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Neue Koalitionspapiere sind wie gekaufte Lose. Man öffnet mit zittrigen Fingern das Losbriefchen, entfaltet den Inhalt und in der Regel zieht man eine Niete. Manchmal bekommt man einen „Trostpreis“ und ganz selten gewinnt man richtig.

Die neue Ampel-Koalition steht. Die Ressorts sind verteilt, manche Protagonisten stehen noch nicht fest, aber wir wissen, dass das Verkehrsministerium an die FDP fällt.

Verkehrsministerium ohne Grüne

Das überrascht wenigstens so, wie die Abkehr von Tempo 130 gleich zu Anfang der Koalitionsverhandlungen. Insider hatten fest damit gerechnet, dass das Schlüsselministerium an den bayerischen Hardliner der Grünen, Anton Hofreiter, fallen würde.

Viel überraschender aber sind die wolkigen Zeilen, die im Koalitionsvertrag stehen. Politikersprech hat die anfängliche Euphorie verdrängt. Die Realität hat quasi brutal, aber erwartungsgemäß zugeschlagen.

E-Fuels? Inlandsflüge? Tempo 30?

Für viele bedeuten die drei Schlagworte den blanken Horror. Fakt ist, es bleibt alles anders. So gibt es keine Festlegung auf Abstriche beim Straßenbau, Inlandsflüge wird es weiter geben. Die will man durch „Steuerung“ obsolet machen. Durch bessere Bahnverbindungen soll die Anzahl von Kurzstreckenflügen ganz von selbst verringert werden.

Ein flächendeckendes Tempo 30 in Städten wird im Vertrag nicht erwähnt. Dafür soll sehr viel mehr Geld in die Schiene investiert werden – vom „Deutschlandtakt“ bei den Bahnverbindungen ist die Rede. Zumindest was die Nomenklatur betrifft, finden sich in Koalitionsverträgen immer wieder kreative Ansätze.

Klimaneutralität anyone?

Das Fliegen soll klimaneutral werden – unter anderem durch E-Fuels. Die sollen auch eine Rolle dabei spielen, dass 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden. Heißt: der Verbrenner wird dann nicht aussterben. Denn die Zulassung von „mit E-Fuels betankbaren Fahrzeugen“ soll möglich sein. 

Die Umweltverbände dürften über diese ersten Eckpunkte kaum erfreut sein. Auch wenn die Ampel anstrebt, dass bis 2030 15 Mio. Elektroautos auf der Straße sein sollen.

Derzeit sind laut Kraftfahrt Bundesamt mehr als 48 Mio. Pkw in Deutschland zugelassen. 2030 werden dann also noch mindesten 32 Mio. Verbrenner unterwegs sind. Das ist eine bittere Realität, die so vermutlich nicht zu ändern ist. 

Energieproblematik

Ob der „Deutschlandtakt“, also die Bahn tatsächlich so clever und schnell ausgebaut werden wird, dass Inlandsflüge weitgehend obsolet werden, dürfte ebenfalls Wunschdenken sein. Allein die Genehmigung von neuen Trassen, die dafür notwendig sind, dauert in der Regel Jahrzehnte. NIMBYs und Umweltschützer sind daran nicht ganz unschuldig. Natürlich strebt man an, Genehmigungs-Prozesse zu „beschleunigen“.

Kein Wort im Koalitionsvertrag, wie die Energieproblematik angegangen werden soll. 15 Mio. Elektro-Pkw brauchen punktuell eine Menge verlässlichen Strom und Lademöglichkeiten. Zudem explodieren derzeit die Energiepreise. Die Herstellung von E-Fuels kostet darüber hinaus ein Vielfaches des regenerativen Stroms, der heute zur Verfügung steht. Denn E-Fuels benötigen zur Herstellung Wasserstoff.

Was bleibt, ist ein entfaltetes Losbriefchen, das derzeit eher ein „Leider war es nichts, versuchen Sie es noch einmal“ beinhaltet. 

Der große Gewinn, die echte „grüne Verkehrswende“, aber das haben wir schon geahnt, lässt also weiter auf sich warten.

Die andere Kolumne von Bernd Maier-Leppla lesen Sie hier.

Zu dieser Rubrik:

In einer wöchentlichen Kolumne, abwechselnd geschrieben von Bert Overlack, Eveline van Zeeland, Eugène Franken, Helen Kardan, Katleen Gabriels, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla und Colinda de Beer versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, manchmal ergänzt durch Gastblogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit.