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Die niederländische Provinz Nordbrabant ist eine der innovativsten Regionen Europas. Nicht umsonst rangiert die Provinz in der Liste der Regionen mit den meisten Patentanmeldungen auf Platz fünf in Europa. Die Zeit bis zur Markteinführung neuer Produkte wird jedoch immer kürzer, während die Technologie immer komplexer wird. Ohne internationale Partner könnte Brabant seine führende Position verlieren. Aus diesem Grund prüft die Provinz die Aussichten für eine Zusammenarbeit mit fünf ähnlichen Regionen in Deutschland: Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern. Diese Partner machen sich das Wissen und die Stärken des jeweils anderen zunutze, um eine solide Grundlage für die gemeinsame Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft zu schaffen.

Heute: Biowissenschaften & Gesundheit

Forscher auf der ganzen Welt arbeiten an einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Die Erwartungen sind hoch. Er sollte auf jeden Fall Anfang nächsten Jahres verfügbar sein. Wenn dieser Zeitpunkt aber gekommen ist, wird sich ein neues Problem am Horizont abzeichnen. Der Impfstoff wird für den Markt in den typischen Impfstofffläschchen verpackt werden müssen. Oder sogar pro Dosis in einer Spritze.

Die Zahl der pharmazeutischen Abfüllanlagen, die Impfstoffe in einer sterilen Umgebung verpacken können, ist aber weltweit begrenzt. Fast alle sind bereits bei bestehenden Kunden in Betrieb. Ausgenommen in Oss in Brabant. Dort hat BioConnection gerade eine komplett neue Anlage installieren lassen.

Historisches Terrain

Die zweite Abfüllanlage des Unternehmens mit einer Kapazität von 40 bis 50 Millionen Fläschchen pro Jahr steht auf historischem Gelände. Hier begann Organon vor fast einem Jahrhundert mit der Extraktion von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Schweineschlachtkörpern. Das war weltweit einzigartig.

Die alten Gebäude von Organon sind längst verschwunden. Auf den Fundamenten des ursprünglichen Firmengeländes wurde jedoch ein völlig neues Forschungs- und Entwicklungszentrum errichtet. Pivot Park ist ein Campus für offene Innovation im Bereich Biowissenschaften & Gesundheit. Innerhalb von sieben Jahren ist Pivot Park zur Heimatbasis von 60 biopharmazeutischen Forschungsunternehmen und Instituten mit fast 600 Mitarbeitern geworden. Hier ist das gesamte Spektrum im pharmazeutischen Bereich zu finden. Von der Forschung und Entwicklung bis zur klinischen Herstellung von Arzneimitteln.

Hotspot für pharmazeutischen Erfolg

Die Provinz Nordbrabant kann sich zu Recht als „Hotspot” bezeichnen, wenn es um pharmazeutische Erfolge geht. Die Hälfte der gesamten niederländischen Produktion im Bereich Biowissenschaften & Gesundheit (rund 10 Milliarden Euro) entfällt auf diese Provinz. Fast ein Viertel aller Arbeitsplätze in diesem Sektor befinden sich in dieser Provinz. Vor allem die Biotech-Branche wächst exponentiell. Die Zahl der neuen Branchen ist seit 2014 um 43% gestiegen, während sich die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Sektor verdoppelt hat.

Bei BioConnection ist die Zusammenarbeit mit externen Partnern an der Tagesordnung. Sie ist das wesentliche Merkmal dieses pharmazeutischen Dienstleisters. „Es geht nicht nur darum, eine riesige Produktionskapazität zu haben”, erklärt Alexander Willemse, CEO von BioConnection. „Wir können auch einen wichtigen Beitrag zur Verteilung eines Corona-Impfstoffs oder eines Medikaments gegen dieses Virus leisten. Bei einer Kapazität von 40 Millionen Fläschchen pro Jahr sprechen wir von 200 Millionen Dosen. Vergleichen Sie dies mit den 446 Millionen Einwohnern, die Europa hat. Dann werden Sie verstehen, dass wir über eine beträchtliche Produktionskapazität verfügen. Aber es geht auch um innovative Therapien. Junge Unternehmen, Spin-offs von Universitäten. Von kleinen bis mittleren Unternehmen; die Nischen dieser Welt”, so Willemse.

“Hilfe durch Upscaling”

„Wir können”, so Willemse weiter, „auch kleinere Mengen für erste klinische Studien liefern. Diese Firmen kommen mit Produkten zu uns, die sich noch in der Entwicklung befinden. Sie können ihre Rohstoffe in unseren Anlagen sterilisieren. Unsere erste Abfüllanlage eignet sich hervorragend für Produkte, die sich noch in Phase 1 befinden. Wir können die Produkte sogar manuell abfüllen. Wir unterstützen diese Start-ups gerne und helfen ihnen, ihre Produktion zu einem späteren Zeitpunkt zu steigern. Nicht alle werden es über die Ziellinie schaffen. So ist es nun einmal bei der pharmazeutischen Produktentwicklung. Aber es steht dem Kunden frei, bei uns zu bleiben. Von den ersten kleinen Chargen, die von Hand abgefüllt werden, bis hin zur vollautomatischen Befüllung von Fläschchen und Spritzen in großen Chargen.“

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Alexander Willemse, Geschäftsführer von BioConnection. Foto (c) BioConnection

BioConnection ist nur eines der Unternehmen, die Brabant, genau wie damals Organon, als innovative pharmazeutische Region auf die internationale Landkarte gebracht haben. Ein wichtiger Grund für die Besonderheit Brabants innerhalb dieses Sektors liegt in seinen konstruktiven Kooperationsmodellen.

