnete deren Blickrichtung auf. In der Auswertung der Daten konnte der Wissenschafter zwei verschiedene Strategien erkennen:

  • Ein Teil der Probanden fokussierte markante Gebäude in der Umgebung und suchte diese dann auf der Karte;
  • Ein anderer Teil fokussierte Elemente in der Karte und suchte diese dann in der Umgebung;

Darüberhinaus ermöglichen die Daten auch die Messung der Erfolgsquote.

2018 wurde der Einunddreißjährige als jüngster Professor an die TU Wien berufen, wo er eine Forschungsgruppe für Geo-Information aufbaut. Kurz nach Antritt seiner Professur wurde er in das Entwicklungszentrum des  amerikanischen Geo-Informations-Software-Herstellers ESRI aufgenommen, in dem hervorragende universitäre Lehre und Forschung unterstützt wird.

Nutzungszwecke

In der Zwischenzeit ist seine Forschungsarbeit so weit fortgeschritten, dass er auf Basis von künstlicher Intelligenz die Absicht des Nutzers eines Stadtplans einschätzen kann. Er kann unterscheiden, ob dieser gerade eine Route plant, nach einem Restaurant in der Nähe sucht oder eine andere Aufgabe lösen möchte.

Neben der Frage der menschlichen Orientierung geht es in Geo-Information auch um das Auffinden von uneinsehbaren unterirdischen Infrastrukturen wie Abwasser-Rohren bei Bauarbeiten.

Zukunftsweisendes Potenzial sieht der Geo-Informatiker Giannopoulos in Mixed Reality, in der auf Basis einer Bildschirmbrille zusätzliche Informationen in die natürliche Umgebung eingeblendet werden können. (c) TU Wien

 

Technische Grundlagen

Die technischen Grundlagen der Technologie sind komplex, fußen jedoch wesentlich auf Geräten mit zuverlässiger Standort-Erkennung. Im Freien werden GPS-Daten angewendet. In Innenräumen können zusätzlich optische Kameras mit Wiedererkennungs-System eingesetzt werden. Zur Messung von Bewegungen und Drehungen stehen verschiedene Sensoren zur Verfügung.

Zukunftsweisendes Potenzial sieht Giannopoulos in Mixed Reality, in der auf Basis einer Bildschirmbrille zusätzliche Informationen in die natürliche Umgebung eingeblendet werden können. Diese Technologie ist zum Beispiel hilfreich beim Reparieren technischer Anlagen oder Leitungsrohre, die sich uneinsehbar unter dem Straßenasphalt befinden.

Geo-Information

Giannopoulos spricht von Geo-Information als einer Nische, die gerade weltweit stark an Aufmerksamkeit gewinnt. Dies zeigte sich auch daran, dass er nach seinem Masterstudium an der Universität Saarbrücken von der ETH Zürich ein Angebot für eine Dissertationsstelle im Team von Prof. Dr. Martin Raubal am Institut für Kartographie und Geo-Information bekam. Raubal untersucht, wie Menschen standortbezogene, mobile Rauminformationen in Entscheidungsprozessen einsetzen – zum Beispiel im Tourismus oder in der Kommunikation. Der Fokus liegt dabei auf Geoinformationssystemen (GIS) und standortbezogenen Diensten (location-based services LBS). Dazu zählen Navigationsgeräte, Informations- und Notrufdienste sowie allgemein Angebote, die  Nutzer mit Informationen zum aktuellen Standort versorgen.

Für seine Dissertation zum Orientierungsverhalten von Menschen in der Stadt erhielt Giannopoulos den Culmann-Preis für ausgezeichnete Dissertation.

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