Weltweit leiden mehr als 235 Millionen Menschen an Asthma. In Deutschland sind rund acht Millionen von der Krankheit betroffen. Mit 10% bis 15% ist Asthma besonders häufig unter Kindern verbreitet, bei den Erwachsenen liegt die Zahl bei etwa fünf bis sieben Prozent. Die Beschwerden der Patienten reichen von Husten über Kurzatmigkeit bis hinzu akuter Atemnot und die Anfälle können sogar tödlich enden. Speziell bei Kindern ist aber oft schwieriger, die Krankheit zu diagnostizieren, obwohl es gerade bei Kindern wichtig ist, sie frühzeitig zu erkennen. Nur so kann eine dauerhafte Schädigung der Atemwege verhindert werden. Außerdem lässt sich Asthma dann auch gut behandeln.
Messverfahren, bei denen man in einen Schlauch pustet, können bei Kindern jedoch nicht angewendet werden und Lungenfunktionstests sind erstens sehr zeitaufwändig und sind zweites erst ab einem Alter von vier bis fünf Jahren möglich. Mithilfe der der Methode des Maschinellen Lernens entwickeln Wissenschaftler der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik EMB in Lübeck daher gemeinsam mit der Pattern Recognition Company und der Raytrix GmbH einen Schnelltest, bei dem man zur Asthma-Diagnose nur einen Tropfen Blut benötigt. Das Ergebnis soll bereits nach nur 60 bis 90 Minuten vorliegen. Die Forschung wird vom Land Schleswig-Holstein im Rahmen des Projekts „KillAsthma“ gefördert.
Analyse von Immunzellen mit Hilfe von KI
Die Forscher stützen ihre Untersuchungen darauf, dass sich die Blutzellen von Asthmatikern anders bewegen als die gesunder Menschen. „Bei Asthma ist die Bewegung der Immunzellen stark verlangsamt, wenn sie einen Entzündungsreiz erfahren“, erklärt Dr. Daniel Rapoport, Leiter der Arbeitsgruppe Zellprozessierung an der Fraunhofer EMB. Bei dem Test werden die Immunzellen aus dem Tropfen Blut unter einem eigens entwickelten holografischen Mikroskop, einem sogenannten Zellscanner, etwa 60 Minuten lang beobachtet. Anhand der Bewegungsmuster soll dann eingeschätzt werden, ob eine Asthmaerkrankung vorliegt. „Wir haben uns schon lange mit dem Bewegungsmuster von Zellen beschäftigt, auch KI dazu zu nehmen, ist in Zusammenarbeit mit der Uni Lübeck entstanden. Sie erkennt einen Bewegungspozess mehr oder weniger selbstständig und das ist eine Spezialität der Uni.“
Das Mikroskop ermöglicht laut Aussagen der Wissenschaftler ein automatisches, dreidimensionales Tracking der Zellen in Echtzeit, wobei die Künstlichen Intelligenz (KI) in den komplexen Bewegungsmustern tausender Zellen charakteristische Muster erkennt. „Wir können 2000 bis 3000 Zellen zeitgleich beobachten, wodurch eine hohe statistische Genauigkeit gewährleistet ist“, so Rapoport. Anschließend werden die ermittelten Bewegungsmuster an ein neuronales Netz übergeben und selbstlernende Algorithmen analysieren die Blutzellbewegungsmuster und errechnen den diagnostischen Index. „Mit KI kann man Abweichungen der Muster erkennen. Um die Unterschiede zu erfassen, verwenden wir selbstlernende Algorithmen. Anhand vieler Trainingsdaten lernen die neuronalen Netze Muster und können die Profile von Kranken und Gesunden unterscheiden.“
Fluch und Segen zugleich
Langfristig soll diese Methode auch auf andere Krankheiten angewendet werden. „Wir hoffen, dass sich mit unserer Methode auch andere Krankheiten analysieren lassen. Dies gilt im Speziellen für Autoimmun- und chronisch entzündliche Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa und Rheuma. Hier sind die Diagnosen langwierig und lassen sich mit einem angepassten Schnelltest deutlich beschleunigen“, sagt der Lübecker Forscher.
Die ersten Tests seien erfolgreich abgeschlossen, bis der Schnelltests in der Praxis angewendet werden kann, werden aber wohl noch Jahre vergehen, insbesondere, weil man erst mal sichergehen müsse, dass der Test aktuell auch wirklich nur Asthma erkenne, so Rapoport. Einen Zeitplan gibt es noch nicht. „Ich glaube, das wird nicht so schnell der Fall sein“, sagt Rapoport. „Etwas muss erst validiert und zugelassen werden und dazu muss man auch ein paar unangenehmere Tests fahren als jetzt unter Laborbedingungen. Das heißt, man muss mal sehen, ob andere chronisch-entzündliche Erkrankungen überhaupt differentialdiagnostisch diagnostiziert werden können und nicht nur ein sehr ähnliches Testergebnis liefern.“
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Es bestehe momentan noch die Möglichkeit, dass Zellen ganz allgemein durch chronisch entzündliche Prozesse immer auf dieselbe Weise beeinflusst werden wie bei Asthma. „Das muss man erst herausfinden und dazu braucht man wieder Patientenblut von eindeutig diagnostizierten Patienten, die andererseits nicht so medikamentiert sind, dass das den Test zu stark beeinflusst“, gibt Rapoport zu. Die Hoffnung sei nun, dass sie das mit einer angepassten KI „auseinanderdividieren können“. Und wenn das nicht gelingt? „Dann haben wir ein Problem. Aber das ist eben Forschung. Wir stehen tatsächlich noch relativ am Anfang.“
Schnelltests ersparen Zeit und Kosten
Schnelltests werden in der Medizin ganz allgemein immer beliebter. Influenza, Tuberkulose, HIV, Malaria, Darmkrebs oder auch der Tests zur Erkennung von Krebs – die zum großen Teil noch in der Entwicklung sind. Wissenschaftler der University of East Anglia in Norwich haben jetzt einen Urintest zur Früherkennung von Prostatakrebs entwickelt, und auch in Deutschland arbeiten Forscher wie Dr. Daniel Rapoport und seine Kollegen an weiteren Schnelltests. Um Schnelligkeit gehe es bei diesen Test gar nicht immer, erklärt er. „Im Grunde ist es wohl eine Kostenfrage. Wenn ein Test in irgendeinem Diagnoselabor lange dauert, braucht man viel Personal und der Test ist teuer. Mit Schnelltests können die großen Diagnoselabors viel mehr Diagnosen pro Tag durchführen.“
Bedenken wegen der Zuverlässigkeit gegenüber der viel aufwändigeren Labortests brauche man sich aber nicht machen, betont der Forscher. „Die Tests, die ich kenne, sind im Vergleich zu Labortest genauso zuverlässig wie normale Labortest.“
Zur Zeit arbeiten Rapoport und seine Projektpartner daran, die Hardware und das Verfahren des Tests zur Erkennung von Asthma zu optimieren. Ihr Fernziel ist, die individuelle Ausprägung von Asthmaerkrankungen zu erkennen, um einen personalisierten Behandlungsplan entwickeln zu können.
Titelbild: Das holografische Mikroskop ermöglicht ein automatisches, dreidimensionales Tracking der Immunzellen in Echtzeit. © Fraunhofer EMB