Die Niederlande sind ein Testfeld für deutsche Unternehmen

Thijs Taminiau und Mark Koppers von der Brabant Development Agency (BOM) erläutern, wie sie eine solche aus Brabant stammende unterstützende Rolle für deutsche Unternehmen sehen. „Die Niederlande können ein großartiges Testfeld für deutsche Unternehmen sein. Es ist ein relativ kleiner Markt. Die Zeit bis zur Markteinführung ist daher kurz und man erreicht den Verbraucher sehr schnell. Außerdem sind die Niederländer echte ‚early adopters’. Wir nehmen neue Technologien sehr gerne an, auch im Bereich der Gesundheitsfürsorge. Denken Sie an die Digitalisierung des Gesundheitswesens im Allgemeinen, aber auch an Systeme zur Fernunterstützung. Zum Beispiel bei der Verwendung medizinischer Wearables in der häuslichen Pflege. Deutschland kann in dieser Hinsicht viel von uns lernen”, sagt Taminiau, Teamleiter Ausländische Investitionen bei der BOM.

Europäische Zusammenarbeit

Auf der anderen Seite bietet Deutschland Chancen für Brabanter Unternehmer, weil es ein riesiger Markt ist. „Wir können dort problemlos skalieren. Es spielt aber noch etwas anderes eine Rolle. Wenn wir als Europa den Herausforderungen der Zukunft begegnen wollen, können wir dies nur durch europäische Zusammenarbeit tun. Das gilt auch für Deutschland. “

Als Senior Project Manager International Trade bei der BOM für Unternehmen in Brabant knüpft Koppers Kontakte zu potenziellen Partnern in Deutschland. Dabei stößt er regelmäßig auf das Problem, dass die Unternehmen dort nicht sofort an die Niederlande denken, wenn sie eine internationale Zusammenarbeit suchen.

Med Tech und e-Health in den Niederlanden bereits recht gut etabliert

„Studien haben gezeigt, dass die Wahrnehmung des durchschnittlichen deutschen Unternehmers von den Niederlanden nicht viel weiter geht, als ein Hauptlieferant von Obst und Gemüse und ein Urlaubsort in der Provinz Zeeland zu sein. Wir bauen unsere Technologiekompetenz seit Jahren auf. Inzwischen beginnen die Niederlande für die Deutschen immer interessanter zu werden. Dennoch ist es ihr natürlicher Reflex, den Blick nach Osten zu richten oder die Zusammenarbeit mit großen Ländern wie den Vereinigten Staaten oder China zu suchen. Schließlich sind große Volkswirtschaften immer bestrebt, sich andere große Volkswirtschaften anzusehen.“

Brabant habe viel zu bieten, so Taminiau. Vor allem vor dem Hintergrund wichtiger Trends wie der Alterung der Bevölkerung, chronischer Krankheiten und der vollständigen Digitalisierung des Gesundheitswesens. Brabant steht gut da, wenn es um MedTech und e-Health geht. Deutschland schaut nun mit großem Interesse auf die Niederlande, was die Entwicklungen in diesen Bereichen betrifft. Sowie auf das, was bereits in die Praxis umgesetzt worden ist. „In den Niederlanden”, so Koppers weiter, „ist dieser Markt bereits recht gut etabliert. Hier haben wir als Brabant einen echten Wettbewerbsvorteil.“

Beide warnen jedoch davor, dass man als niederländisches Unternehmen im Vorfeld gut vorbereitet sein muss. Ein offensichtlicher Mehrwert ergibt sich jedoch immer dann, wenn erhebliche Einsparungen, eine deutliche Qualitätssteigerung oder eine deutliche Effizienzsteigerung erzielt werden können. Dann sind deutsche Partner durchaus interessiert. „Folglich muss man in der Lage sein, diesen Mehrwert sehr klar zu erläutern und mit Referenzen, vorzugsweise aus dem deutschen Markt selbst, zu untermauern. Sonst werden die Deutschen nie auf etwas Neues umsteigen. Das ist eine kulturelle Sache.”

Wissen austauschen

Koppers unterstreicht auch die Bedeutung des Wissensaustauschs. „Man muss sich der Expertise des anderen bewusst sein. Das kann schwierig sein. Wir wissen, wozu die TNO (Niederländische Organisation für angewandte wissenschaftliche Forschung, Hrsg.) fähig ist. Aber wir wissen nicht, woran zum Beispiel die Fraunhofer-Institute alle arbeiten. Man muss einen Weg finden, das alles zusammenzubringen. Das ist der einzige Weg, um die Innovation zu beschleunigen.“

„Glücklicherweise gibt es bereits erfolgreiche Formen der Zusammenarbeit. Nehmen Sie zum Beispiel das Projekt Medizintechnik Holland von Brainport Industries. Das bringt immer noch neue Projekte hervor. Infolgedessen sind Brabants MedTech-Lieferanten heute fest auf der Landkarte verankert. Auf dem Gebiet der chirurgischen Instrumente und Geräte, wie z.B. MRT-Scanner, gibt es hier eine Menge Fachwissen. Sie stellen seit Jahren Teile für Philips her. Sie könnten dies auch für Siemens Healthineers oder Ziehm Imaging und Zeiss tun. Das haben inzwischen auch einige große deutsche Unternehmen erkannt.“

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