Wegen der Corona-Krise läuft zwar auch beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) momentan alles nur auf Sparflamme, von Stillstand kann aber keine Rede. So testen Techniker, ob sich 3D-Drucker, die normalerweise Modelle für die Luft- und Raumfahrtforschung herstellen, für die Herstellung von Schutzmasken und von Komponenten für Beatmungsgeräte nutzen lassen. Wie übrigens auch das Formel-1-Team von Mercedes aktuell keine neuen Teile für die F1-Boliden baut sondern Beatmungsgeräte für Coronavirus-Patienten.
Beim DLR geht die Arbeit auch an anderen Projekten weiter. Im Rahmen des Projekts „AgriSens DEMMIN 4.0 – Fernerkundungstechnologien für die Digitalisierung im Pflanzenbau” werden geeignete Technologien in einem regionalen Experimentierfeld in Mecklenburg-Vorpommern erprobt. Solche Daten können Landwirten helfen, die Produktivität zu erhöhen, gleichzeitig aber die Umwelt zu schonen und die Biodiversität zu steigern.
Testfeld in Mecklenburg-Vorpommern
„Es geht uns hierbei vor allem um die Erprobung von Technologien für Anwendungen, die Landwirten zukünftig helfen sollen, Ernteerträge abzuschätzen, Flächen mit minderen Erträgen zu erfassen oder aber auch über die Feuchtigkeit des Bodens Aussagen treffen zu können”, sagt Prof. Erik Borg vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum in Neustrelitz. Hierfür würden laut Aussagen der Forscher Geodaten verwendet, die von Fernerkundungssensoren auf Satelliten oder Drohnen aufgenommen werden.
Das Testfeld DEMMIN liegt rund 220 Kilometer nördlich von Berlin, in der Nähe von Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. „Insbesondere die vielfältige Landschaft, die wir hier vorfinden, ermöglicht uns, auf relativ begrenztem Raum verschiedenste Fernerkundungsanwendungen unter verschiedenen Rahmenbedingungen mit vertretbarem Aufwand zu entwickeln und zu testen”, erklärt Borg weiter. „Schon die Pixelauflösung der Sensoren stellt eine Herausforderung für landwirtschaftliche Anwendungen dar. Die Digitalisierung in der Landwirtschaft soll helfen, die Aufwendungen zur Daten- und Informationsgewinnung sowie der darauf aufbauenden Beratung zu verbessern.”
Wissenschaftliche Grundlagen vom DLR
Am „AgriSens DEMMIN 4.0″ sind Wissenschaftler des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrumn mit den Abteilungen Dynamik der Landoberfläche und Nationales Bodensegment sowie das 2017 neugegründete Institut für Datenwissenschaften in Jena mit der Abteilung Bürgerwissenschaften beteiligt. Für die Testflächen in DEMMIN ließen sich die Erdbeobachtungszeitreihen und Informationslayer mit den In-situ-Messungen von Projektpartnern abgleichen und „ermöglichen so die Erstellung von qualitativ hochwertigen Informationen”, sagt Dr. Sarah Asam aus der Abteilungen Dynamik der Landoberfläche.
Forscher der Abteilung Bürgerwissenschaften und der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena entwickeln sogenannte Citizen Science Strategien, die ebenfalls in die Daten mit einfließen. Landwirte würden über eine sehr detaillierte Ortskenntnis und einen umfangreichen Erfahrungsschatz bezüglich der Bewirtschaftung ihrer Anbauflächen verfügen, betont Sina Truckenbrodt von der FSU Jena. „Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Fachkräftemangels ergibt sich die Notwendigkeit, dieses Wissen zu bewahren und weiterzugeben.“ Deshalb wolle man gemeinsam mit den Landwirten digitale Karten samt Handlungsempfehlungen erarbeiten „und so einen unkomplizierten Zugang zu bestehendem Wissen gewährleisten.”
Wissenschaft und Landwirtschaft arbeiten zusammen
Als Beispiel nennen die Forscher eine Erfassung von „Minderertragsflächen”, die mit Informationen aus satellitengestützten Erdbeobachtungszeitreihen kombiniert werden. Diese Informationen werden dann den Landwirten in Form von Informationsprodukten zur Verfügung gestellt. Durch die Bündelung von Expertise aus den drei Forschungsbereichen Fernerkundung, Daten- und Bürgerwissenschaften würde „AgriSens DEMMIN 4.0″ die Entwicklung und Erprobung neuartiger Technologien für die Landwirtschaft ermöglichen. „Insbesondere haben wir in DEMMIN aufgrund der langen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Fernerkundungsdatenzentrum und der Friedrich-Schiller-Universität sehr gute Voraussetzungen, um Landwirte aktiv in aktuelle Erfassungsstrategien einzubinden” betont Friederike Klan vom Institut für Datenwissenschaften in Jena.
Ziel des Projekts ist es, die Landwirte mit Datensätzen zu versorgen, die ihnen wichtige Informationen verschaffen. Anhand dieser können die Bauern dann Entscheidungen bezüglich Düngung, Aussaat oder Bodenbearbeitung treffen. Aktuell sei die Hürde, diese Daten zu nutzen, für viele Landwirte viel zu hoch, sagt Dr. Daniel Spengler, Projektkoordinator, Sprecher des Experimentierfeldes und wissenschaftlicher Mitarbeiter am GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam. „Das betrifft vor allem den Zugang zu den Daten, die Nutzung in einer Fülle von Softwarelösungen und unübersichtlichen Angeboten des Marktes. Wir möchten hier niedrigschwellige Lösungen anbieten.”
Der Forschungsverbund AgriSens DEMMIN 4.0 ist ein Zusammenschluss des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) Potsdam, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Julius-Kühn Instituts Braunschweig, des Deutschen Wetterdienst, der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sowie der Hochschule Neubrandenburg. Die Landwirte sind regionale Landwirtschaftsbetriebe im Raum Demmin in Mecklenburg-Vorpommern sowie Partnerbetriebe der beteiligten Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland. Interessierte Landwirte können sich dem Projekt auch weiterhin anschließen.